Schon wieder eine Woche vorüber und als wären die vergangenen sieben Tage nicht schon anstrengend genug gewesen, folgt zur Krönung jetzt auch noch mein neuer Wochenrückblick. Das Wichtigste zu Beginn gleich mal im Schnelldurchlauf: Jan Böhmermann bekommt für sein "ZDF-Magazin Royale" immer viel Beifall, darum hat er diese Woche ein (Achtung!) Klatschmagazin auf den Markt gebracht. Ja, sie merken schon: Aus der Wortspielhölle nichts Neues.

Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nicht in der Wortspiel-, aber dafür in der Shitstorm-Hölle hat sich derweil Friedhelm Funkel eingefunden. Funkel kennen sie – er ist mittlerweile so lange im Profifußball-Geschäft, dass er der Vater von Lothar Matthäus sein könnte. Oder der Opa von Lothar Matthäus Lebensgefährtinnen. Jüngst hat er seinen 842. Bundesligaverein übernommen, dieses Mal den Alaaf-Club aus Köln.

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Ein Funkel Hoffnung für Hufeisen

Und weil Karneval dieses Jahr wegen Corona noch schmaler ausgefallen ist als die Quote beim DSDS-Finale, möchte Funkel aus Dankbarkeit über seinen neuen Job den Kölnern in ihrer Sehnsucht nach rassistischem Jecken-Humor beistehen. Gleich in seinem ersten Interview nach einem Bundesligaspiel als neuer Cheftrainer verdribbeln sich seine Synapsen in einen verhältnismäßig ekelhaften Satz, der suggeriert, das Benutzen des N-Wortes wäre irgendwie neuerdings verboten und das alles ja irgendwie auch ziemlich lächerlich. Ein Funkel Hoffnung für Rassisten, könnte man sagen.

Da lacht der Friedhelm und der Sky-Reporter Ecki Heuser gleich mit. Beide schütteln sich aus über diesen humoristischen Geniestreich, für den sich sogar Luke Mockridge schämen würde. Im Grunde ging es in Funkels Satz um besondere Schnelligkeit. Schade, dass Funkel und Heuser eher zu Vertretern des Schneckentempos gehören. Zumindest mal beim Nachdenken. Ob Funkel Heuser anschließend zu einem leckeren Schnitzel mit Z-Sauce eingeladen hat, blieb bis Redaktionsschluss unklar.

Bevor es jetzt aber einen Ecki-Heuser-Kampf um die Entlassung von Friedhelm Funkel gibt, habe ich Fragen zu wichtigeren Themen: Gibt es wirklich diesen Geheimcode unter selbsternannten, waschechten Patrioten, dass sie stets so viele grauenvolle Rechtschreibfehler in ihre geliebte deutsche Sprache einbauen, wie es nur irgendwie möglich ist, um sich immer untereinander sofort erkennen zu können? Anders ist es ja eigentlich nicht zu erklären, dass man bei einschlägigen Facebook-Kommentaren und Twitter-Replies aus der "Ich bin kein Nazi, aber"-Fraktion trotz mehrfachen Lesens keinerlei Mehrwert generieren kann. Außer jetzt vielleicht einem Infarkt des Sprachzentrums.

Die neue Diskussionsunkultur im Netz

Das aus meiner Sicht Unwürdigste an dieser Diskussionsunkultur ist natürlich nicht, dass jemand wie ich sich nach Veröffentlichungen, Tweets oder satirischen Kolumnen mit allerlei auf Knopfdruck aus Querdenker-Telegram-Gruppen herbeigeeilten "Kritikern" rumschlagen muss, die der Welt ihr Bildungsniveau mit Beiträgen wie "das dumme Model soll lieber wieder Fotos auf Instagram machen" dokumentieren.

Nein, es ist der damit automatisch einhergehende würdelose Umgang mit den wirklichen Leistungsträgern unserer Gesellschaft – insbesondere in Zeiten einer Pandemie. Während nämlich bereits mehr als 80.000 Menschen an Corona gestorben sind und Intensivmediziner täglich verzweifelt vor einem Kollaps des Gesundheitssystems warnen, laufen "Lockdown-Gegner" zu Tausenden ohne Maske auf nicht genehmigten Demos und überschwemmen mit ihren anonymen Troll-Accounts die Debatten auf Social Media mit ihren auf Desinformationsblogs zusammengeklaubten, wissenschaftlich zumeist längst widerlegten Pseudo-Weisheiten.

Pflegepersonal, Ärzte, medizinische Fachkräfte – die Liste von Menschen ist lang, die sich nichts mehr wünschen würden, als dass Corona "nur eine Grippe" wäre. Die es aber besser wissen, weil sie jeden Tag unter schlechtesten Bedingungen Menschen am Leben zu halten versuchen. Über 80.000-mal tragischer Weise bereits erfolglos. Und anstatt diesen Menschen zumindest Respekt zu zollen, wird von Diktatur, Entzug der Freiheitsrechte und verlorener Meinungsfreiheit schwadroniert, als würde man pro verbreiteter Fake News ein Bernd-Höcke-Fleißkärtchen erhalten und wäre somit vor der durch AfD-"Politiker" hin und wieder mal angedeuteten "politischen Säuberung" gefreit, sobald die vom Verfassungsschutz inzwischen bundesweit beobachtete Alternative für Deutschland hier irgendwann mal etwas zu sagen hätte.

Last Days Of Diskurs

Als wäre die Renaissance der Hemmungslosigkeit beim Attackieren von Meinungen, die von der eigenen abweichen, nicht schon unangenehm genug, haben die "Ich bin kein Nazi, aber"-Koryphäen im neuen Diskursdilemma der Agenda-Lager mittlerweile begriffen, dass man nur verlieren kann, wenn man sich selber als Nazi bezeichnet. Selbst, wenn man glaubt, andere würden annehmen, man meine es ironisch. Das neue, flächendeckend am rechten Rand verteilte Narrativ lautet jetzt: "Ich bin gegen jede Form von Extremismus. Rechtsextremismus, aber auch Linksextremismus".

Dass dann sämtliche Inhalte auf den eigenen Timelines weitestgehend ausschließlich aus Rechtspropaganda und Corona-Verharmlosung (wenn nicht -Leugnung) bestehen – egal. Kann natürlich Zufall sein. Oder man glaubt eben tatsächlich, das Anzünden von Flüchtlingsheimen oder die Hinrichtung von Politikern wäre zwar irgendwie schlimm, aber natürlich dürfte dabei nicht vergessen werden, dass die Antifa auch schon mal Einkaufswagen angezündet hat und Schaufenster von AfD-Büros beschmiert.

Und weil man in der Ära der intellektuellen Einfältigkeit schnelle Slogans und einprägsame Bilder benötigt, gibt es dafür auch schon einen neuen Modebegriff: Die Hufeisentheorie. Für mich ein heißer Kandidat auf das Unwort des Jahres. Denn wenn selbst der Hardcore-Linke Horst Seehofer den Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Sicherheit in unserem Land sieht, erwischt man sich irgendwann wirklich immer öfter bei dem Gedanken, die Gefahrenlagenexperten aus den Kommentar-Kanonenfutter-Trainingslagern der Tichy- und Hallaschka-Pamphlete würden sich wahrscheinlich wirklich sehr gut mit Hufeisen auskennen. Weil sie schon oft von einem getroffen wurden. Mit dem Pferd auf der anderen Seite noch dran womöglich.

Die Rückkehr der Genderritter

Sobald man versucht, zu begreifen, warum auf der einen Seite struktureller Rassismus geduldet oder gar befördert wird, die Polizei als rassismusfreie intellektuelle Elitetruppe inszeniert und der Klimawandel ignoriert wird, während auf der anderen Seite offensichtlich das Gendern als größte Gefahr für unser Land ausgemacht wurde, versucht sich Friedrich Merz nach spektakulären Niederlagen gegen Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und zuletzt sogar Armin Laschet als versehentlich knapp zu weit rechts abgebogener Retter der CDU zu etablieren. Zum ungefähr siebten Mal. Warum der bodenständige Mittsechziger mit nur zwei Privatjets ausgerechnet bei der Klientel offene Türen einrennt, die tendenziell weniger Probleme mit Vergewaltigung in der Ehe als mit Homosexuellen hat – rätselhaft.

Vielleicht aber einer der Gründe, warum Merz nach aktuellen Umfragen im Direkten Duell sowohl gegen die beiden Grünen Optionen Annalena Baerbock und Robert Habeck, als auch gegen Sarah Wagenknecht, Olaf Scholz, Markus Söder und sogar Christian Lindner verlieren würde. Vom erweiterten Kreis der Kanzlerkandidaten hätte er momentan vermutlich einzig gegen Armin Laschet eine Chance. Aber wenn wir mal ehrlich sind: In der Kanzlerfrage würde unterdessen sogar Mario Barth gewinnen. Mit seinem Programm: "Steuern sind doof – Fridays For Future aber auch".

Ich, ich, ich, ich ich!

Büchse. Pandora. Buzzwords. Empörung. Ich gehe also davon aus, es wird jetzt wahrscheinlich wieder hunderte Kommentare hageln, in denen ein satirischer Wochenrückblick mit einer Nachrichtensendung verwechselt wird und mir als Autorin nahegelegt, doch lieber im horizontalen Gewerbe meine Talente zu suchen. Kleinode der Debattenkultur, in der die Vokabeln "linksgrün versifft" und "linksextrem" ungefährdet die absolute Mehrheit holen. Das ist natürlich relativ unsinnig, aber eben auch eine Meinung.

Lebten wir in einer Diktatur, könnte ich jetzt beim Bundeslügenpresseamt veranlassen, dass alle uncharmanten Kommentare sofort gelöscht werden. Kann ich aber nicht. So viel zum Thema Verlust der Meinungsfreiheit. Und zum Thema Linksextremistin auch noch ein kurzer Fun-Fact: Ich bin wahrscheinlich bei mehr linken Aktivisten und vor allem Aktivistinnen geblockt als der Hobbyjournalist Reistschuster. Immerhin schreibe ich hin und wieder für die WELT. Da ist man bei der Freiheit, Gleichheit und Diskurs liebenden Linken Bubble ja schnell zum Abschuss freigegeben.

Die Rechten finden, ich sei ein hohles Blondchen – die Linken finden, ich sei eine kapitalistische Rassistin. Aber vielleicht ist es ja das Schicksal der immer schmaler werdenden liberalen Mitte, von allen gehasst zu werden. Wenigstens da würde die Hufeisen-Metapher dann ja stimmen. Wie ich aber schon weiter oben angemerkt habe, gibt es in diesem Land wirklich beängstigend große Probleme, die mit Gender-Diskussionen natürlich genau so wenig gelöst werden, wie mit Rumgeheule über die fehlenden Jubelarien für das übersteigerte Ego einer Entertainment-Kolumnistin wie mir.

Meine Botschaft lautet daher heute: Lasst euch impfen, sobald ihr an der Reihe seid. Haltet euch an die Regeln. Haltet Abstand. Tragt Masken. Das ist das Mindeste, was ihr für die Menschen tun könnt, für die ihr letztes Jahr noch so euphorisch von Balkonen geklatscht habt. Danke!

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