Nach dem Ski-Winter ist vor Olympia: In der abgelaufenen Saison haben deutsche Athletinnen und Athleten ihre Ansprüche zum Teil spektakulär untermauert und sich als Goldanwärter oder Geheimfavoriten in Stellung gebracht. Es gibt aber auch Sorgenkinder.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Spektakulärer hätte das Wintersport-Finale in dieser Saison kaum enden können. Mit dem Skifliegen von Planica und dem neuen FIS-Weltrekord des Slowenen Domen Prevc auf unglaubliche 254,5 Meter verabschiedeten sich die Wintersportler erst in ihre kurze Frühjahrspause, bevor dann im Sommer die Vorbereitungen für die neue Saison beginnen mit dem Höhepunkt bei den Olympischen Spielen in Mailand und Cortina d’Ampezzo.

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In rund zehn Monaten geht die Jagd auf Medaillen los und etliche deutsche Athletinnen und Athleten dürften dann auf den Schanzen, Bahnen, Pisten und Loipen in den Dolomiten zum engsten Kreis der Favoriten gehören - oder sich bis dahin in den Vordergrund spielen.

Domen Prevc

Mehr als einen Viertelkilometer weit: Prevc stellt Weltrekord auf

Skisprungstar Domen Prevc knackt beim Weltcup-Finale in Planica den Weltrekord des Österreichers Stefan Kraft. Auch Andreas Wellinger feiert einen gelungenen Saisonabschluss in Slowenien.

Emma Aicher rast in den Fokus

Nathalie Armbruster wäre so eine Kandidatin. Als erste Deutsche überhaupt hat sich die erst 19-Jährige den Gesamtweltcup in der Nordischen Kombination gesichert - und das trotz Doppelbelastung bei der angehenden Abiturientin.

Armbrusters "Pendant" bei den Alpinen ist Emma Aicher. Dass die 21-Jährige früher oder später aufs Podium fahren würde, war klar. Im Februar schaffte Aicher dann nicht nur dieses eine große Etappenziel, sondern binnen weniger Tage sogar den Durchbruch zu einer Siegfahrerin. Einem zweiten Platz bei der Abfahrt in Kviefjell folgte keine 24 Stunden später ihr erster Weltcupsieg in der Abfahrt. Und wiederum nur zwei Wochen später der erste Triumph im Super-G.

Aicher hat sich damit spät in der abgelaufenen Saison zu einer großen Hoffnung für die kommende Saison und die Olympischen Spiele aufgeschwungen und ihre rasante Entwicklung nun auch für die Konkurrenz deutlich vernehmbar dokumentiert. In den Speed-Disziplinen könnte der DSV neben Kira Weidle nun eine zweite Podiumskandidatin haben.

Massive Probleme in den Speed-Disziplinen der Männer

In den technischen Disziplinen lief es sowohl für Lena Dürr als auch für Linus Straßer bei den Männern dagegen eher durchwachsen. Straßer fand nie so richtig in die Saison, hatte immer wieder mit kleineren Problemen zu kämpfen und keinen Rhythmus. Aber: Bei der WM in Saalbach war der Münchener dann auf den Punkt doch da, wendete mit seinem dritten Platz und dem Gewinn der Bronzemedaille ein Debakel für den DSV gerade noch so ab.

Zum ersten Mal seit 18 Jahren drohte der Verband ohne eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft auszugehen, im letzten Rennen des Turniers fuhr Strasser dann aber doch noch aufs Podest. Licht und Schatten wechselten sich bei den Alpinen ab, in den Speed-Disziplinen der Männer fährt Deutschland nicht nur den Dominatoren aus der Schweiz meilenweit hinterher.

Aicher, Dürr, Strasser und vielleicht auch Weidle sind zwar wenige, dafür aber umso heißere Eisen für den DSV bei Olympia.

Deutschlands Adler bleiben dran

Deutlich besser sieht es bei den Skispringern des Verbands aus. Wenn im nächsten Winter auf der Dal-Ben-Skisprungschanze in Val die Fiemme die Wettbewerbe über die Bühne gehen, hat Deutschland in jedem Wettbewerb - sowohl in den Einzeln als auch bei den Team-Wettbewerben - Siegspringerinnen und Springer im Kader, die um die Medaillen mitspringen können.

Markus Eisenbichler wird dann nicht mehr dazu gehören, der Routinier hat vor wenigen Tagen seinen Abschied von der Tour gefeiert. Aber in Pius Paschke, Andreas Wellinger, Karl Geiger oder auch Philipp Raimund ist der Kader der Männer weiter gut genug aufgestellt für Podiumsplätze oder sogar den Sieg.

Wellinger setzte in einer komplizierten Saison mit Höhen und Tiefen bei der WM mit Silber von der Normalschanze ein Ausrufezeichen, sieht sich aber wie seine Teamkollegen auch einer scheinbaren Übermacht aus Österreich gegenüber. Die ÖSV-Adler dominierten den Gesamt-Weltcup und dürften auch bei Olympia das Maß der Dinge sein.

Bei den Frauen könnte Deutschland allerdings mit gleich zwei (Gold-)Medaillen-Anwärterinnen ins Rennen gehen: Neben Katharina Schmid hat sich in diesem Winter auch Selina Freitag ins Rampenlicht gesprungen. Die erst 23-Jährige wurde nicht nur Zweite im Gesamt-Weltcup, sondern schaffte es mittlerweile schon 13 Mal aufs Treppchen, dazu gab es bei der WM in Trondheim zweimal Silber und einmal Bronze.

Freitag ist wie Aicher, Armbruster und die Biathlon-Entdeckung Selina Grotian erst in diesem Jahrtausend geboren und eine Hoffnungsträgerin nicht nur für Olympia 2026, sondern auch darüber hinaus.

Ein letztes großes Ziel für Franziska Preuß

Für Franziska Preuß dagegen dürften die Spiele in Italien ihre letzten werden. Die mittlerweile 31-Jährige nimmt dann ein letztes großes Ziel in Angriff: Eine Einzel-Medaille bei Olympischen Spielen. Wie unglaublich stark Preuß ist, die in ihrer imposanten Karriere immer wieder mit gesundheitlichen Problemen und Rückschlägen zu kämpfen hatte, zeigte nicht zuletzt der dramatisch errungene Sieg im Gesamt-Weltcup in dieser Saison.

Preuß ist definitiv eine Siegläuferin, der ihr bisher größter Triumph noch einmal zusätzlich Motivation und Auftrieb gegeben haben dürfte - und die Anführerin einer starken Damen-Mannschaft, in der sich neben der erfahrenen Preuß auch Selina Grotian in den Fokus gearbeitet hat.

Gelingt den Biathlon-Männern ein Comeback?

Die erst 20-Jährige und auch die ein Jahr jüngere Julia Tannheimer sind die Zukunft des deutschen Frauen-Biathlon und bei ihren ersten Olympischen Spielen vielleicht keine Gold-Anwärterinnen - aber zumindest doch im Dunstkreis möglicher Medaillenkandidatinnen zu sehen.

Während es bei den Frauen nicht nur dank Preuß jede Menge Grund zum Feiern gab, legten die deutschen Männer eine Saison fast zum Vergessen hin. Bei der WM gab es im Team-Wettbewerb zwar eine versöhnliche Bronzemedaille, in den Weltcup-Rennen aber hatten die deutschen Ski-Jäger kaum etwas zu melden.

Wenig überraschend war keiner unter den Top Ten der Welt zu finden, Philipp Nawrath als Vierzehnter im Gesamt-Weltcup noch der beste deutsche Athlet. Die Zeit der deutschen Siegläufer scheint vorbei, die Konkurrenz auch Norwegen, Frankreich und Italien scheinbar übermächtig. Auch wenn die Bö-Brüder Tarjei und Johannes Thingnes nun abtreten und bei Olympia nicht mehr starten.

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