Sebastian Vollmer hat mit den New England Patriots zweimal den Super Bowl gewonnen. Für die NFL ist er Botschafter in Deutschland und er arbeitet als TV-Experte. Im Interview erklärt er, was Deutschland so attraktiv macht für die NFL und wie man Menschen erreichen möchte, die bisher nichts mit American Football zu tun hatte.
Am Sonntag haben die Kansas City Chiefs im zweiten Deutschland-Spiel der NFL in Frankfurt gegen die Miami Dolphins gewonnen. Sie waren vor Ort. Wie haben Sie die Stimmung empfunden?
Sebastian Vollmer: Ich fand die Stimmung hervorragend, die ganze Woche über. Die Fans sind aus der ganzen Welt zahlreich angereist. Ich bin aus Atlanta nach Frankfurt gereist und die Hälfte der Menschen im Flieger waren Amerikaner. Die Aktivitäten und die Erlebnisse, die die Stadt Frankfurt anbietet, sind mega. Auch den Spielern, mit denen ich gesprochen habe, hat die Stimmung sehr gut gefallen.
Es war schon das zweite Spiel in Deutschland, vergangenes Jahr in München wurde vor allem gefeiert, dass ein NFL-Spiel hier stattfindet. Wie war es diesmal - stand das Spiel mehr im Vordergrund?
Das erste Mal ist immer besonders. Aber es geht nicht darum, das Erlebnis von letztem Jahr zu toppen, krasser oder größer zu sein. Ich glaube, dass wir uns als Football-Deutschland glücklich schätzen können, dass wir zwei Spiele in Frankfurt haben. Die Fans kommen auf ihre Kosten und die NFL wird für dieses Wochenende, wenn die New England Patriots spielen, die eine sehr große Fangemeinde in Deutschland haben, nochmal richtig groß auffahren.
Deutschland ist der zweitgrößte Markt außerhalb der USA
NFL-Boss Roger Goodell hat angekündigt, dass es über 2025 hinaus NFL-Spiele in Deutschland geben soll. Welche Bedeutung hat der deutsche Markt denn auf lange Sicht für die NFL?
Er ist einer der wichtigsten Märkte der NFL, der zweitgrößte und der am schnellsten wachsende Markt außerhalb der USA. Ohne Frage bleiben wir hier. Es geht nur darum, wo, wie und wann. Das wird sich entscheiden, wenn der Vertrag von Frankfurt und München ausläuft. Aber ich denke, dass die Städte weiter involviert sein werden. Der deutsche Markt ist extrem wichtig, man sieht es an den Wachstumsraten, über den übertragenden Sender RTL, über den Merchandiseverkauf, über die Ticketanfragen. Aber die NFL ist noch nicht da, wo sie sein will und vielleicht mal sein wird.
Wo will die NFL sein?
Wir sind die zweitgrößte TV-Sportart in Deutschland hinter Fußball, den möchte die NFL aber auch nicht attackieren. Der Football soll neben dem Fußball existieren, zumal Fußball in Amerika expandiert - das will die NFL in Deutschland. Ich glaube, man kann da kein Limit setzen und auch keine Zahl nennen. Es gibt immer noch Millionen Deutsche - und auch Europäer generell - die mit dem Sport bisher keine Berührung hatten. Die NFL will versuchen, das zu ändern. Jeder soll sich entscheiden können, ob er diesem Spiel als Spieler, als Flag-Football-Spieler, als Fan beiwohnt oder ob er nur die Halftime-Show oder die Werbung beim Super Bowl schauen möchte.
Das Ziel ist also, neue Zielgruppen zu erschließen, die den Sport anschauen und selber machen?
Richtig. Flag Football ist ein großes Thema und eine Variante des Sportes, bei der einem die Sorgen vor Verletzungen genommen werden. Inzwischen ist Flag Football auch schon in vielen Schulen vertreten. Man muss schauen, dass der Sport nicht nur in einer Nische vertreten ist, sondern, dass für jeden etwas dabei ist.
Sie helfen schon seit Längerem mit, dass sich Flag Football in Deutschland etabliert, vor allem über den Schulsport. Wie erfolgreich ist Flag Football inzwischen?
Dass Flag Football bei den Olympischen Spielen 2028 vertreten sein wird, ist ein Riesenschritt für den Sport. Darüber hinaus haben die deutschen Männer die Europameisterschaft, die Frauen die Bronzemedaille bei der EM gewonnen. Das zeigt beides, wie stark wir in diesem Sport sind. Aber es geht ja nicht nur um Erfolge. Es geht darum, einen Eintrittspunkt für junge Menschen in American Football zu haben. Denn es ist ein physischer Sport wie Eishockey, Boxen, MMA, da haben viele Eltern Bedenken. Im Flag Football braucht man nicht viel, nicht mal einen Rasen, man kann es auch vor der Garage spielen. Viele NFL-Teams gehen an Schulen, geben Geld dafür aus, dass die Kinder den Sport treiben und selbst kein Geld ausgeben müssen. Vielleicht bleiben manche dabei und man sieht sie irgendwann bei Olympia, am College oder in der NFL, wenn sie zum American Football gewechselt sind.
Kommt der Super Bowl nach Europa?
Kommen wir nochmal zum Fernsehzuschauer zurück: Die NFL läuft jetzt bei RTL, es gibt zwei Deutschland-Spiele, die rasend schnell ausverkauft waren. Wann ist der Markt gesättigt?
Ja, so ist es im Fußball und in jedem Sport, irgendwann hat man jeden erreicht. An dem Punkt sind wir noch nicht, aber irgendwann wird er kommen. Das ist schwer zu sagen. Denn: Wie bestimmt man bei einer Gruppe, die den Sport nicht kennt, ob sie ihn mag oder nicht?
Der NFL-Chef hat auch gesagt, dass er sich vorstellen kann, dass der Super Bowl eines Tages außerhalb der USA stattfindet - vielleicht in Europa? Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Ich glaube, zwischen der Vorstellung und der Realität liegt noch eine lange Zeit. Der Super Bowl ist das größte Ein-Tages-Sportereignis der Welt. Ihn vom amerikanischen Boden ins Ausland zu bringen, wäre ein Riesenschritt. Es ist jetzt schon vorstellbar, aber in der Ausführung mit aller Organisation und Logistik wird das noch länger dauern.
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