Die neue "Tatort"-Saison geht mit einem Mord in der Wiener Hip-Hop-Szene los. Sogar die Kommissare rappen. "Deine Mutter" ist trotzdem nicht peinlich. Nur ein bisschen langweilig.
Die Sommerpause ist vorbei, draußen fallen die ersten Blätter von den Bäumen, und in der neuen "Tatort"-Saison reihen sich die Abschiede aneinander: Ende September zeigt das Erste den letzten Frankfurter "Tatort" mit Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), eine Woche später läuft der letzte "Tatort" aus Franken mit
Und jetzt geht es auch erst einmal los mit den verlässlichen Ermittlern
Eine Story wie von Eminem inspiriert
Gespielt wird der aufstrebende Star von Aleksandar Simonovski aka Yugo Ürdens, der seinen Schauspielkollegen hinter den Kulissen nebenbei ein bisschen Rappen beigebracht hat. Denn "Deine Mutter" spielt in einer fiktiven Wiener Hip-Hop-Szene, aber mit echten österreichischen Rappern und authentischen Mutterkomplexen.
Rapper rappen bekanntlich gerne über Mutti – wenn man, wie so viele von ihnen, unter erschwerten Bedingungen bei einer allein erziehenden Mutter, die kaum älter ist als man selbst, aufwächst, ist die Beziehung naturgemäß kompliziert. Berühmtes Beispiel ist der amerikanische Superstar
Eine Line Koks von Mutti
Jungstar Ted Candy ist schon ziemlich zugedröhnt, als er auf die Bühne tritt und vor einer begeisterten Menge seinen Produzenten und Mentor Akman Onur (Murat Seven) disst. Kurz darauf bricht Ted das Konzert ab und verschwindet – nicht ohne von einem entzückten Fan hinter der Bühne noch eine Line Koks anzunehmen.
Diese Frau, die ihm dabei liebevoll übers Haar gestrichen hat, wird wenig später völlig aufgelöst auf der Couch in der gemeinsamen Wohnung sitzen. Denn Ted Candy wurde erschlagen in der Tiefgarage seines Plattenlabels gefunden. Und Adriane Sänftner (Edita Malovcic, die die Staatsanwältin Hanna Lennerz in den Til-Schweiger-"Tatorten" spielte) ist nicht irgendein Groupie oder die Freundin des Opfers – sie ist seine Mutter.
"Wir zwei gegen den Rest der Welt", so sei es immer schon gewesen, sagt die so verzweifelte wie verkaterte Frau über ihren "Teddy". Wie es aussieht, hat Adriane Sänftner ganz ähnliche Substanzen im Blut, wie sie bei der Autopsie ihres Sohnes gefunden werden.
Gangsta-Rap gegen Autotune-Gesäusel
Es ist nicht die einzige heikle Beziehung, die Bibi Fellner und Moritz Eisner zur Lösung dieses Mordfalles unter die Lupe nehmen müssen. Der Barmann des Clubs, in dem Ted regelmäßig auftrat, scheint mehr als nur freundschaftliche Sorge für den Rapper empfunden zu haben.
Und der Streit zwischen Ted Candy und dem älteren Musiker und Produzenten Akman Onur ist auch schwer einzuschätzen: Handelte es sich nur um den üblichen Beef als Marketingstrategie, um die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben? Oder hatte Ted Candy tatsächlich vor, zu einem größeren, etablierten Label zu wechseln? Akman Onur behauptet, bei allem Ärger Ted Candy wie einen Sohn geliebt zu haben. Allerdings hegt sogar seine schwangere Frau und Geschäftspartnerin Sarah (Salka Weber) Zweifel an Onurs Alibi.
Die beiden sind außerdem gerade damit beschäftigt, den aus Nigeria stammenden jungen Rapper Bashir (Francis Ayozieuwa) aufzubauen. Der erzählt in seinen Songs von Terrorismus und Fremdenfeindlichkeit. Bashir verachtet Ted Candys "Autotune-Scheiße": Seine Musik hingegen sei "real" und käme direkt vom Herzen. Vielleicht war Ted Candy ein Karrierehindernis? Generationenkonflikte sorgen schließlich nicht nur in der Musikbranche für Mord und Totschlag.
Eine traumhaft rappende Kommissarin
Inszeniert hat "Meine Mutter" die ehemalige Musikjournalistin Mirjam Unger, und auch das Drehbuchduo Franziska Pflaum und Samuel Deisenberger kennt sich in der Szene aus. Zudem sorgen Original-Drehorte wie der legendäre Wiener Musikclub Flex, aus dem in "Meine Mutter" Ted Candys Auftrittsbühne wird, für Authentizität.
Die Fachkenntnis und Sorgfalt bei der Inszenierung gehen so weit, dass nicht einmal eine Traumszene (!), in der die
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Die Liebe zum Thema und das Sendungsbewusstsein führen zu einem größeren Problem: Die Figuren in "Meine Mutter" dürfen nicht einfach nur Opfer, Täter und Verdächtige in einem Mordfall sein, sie müssen vor allem als personifizierte Aspekte des Musikgenres herhalten. Drogenmissbrauch, unterdrückte Homosexualität, das Frauenbild, Rap als Ventil der Unterdrücker und als Sprachrohr der Unterdrückten – alles drin.
Was fehlt, ist das Tempo, der Rhythmus, eine Portion Aggressivität, die man von einem Drama in der Hip-Hop-Szene doch erwarten würde. Von Müttern, Drogen und enttäuschter Liebe, von Neid und Streit und Gier erzählen schließlich auch Countrysongs. Rap aber klingt anders.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass bald der letzte saarländische "Tatort" mit Dagmar Manzel zu sehen ist. Richtig ist, dass es sich dabei um den "Tatort" aus Franken handelt.
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