Keine Ruhepause für Regisseur Ilker Çatak: In den letzten Wochen jettete der Berliner Regisseur quer durch Nordamerika - vom Filmfest in Telluride nach New York, vom kanadischen Toronto nach Hollywood, zurück an die Ostküste und nach San Francisco zum Filmfest von Mill Valley.
Çatak zählt im Interview der Deutschen Presse-Agentur noch weitere Stopps auf. Das sei alles recht anstrengend, räumt der 39-Jährige ein. Aber das ist Teil des Warmlaufens für die Oscar-Saison.
Sein Film "Das Lehrerzimmer" geht für Deutschland ins Rennen um den Auslands-Oscar. German Films, die Auslandsvertretung des deutschen Films, hatte das Schuldrama Ende August ausgewählt. Nun rührt Çatak auf Festivals und Screenings in den USA die Werbetrommel - "so gut wie ich es kann". Er nehme diese Verantwortung ernst, meint der Regisseur. "Es geht ja nicht nur um meinen Film, sondern auch um etwas Größeres. Wir vertreten ja Deutschland hier mit dem Film". Das sei ein Privileg.
"Das Lehrerzimmer" erzählt von einem Konflikt an einer Schule, der aus dem Ruder läuft. Im Zentrum steht eine Lehrerin (
Historische Stoffe aus Deutschland
Der Film mit dem englischen Titel "The Teachers Lounge" soll am 7. November auch das Berlin & Beyond-Filmfest in San Francisco eröffnen. Für Festival-Leiter Sophoan Sorn ist es ein "packender, sehr persönlicher und einzigartiger" Film mit einer aktuellen Thematik. In der Vergangenheit habe Deutschland bei der Oscar-Auswahl meist auf historische Stoffe gesetzt, sagt Sorn.
Mit Sony Pictures Classic hat Çataks Film bereits einen großen US-Verleih gefunden. Hollywoods Filmkritiker schwärmen von dem Film. "Es ist toll zu sehen, wie das Publikum diesen Film feiert", bilanziert Çatak seine bisherigen Erfahrungen in den USA. Vor dem Hintergrund amerikanischer Schusswaffengewalt seien die Reaktionen aber anders als in Deutschland. Wenn am Ende des Films der Schulkonflikt eskaliert, sei die Anspannung beim US-Publikum noch stärker.
"Das Lehrerzimmer" folgt auf den großen Triumph des deutschen Antikriegsdramas "Im Westen nichts Neues", das im vergangenen März neben dem Auslands-Oscar sogar noch drei weitere Oscars abräumte. Çatak sieht das gelassen.
"Ich finde es toll, dass wir aus Deutschland so unterschiedliche Filme ins Rennen schicken. Und ich bin sehr gespannt, wie der Film bei den Academy-Leuten ankommen wird". Er sähe dem Oscar-Wettbewerb "mit einem Augenzwinkern" entgegen. "Es gibt nichts Blöderes, als sich in eine Erwartung hoch zu manövrieren und dann enttäuscht zu werden." Der Film habe schon so viel geschafft. "Alles, was jetzt noch kommt, ist Sugar on Top", grinst Çatak.
Ein Film über Fremdheit, Misstrauen und Vorurteile
Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises im Mai holte "Das Lehrerzimmer" gleich fünf Lolas, darunter als bester Spielfilm, für Çataks Regie und für sein gemeinsames Drehbuch mit Johannes Duncker, mit dem er als Jugendlicher in Istanbul zur Schule gegangen war. Für den in Berlin und in der Türkei aufgewachsenen Regisseur ist es ein sehr persönlicher Film, der auch von Fremdheit, Misstrauen und Vorurteilen handelt.
Die Anerkennung seines Drehbuchs sei für ihn ein "Highlight" gewesen. Das Schreiben sei oft "quälend", aber es sei "das Wichtigste und auch das Schwierigste am Filmemachen", meint Çatak. "Und wenn du ein gutes Drehbuch hast und eine gute Schauspielerin, wie die Leonie (Benesch), dann musst du als Regisseur auch nicht mehr viel machen". Dann müsse man am Set nur noch dafür sorgen, dass sich alle wohlfühlen. "Dann ist es der schönste Beruf der Welt", strahlt Çatak.
Der 39-Jährige hat schon das nächste Projekt geplant. "Gelbe Briefe" dreht sich um ein Künstlerehepaar in der Türkei, die beide plötzlich ihre Arbeit verlieren und mit ihrer Tochter nach Deutschland ins Exil gehen. Gedreht wird im kommenden Jahr.
Bis dahin könnte es für Çatak mit "Das Lehrerzimmer" noch viel Werbearbeit geben. Mitte Dezember gibt die Oscar-Akademie eine Shortlist mit 15 internationalen Bewerbern bekannt. Fünf davon kommen im Januar in die Endrunde. Die 96. Oscar-Preisverleihung geht dann am 10. März in Los Angeles über die Bühne. (dpa/dh)
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