Während sich Basketball-Superstar LeBron James öffentlich gegen Donald Trump positioniert, hört man von deutschen Sportlern nur selten politische Äußerungen. Woran liegt das? Dürfen Athleten politisch Stellung beziehen? Und lassen sich Sport und Politik überhaupt trennen?

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"Ich habe nichts gegen das Wort Europa. Ich bin ja nicht die AfD." Das antwortete der frühere Werder-Trainer Alexander Nouri auf die Frage, ob seine Mannschaft Chancen auf den Europacup hat. Prompt wurden seine Sätze für den Fußballer-Spruch des Jahres 2017 nominiert.

Auch Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt, machte zuletzt Furore mit seiner Aussage, dass es sich nicht mit der Satzung des Vereins vertrage, die AfD zu wählen. Der Club will es AfD-Mitgliedern verbieten, dem Verein beizutreten.

Solche politischen Stellungnahmen sind im deutschen Sport selten. Wenn überhaupt sind es einzelne Trainer wie Christian Streich oder Funktionäre wie DFB-Präsident Reinhard Grindel, die ihre Meinung öffentlich äußern.

Von aktiven Athleten lassen sich dagegen kaum konkrete Positionen oder Bekenntnisse zu politischen Parteien hören. Und wenn, schlägt das schnell hohe Wellen: Ein Tweet für Angela Merkel von DFB-Nationalspieler Toni Kroos vor der Bundestagswahl machte gleich Schlagzeilen.

"Killerphrasen" sollen Sportler mundtot machen

Anders in den USA: Der Basketball-Megastar LeBron James legte sich zuletzt offen mit US-Präsident Donald Trump an. Dafür erntete er nicht nur Beifall, sondern auch Kritik. Die TV-Moderatorin Laura Ingraham des Senders Fox forderte den NBA-Spieler auf, sich auf seinen Sport zu konzentrieren: "Halt die Klappe und dribbel."

"Das ist eine typische Strategie, um Sportler zum Schweigen zu bringen", sagt Sportsoziologe Ansgar Thiel von der Universität Tübingen. Solche "Killerphrasen" seien jedoch genauso politisch wie die politischen Äußerungen der Sportler selbst. "Auch Sportler haben das verfassungsmäßige Recht, sich zu äußern", betont Thiel. Denn sie seien nicht nur Sportler, sondern auch Teil der Gesellschaft.

Auch Football-Spieler lösten in den USA eine heftige Debatte aus. Während der Nationalhymne knieten viele NFL-Profis, um gegen Polizeigewalt gegen dunkelhäutige US-Amerikaner zu protestieren. Präsident Trump reagierte mit wüsten Beschimpfungen und nannte die protestierenden Sportler "Hurensöhne".

Den NFL-Spielern wurde es zum Vorwurf gemacht, ihre politische Meinung auf dem Football-Feld zu zeigen; zudem sei ihr Protest unpatriotisch. Sportwissenschaftler Thiel lässt dies nicht gelten: Colin Kaepernick habe explizit eine Form des Protests gewählt, die nicht gegen den amerikanischen Staat gerichtet sei, sondern gegen die Ungleichbehandlung von dunkelhäutigen US-Amerikanern.

Thiel glaubt nicht, dass die politischen Debatten im US-Sport nur an der Reizfigur Donald Trump liegen. Colin Kaepernick habe mit seinem Protest 2016 angefangen, im Kontext der "Black lives matter"-Bewegung. Viele dunkelhäutige NFL-Profis haben selbst Diskriminierung erlebt.

Politischer Protest im Sport beruht daher auch auf kulturellen Unterschieden: "In Deutschland ist die Kultur der politischen Äußerung im Spitzensport nicht verbreitet", sagt der Sportwissenschaftler.

Sport und Politik lassen sich kaum trennen

Doch Sport und Politik sind enger miteinander verbunden als viele denken, das zeigt nicht nur das aktuelle Beispiel der Olympischen Winterspiele in Südkorea: Für die Spiele haben die beiden verfeindeten Koreas ein Zeichen gesetzt und sind bei der Eröffnungsfeier unter gemeinsamer Flagge eingelaufen. Athleten aus Russland hingegen durften wegen des russischen Staatsdopings von Sotschi 2014 ihre Flagge nicht tragen.

Schon bei den Olympischen Spielen der Antike spielte die Politik eine Rolle: Für die Dauer der Wettkämpfe war ein Waffenstillstand vereinbart. Auch in der Neuzeit wird der Sport häufig von der Politik instrumentalisiert: So nutzte Adolf Hitler die Olympischen Spiele 1936 zur Propaganda für das "Dritte Reich". Während des Kalten Krieges waren die olympischen Wettkämpfe oft auch Wettkämpfe der Systeme, denen mit Doping kräftig nachgeholfen wurde.

Höhepunkt dieser Auseinandersetzung bildete der Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau. Als Reaktion auf den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan traten mehrere Mannschaften - darunter die der USA und der Bundesrepublik - nicht bei den Spielen an. Doch nicht alle Sportler unterstützten die Entscheidung: Sie beklagten ihre verpassten Medaillenchancen. Selten war der Sport so stark von politischen Ereignissen betroffen wie beim Boykott von Moskau.

"Sport besteht zwar zunächst aus einem Leistungsvergleich, der nicht direkt politisch ist", sagt Sportsoziologe Thiel. Aber die Rahmenbedingungen für den Sport können kaum unpolitisch sein. Das fange bei der staatlichen Sportförderung an, die darüber entscheidet, welche Sportart wie viel Geld erhält.

Auch die Vergabe von Turnieren in Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden, setze ein politisches Zeichen. "Im Gesamterscheinungsbild ist Sport immer politisch geprägt", sagt Thiel.

Politische Äußerungen könnten den Marktwert eines Sportlers negativ beeinflussen

Wirtschaftliche Überlegungen sind allerdings auch ein Grund, warum sich viele Sportler zurückhaltend zu politischen Themen äußern. Viele prominente Athleten haben Fans aus allen politischen Lagern und auf der ganzen Welt.

Die Sportler wollen ihre Fans nicht mit politischen Positionen verärgern - gerade in Zeiten, in denen die Zahl der Fans auf Facebook oder der Follower auf Instagram ihren Marktwert stark beeinflusst. Als Werbeträger ist es oft lukrativer, politisch neutral zu sein.

Unternehmen wären zwar sehr vorsichtig, meint Sportsoziologe Thiel. Sie würden nicht einfach eine Zusammenarbeit mit einem Sportler kündigen, der gegen Diskriminierung kämpft. Trotzdem: Quarterback Colin Kaepernick hat derzeit keinen Vertrag, auch wenn es nicht eindeutig belegt ist, dass dies an seinen politischen Stellungnahmen liegt.

Manche Vereine weisen ihre Spieler an, sich politisch zurückzuhalten. Das gilt insbesondere für politisch höchst umstrittene Themen und bei Klubs, die große Unternehmen in ihrem Rücken haben, etwa VW bei Wolfsburg oder Bayer bei Leverkusen.

Als der türkische Nationalspieler Hakan Calhanoglu sich in den sozialen Medien als Erdogan-Unterstützer zeigte, wurde er von seinem damaligen Verein Bayer Leverkusen zurückgepfiffen.

Auch die großen Sportverbände wie der Fußballweltverband Fifa oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) wollen Turniere, Spiele und Wettkämpfe möglichst unpolitisch halten.

Politische Botschaften, beispielsweise an der Kleidung, sind verboten – Hakenkreuze genauso wie Regenbogenfarben. Ausnahmen sind Projekte gegen Rassismus oder für Fairplay, die auch die großen Verbände unterstützen.

DFB-Teammanager Oliver Bierhoff begrüßt dagegen politische Meinungsäußerungen deutscher Nationalspieler zur WM in Russland. "Einen Maulkorb werden wir nicht verhängen. Ich bin dankbar für Nationalspieler, die eine eigene Meinung haben und sie auch äußern", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".

"Die Entscheidung für eine politische Stellungnahme liegt beim Sportler, aber es darf auf keinen Fall die Möglichkeit dazu unterbunden werden", stellt auch Thiel klar. Alles andere sei undemokratisch. Solange sich Sportler im Rahmen der Verfassung bewegen, haben sie das Recht auf freie Meinungsäußerung. "Das können ihnen auch ihre Vereine nicht verbieten." Im Gegenteil: "Gerade indem sie es verbieten, agieren sie politisch", so Thiel.

Sandro Wagner: Nach der Sportler-Karriere kommt die Politik

Es gibt sogar einzelne Sportler, die nach dem Ende ihrer Athletenkarriere ganz in die Politik wechseln. Der frühere Boxer Vitali Klitschko wurde 2014 zum Bürgermeister von Kiew gewählt, Ex-Weltfußballer George Weah ist seit kurzem Präsident von Liberia, der Skispringer Jakub Janda sitzt nun als Abgeordneter im tschechischen Parlament.

Eine Zukunft, die sich auch Bayern-Torjäger Sandro Wagner vorstellen kann. Politik sei sein Hobby, verriet der Fußballer 2016 in einem "Bild"-Interview: "Ich kann mir sogar vorstellen, später mal in Bayern Politik zu machen, in einer kleineren Funktion. Ich bin Bayer, da ist die CSU groß. Leider haben die in Deutschland nicht allzu viel zu melden."

Prof. Dr. Ansgar Thiel ist Direktor des Instituts für Sportwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen und leitet den Arbeitsbereich "Sozial- und Gesundheitswissenschaften des Sports". Zu seinen Schwerpunkten gehören u.a. Konflikte im Sport, Integration von Migranten/innen im Sport und organisationaler Wandel im Sport. Thiel hat in Tübingen Sportwissenschaften, Psychologie und Psychogerontologie studiert und in Bielefeld promoviert.
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