Die Olympischen Spiele in Paris haben viele Menschen begeistert. Was hat die Spiele so besonders gemacht? Was haben die Franzosen besonders gut hinbekommen? Und was wird von Olympia 2024 bleiben?
Wenn schon die Pariser selbst ihre Stadt nicht wiedererkennen, muss eine Menge passiert sein. Die als notorische Nörgler gefürchteten Menschen aus der französischen Hauptstadt haben in den vergangenen beiden Wochen gelächelt, waren fröhlich, wurden förmlich umgarnt von einem Paris, das sich rund um die Olympischen Spiele von seiner besten Seite zeigte.
Die Stimmung war phänomenal, die Stadt sauber, sicherer als sonst und die Metro auch noch pünktlich. "Magisch" hört und liest man deshalb immer wieder im Nachgang zu den Olympischen Spielen. Doch wie magisch waren diese Spiele tatsächlich?
"Ich weiß nicht, ob ich von Magie sprechen würde", sagte Kirstin Hallmann vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Sporthochschule Köln im Gespräch mit unserer Redaktion. "Es war aber sehr schön zu sehen, dass sehr, sehr viele Emotionen auf allen Seiten im Spiel waren. Möglicherweise nehmen viele Menschen das Wort Magie in den Mund, weil die vorherigen Spiele in Tokio unter Covid-19-Bedingungen stattfanden. Vermutlich wurde der Schritt in die Normalität deshalb so gefeiert."
Olympische Spiele in der Stadt
Potenziert wurde das zweifelsohne durch verschiedene weitere Punkte. Neben der Stimmung war es das sportliche Niveau der Wettbewerbe, kombiniert mit dem Sportsgeist der Athletinnen und Athleten, was die Menschen in ihren Bann zog. Getragen wurden die Spiele außerdem von einer funktionierenden Organisation und der Freundlichkeit der Helferinnen und Helfer – nicht zu vergessen die Polizei- und Militärkräfte, die für die Sicherheit der Pariser und der Touristen gesorgt haben.
Was Paris definitiv geschafft hat? "Die Spiele in die Stadt zu bringen", erklärt Hallmann. "Wir konnten sehen, dass das vom Publikum extrem gut angenommen wurde." Durch diese Kombination wurden Sport und Kultur auf eine besondere Art und Weise miteinander verbunden. Dank einer Weltstadt als großer Bühne – und in gewisser Weise auch als Star der Spiele.
So fand Beachvolleyball unter dem Eiffelturm statt, junge Sportarten wie Breaking oder Skateboarding am Place de la Concorde zwischen Louvre und Champs Elysee, dazu Fechten und Taekwondo im Grand Palais, Radrennen am Montmartre und Reiten im Schlosspark von Versailles. Die Locations sorgten für ein spezielles Flair. Sie ließen die Spiele historisch, zugleich aber auch modern und zeitgemäß wirken, zudem waren sie durch temporäre Sportanlagen auch deutlich nachhaltiger.
Bei den Schwimmwettbewerben in der verschmutzten Seine bewiesen die Organisatoren allerdings eine fast schon gefährliche Sturheit. Trotzdem: "Es wurde mit der französischen Kultur gespielt. Und das ist einzigartig, ein Alleinstellungsmerkmal. Und viele ganz kleine Geschichten haben das Narrativ 'Paris und die Spiele' immer wieder verstärkt", sagt Hallmann.
Besondere Kultur-Elemente für das Narrativ
So auch durch die Glocke, die die Leichtathleten im Stade de France läuten durften. Sie stammt aus den Renovierungsarbeiten für die 2019 abgebrannte Kirche Notre-Dame und erhält nach den Spielen in einem der Glockentürme des wiederaufgebauten Wahrzeichens einen Platz.
Weiterhin wurde vor jedem Event mit einem Holzstab dreimal auf den Boden geschlagen – eine Tradition aus dem französischen Theater. "Das sind besondere Elemente, die ganz bewusst gewählt worden sind, um der breiten Öffentlichkeit die Kultur Frankreichs und die Kultur von Paris näherzubringen", betont Hallmann.
Durch die Mischung aus Sport, Kultur und Gemeinschaft wurde der Geist der Spiele neu belebt. "Die Welt nimmt die Spiele dadurch als authentisch wahr", so die Expertin. Weiterhin wurde unterstrichen, dass der Sport immer noch die Kraft hat, für ein friedliches Miteinander zu sorgen und zu verbinden. "Das kann der Sport auf jeden Fall, das wurde definitiv demonstriert", erklärt Hallmann". Das läge allerdings auch daran, "dass die Franzosen eine tolle Gastgeberrolle gespielt haben".
Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch auch eine starke Kommerzialisierung des Events, was sich in mitunter sehr hohen Eintrittspreisen bemerkbar macht. Ein nicht unerheblicher Teil der Menschen kann sich dadurch den Zugang zu den Wettbewerben schlicht nicht mehr leisten – das ist weder besonders inklusiv, noch wird die stets angesprochene Jugend der Welt damit bedacht. "Auf der anderen Seite könnte man die Kommerzialisierung nutzen, um Möglichkeiten zu schaffen und das Geld zudem wieder in den Sport zurück investieren", so Hallmann.
Zahlen unterstreichen den Erfolg
Die Zahlen unterstreichen letztendlich den Erfolg der Spiele. So wurden über 9,5 Millionen Tickets verkauft. Bei den Straßenrad-Wettbewerben fieberten fast eine Million Menschen an der Strecke mit, zum Beachvolleyball-Stadion strömten 450.000 Zuschauer. Und die Tourismus-Branche freut sich über einen Anstieg der Auslastung in Paris um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
"Seit 14 Tagen weine ich vor Glück. Die Menschen kommen begeistert auf mich zu, jeden Tag aufs Neue", sagte Bürgermeisterin Anne Hidalgo bei ihrer Bilanzpressekonferenz. "Wir können hier eine schöne Dosis Glück tanken für die kalten Winter. Das alles wird uns noch lange das Herz erwärmen."
Wie lange genau, das ist nach so einem Großereignis immer die oft gestellte Frage. Wie weit und nachhaltig dieser Effekt in die Gesellschaft hineinreicht, ist ebenfalls offen. Kühne Optimisten träumen nach diesen Spielen von einer besseren Welt, weil sie sehen, was zumindest für diese beiden Wochen möglich war. Nüchterne Realisten bezweifeln, dass dieses Event ein Friedensstifter sein kann. Sie gehen davon aus, dass es eine Atempause bleibt. "Für den Moment haben viele Menschen diese 'bessere Welt' möglicherweise so empfunden", so Hallmann. "Aber seit Montag hat der Alltag eingesetzt, und was bleibt, ist die Erinnerung. Und die kann einem durch verschiedene Situationen im Alltag helfen. Doch ob das alles einen langanhaltenden Effekt hat und sich auf die Weltpolitik auswirkt, das vermag ich nicht zu beurteilen", sagt Hallmann.
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Studien haben allerdings gezeigt, dass die Bevölkerung definitiv wahrnimmt, dass Großereignisse ein positives Image des Landes nach außen kommunizieren. Bei den Spielen von Tokio 2021 ergaben die Erhebungen, dass dieses Gefühl auch ein Jahr nach den Spielen noch vorhanden war. Auch die Medaillenerfolge sorgen für einen gewissen Stolz, eine Begeisterung und eine positive Wahrnehmung für das jeweilige Land.
In Deutschland sorgt der historisch schlechte Platz zehn im Medaillenspiegel nicht für Jubelstürme – aber im Idealfall dafür, dass sich in der Sportförderung, im Breiten- und Spitzensport Dinge so nachhaltig verändern, dass die früheren Erfolge bald wieder möglich sein können.
Bis zu den nächsten Spielen in Los Angeles dauert es nun vier Jahre. Eine lange Zeit. Die gute Nachricht: "In den USA ist man ebenfalls sportbegeistert, sodass eine ähnliche Euphorie entfacht werden kann", erklärt Hallmann. Ihr Rat: "Den Sport wieder in die Stadt bringen, das könnte sogar noch ausgebaut werden. Dazu eine offene und transparente Kommunikation der Ausrichter in der Planungsphase. Damit man sich der breiten Unterstützung in der Bevölkerung sicher sein kann." Paris hat bereits eindrucksvoll bewiesen, dass dieses Konzept aufgeht.
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Kirstin Hallmann lehrt am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement, Abteilung Sportmanagement an der Sporthochschule Köln.
Verwendete Quelle
- Bilanzpressekonferenz mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo
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