Der Iffland-Ring gebürt dem "Würdigsten" unter den Schauspielern im deutschsprachigen Raum. Der jüngst gestorbene Bruno Ganz trug ihn und bestimmte einen Nachfolger, der auch als "romantischer Grübler" gilt.
Seine Karriere stand anfangs auf der Kippe. Als 19-Jähriger wirkte Jens Harzer auf die Prüfungskommission der Otto-Falckenberg-Schule zu sanft und zu zurückhaltend. So beschrieb der "Spiegel" die kritische Situation.
Dann nahm der Schauspieler Jörg Hube den jungen Mann aus Wiesbaden unter seine Fittiche und studierte mit ihm die Rolle des St. Just aus "Dantons Tod". Es klappte - Harzer durfte die Schauspielschule besuchen.
Knapp 30 Jahre später ist Harzer, Ensemblemitglied beim Hamburger Thalia Theater, auf dem Olymp des Schauspieler-Lebens angekommen: Er ist neuer Träger des Iffland-Rings. Das teilte Österreichs Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag mit.
Die auf Lebenszeit vergebene Auszeichnung erhält der "bedeutendste und würdigste Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters". Der im Februar gestorbene Schweizer Schauspieler
Einem breiten Publikum ist Harzer spätestens seit seiner Rolle als Arzt in der TV-Serie "Babylon Berlin" bekannt.
Harzer "voller Dank" für Ehrung
"Ich freue mich von ganzem Herzen für Jens Harzer", sagte die Intendantin des Wiener Burgtheaters Karin Bergmann in einer ersten Reaktion. Sie erinnere sich an Rollen, die Harzer "taumelnd, sich verlierend, wütend und ratlos – ganz eigen, ganz unverwechselbar, ganz Harzer, zutiefst berührend und am Ende triumphal" verkörpert habe.
"Ich wusste, dass Bruno Ganz eine vollkommene Wahl treffen wird, auch wenn ich mir den Iffland-Ring erstmals gut an einer Frauenhand hätte vorstellen können", so Bergmann. Der Iffland-Ring wird voraussichtlich noch vor dem Sommer auf der Bühne des Burgtheaters von Österreichs Kulturminister übergeben.
Harzer zeigte sich dankbar, wollte sich aber nicht ablenken lassen vor der abendlichen Vorstellung. "Ich nehme diese Geste des Weiterreichens voller Dank entgegen", ließ der 47-Jährige über seine Lebensgefährtin ausrichten.
"Aber ich kann heute nichts anderes tun, und möchte nichts anderes tun, als an Bruno Ganz denkend auf die Bühne gehen und Theater spielen - Handkes "Immer noch Sturm" als Gastspiel an der Berliner Volksbühne."
Thalia-Intendant Joachim Lux gratulierte im Namen des Theaters: "Dass dieser Ausnahmeschauspieler seit nunmehr zehn Jahren Mitglied unseres Ensembles ist, erfüllt uns alle mit großem Stolz."
Harzer stehe mit seiner Arbeit "für die autonome Welt der Kunst und die Kraft der Sprache" und verteidige sie gegen "die Zumutung unterkomplexer Weltsichten".
"Wie eine sensible Naturgewalt"
Erste Schauspiel-Erfahrungen sammelte der frühere Mittelstreckenläufer unter anderem in der Theater-AG des Gymnasiums am Mosbacher Berg in Wiesbaden. Dort stand er als Josef K. in dem Stück "Der Prozess" nach einem Roman von Franz Kafka und als Leonce in "Leonce und Lena" von Georg Büchner auf der Bühne.
Noch vor Ende seiner Ausbildung in München wurde Harzer Ensemblemitglied bei den dortigen Kammerspielen und galt Mitte der 1990er Jahre als "aufregendster junger deutscher Schauspieler".
Mit 24 Jahren erhielt Harzer den bayerischen Förderpreis für junge Künstler und den Kunstpreis Berlin für Nachwuchsschauspieler. Es folgten zahlreiche Engagements auf den Theaterbühnen und immer mehr Angebote, in Kino- und TV-Filmen mitzuspielen.
Harzer ist seit 2009 am Thalia Theater in Hamburg und stand in Österreich unter anderem bei den Salzburger Festspielen 2018 auf der Bühne.
Die Kritiker würdigten seinen "eigentümlich traumverlorenen Blick", der an einen "romantischen Grübler" erinnere. "Harzer spielt sich wie eine sensible Naturgewalt durch die Klaviatur der Gefühle", erklärte am Freitag Carsten Brosda, Senator für Kultur in Hamburg.
Brunz Ganz als Vorbild
Harzers Vorbild war Bruno Ganz. Bei dessen Beisetzung am Mittwoch in Zürich verlas Harzer die Trauerrede des Dramatikers Botho Strauß. In der Botho-Strauß-Inszenierung "Ithaka" standen Harzer und Ganz gemeinsam auf der Bühne. Ganz als Odysseus, Harzer als sein Sohn.
Der Iffland-Ring wird bisher nur an Männer weitergegeben. Diesen Umstand hatte jüngst das Fachmagazin "Theater heute" kritisiert. Der Preis solle endlich auch für Frauen geöffnet werden, forderte die Redaktion. Für Schauspielerinnen gibt es den weitaus weniger bekannten Alma-Seidler-Ring.
Ganz, im Februar einer Krebserkrankung erlegen, hatte den Ring einst vom österreichischen Schauspieler Josef Meinrad (1913-1996) zugesprochen bekommen. Er soll zunächst seinen Bühnenkollegen Gert Voss als Nachfolger bestimmt haben.
Voss starb aber 2014. Zum Kreis der Kandidaten waren auch Schauspieler wie Martin Wuttke, Nicholas Ofczarek, Ulrich Matthes, Klaus Maria Brandauer, Lars Eidinger, Joachim Meyerhoff und Ulrich Tukur gezählt worden. © dpa
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