• Ghana, Kamerun, Marokko, Senegal und Tunesien: Das sind die Teilnehmer aus Afrika bei der 22. Fußballweltmeisterschaft.
  • Obwohl nur noch Marokko im Turnier ist, haben die fünf afrikanischen Teams für jede Menge Furore gesorgt. Und dabei für die ein oder andere Überraschung.

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Seit Dienstagabend, 6. Dezember, hat das umstrittene Fußball-Turnier in der katarischen Wüste eine weitere Sensation. Diese gelang der marokkanischen Nationalmannschaft.

Die Nordafrikaner gewannen ihr Achtelfinalspiel im Elfmeterschießen mit 3:0 gegen den früheren Welt- und Europameister Spanien. Ganz Marokko sowie die große Diaspora in Europa jubelt der marokkanischen Mannschaft zu, der kaum jemand einen Sieg gegen die schier übermächtig wirkenden Spanier zugetraut hat.

Unabhängig vom weiteren Abschneiden des Teams aus Marokko steht schon jetzt fest: Der afrikanische Fußball hat sich deutlich verbessert im Vergleich zur vergangenen Weltmeisterschaft in Russland. Vor vier Jahren konnte sich kein Team aus Afrika für die Runde der letzten 16 qualifizieren.

In diesem Jahr schafften es mit Senegal und Marokko gleich zwei Teams aus Afrika bis ins Achtelfinale. Und noch zwei weitere Mannschaften hatten die Chance aufs Achtelfinale: Ghana und Tunesien.

Die großen europäischen Vereine dürften Gefallen an vielen afrikanischen Spielern gefunden haben. Kurzum: Der afrikanische Fußball hat in Katar wieder auf sich aufmerksam gemacht und für sich geworben. Und somit den viel zitierten Abstand zum europäischen und südamerikanischen Fußball deutlich verringert.

Marokko schreibt gleich zweimal Geschichte

Marokko ist nicht nur die Überraschung aller afrikanischen Teams, sondern die der gesamten WM. Während die "Löwen vom Atlas" – nach der Gebirgskette in Marokko benannt – bei der WM 2018 in Russland noch sang- und klanglos mit nur einem Punkt aus der Gruppe ausschieden, stehen sie nun im Viertelfinale der WM. Bedeutet: Marokko ist unter den besten acht Nationen im Weltfußball.

Bereits in der Gruppenphase schlugen sie völlig unerwartet Belgien mit 1:0 und zogen als Gruppenerster in einer Gruppe mit dem amtierenden Vize-Weltmeister Kroatien und Kanada verdient ins Achtelfinale ein. Damit haben die Nordafrikaner bei diesem Turnier bereits zweimal Geschichte geschrieben. Als erste afrikanische Mannschaft seit Nigeria 1998 haben sie eine WM-Gruppe gewonnen. Und noch viel wichtiger für den marokkanischen Fußball: Zum ersten Mal in seiner Geschichte zieht Marokko in ein Viertelfinale einer WM-Endrunde ein.

Nach 36 Jahren stand Marokko somit zum ersten Mal wieder in einer WM-Endrunde. Bei der WM 1986 in Mexiko stoppte nur Deutschland die Marokkaner. Der spätere Vize-Weltmeister besiegte die Maghrebiner im Achtelfinale mit einem knappen 1:0.

Regragrui: "Wir wollen unser Land stolz machen"

Oftmals belächelt vom eigenen Volk wegen desaströser Leistungen bei Weltmeisterschaften und Afrika-Meisterschaften stand spätestens nach dem Sieg gegen Belgien das gesamte marokkanische Volk hinter seiner Auswahl.

Klafften bis heute Anspruch und Wirklichkeit auseinander, scheint es dieses Mal so, dass die Elf von Trainer Walid Regragrui den richtigen Weg gefunden hat. "Viele haben die Art und Weise kritisiert, wie wir im ersten Spiel aufgetreten sind", sagte Regragrui nach dem ersten Spiel gegen Kroatien. Bei den vergangenen WM-Turnieren seien immer wieder Mannschaften aus Afrika mit spektakulärem Fußball früh ausgeschieden. Das sei nicht sein Ansatz. "Wir wollen unser Land stolz machen – egal auf welche Weise."

Die neue Marschroute des Trainers klappt bis dato sehr gut. Jetzt jubelt Marokko, von Kritik an Team und Trainer ist nichts mehr zu hören. Aber gefühlt auch der gesamte afrikanische Kontinent drückte der einzig verbliebenen afrikanischen Mannschaft die Daumen – und feiert mit. "Es lebe Marokko, Glückwunsch zum Sieg", heißt es in Kommentaren und Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Auch die große marokkanische Diaspora in europäischen Großstädten feierte bereits angesichts des Sensationssiegs gegen Belgien und schließlich auch den Einzug ins Achtelfinale. Hupkonzerte in Paris und jubelnde Fans in Madrid waren dabei ebenso zu beobachten wie gewaltsame junge Männer in Brüssel und Amsterdam. Dort haben vorwiegend junge Marokkaner oder marokkanisch-stämmige junge Männer nach dem Sieg gegen Belgien für Verwüstungen in den Städten gesorgt.

In Tanger, Casablanca oder in der marokkanischen Hauptstadt Rabat wurde hingegen friedlich gefeiert, dies zeigen Videos und Fotos auf sozialen Medien. In der Nacht zu Mittwoch blieb es in Brüssel und Amsterdam und anderswo aber ruhig. In der Dortmunder Nordstadt oder in Bonn etwa feierten Hunderte Marokko-Fans mit Pyrotechnik und mit Auto-Korsos den Sieg. Nach Angaben der Polizei verliefen die Feiern friedlich.

In Katar standen der marokkanischen Elf um Top-Spieler Hakim Ziyech (FC Chelsea), Noussair Mazraoui (FC Bayern München) und Achraf Hakimi (Paris Saint-Germain) die erfolgsverwöhnten Spanier im Achtelfinale gegenüber. Frenetisch angefeuert von vielen Fans, die aus dem gesamten afrikanischen und arabischen Raum stammten, schafften es die wacker kämpfenden Nordafrikaner bis ins Elfmeterschießen.

Allein das war schon ein weiterer Erfolg für Marokko, dem Außenseiter in dieser Partie. Lange Zeit war das Spiel auf Augenhöhe, wobei Spanien in der letzten Minute der Verlängerung die Siegchance hatte. Im Elfmeterschießen wuchs dann der marokkanische Torwart Bono, der in Spanien beim FC Sevilla unter Vertrag steht, über sich hinaus und parierte drei Elfmeter. Zugegeben: Die Elfmeter der Iberer waren allesamt schwach geschossen. Jetzt geht es für Marokko gegen Portugal, das sich souverän gegenüber der Schweiz durchsetzte.

Der Senegal zurück auf dem Boden der Realität

Die zweite afrikanische Mannschaft in der K.o.-Phase war Senegal. Die Westafrikaner schieden anders als Marokko aber aus dem WM-Turnier aus. Der amtierende Afrikameister mit seinem charismatischen Trainer Aliou Cissé und ohne ihren verletzten Weltstar Sadio Mané verloren klar mit 3:0 gegen Mitfavorit England. Die "Three Lions" zeigten den "Löwen von Teranga" die Grenzen auf. Die senegalesischen Medien titelten kurz nach dem Spiel am 4. Dezember: "Wieder auf dem Boden der Realität“ oder "Aus der Traum vom Wunder".

In der Halbzeit stand es bereits 2:0 für die Engländer, die zwar die ein oder andere Torchance des Senegals in den ersten 45 Minuten zuließen, aber im Grunde ungefährdet ins Viertelfinale einzogen. Trotz der Enttäuschung in Senegal kann das Team stolz auf sich sein.

Senegals Staatspräsident Macky Sall erklärte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Spieler stolz auf sich seien und sie optimistisch künftigen sportlichen Herausforderungen entgegenschauen könnten. Auch Top-Star Mané dankte, ebenfalls auf Twitter, dem Team für die gezeigten Leistungen und sagte, dass der Achtelfinaleinzug bereits ein Riesenerfolg sei.

Nach 2002 – damals spielte noch der heutige Trainer Cissé, der mit den "Löwen" vor zwanzig Jahren als zweite afrikanische Mannschaft überhaupt bis ins Viertelfinale kam – überstand der Senegal zum insgesamt erst zweiten Mal überhaupt die Gruppenphase einer WM-Endrunde. "Wir sind natürlich ein wenig enttäuscht über die deutliche Niederlage im Achtelfinale. Wir träumten von mehr, das ist doch klar. Wir sind uns aber bewusst, dass viele große Teams es nicht in die Runde der letzten 16 geschafft haben", sagt etwa der Journalist Ndoffène Coumba. Er sagte weiter, dass viele in Senegal nun Marokko unterstützten. Auch sein Herz schlage jetzt in Rot-Grün – den Farben des marokkanischen Nationalteams.

Ghana gegen Uruguay: Ein Wiedersehen mit dem alten Schrecken

Beinahe hätte es ebenso Ghana ins Achtelfinale geschafft. Da sich Geschichte eben doch oft wiederholt, scheiterten die Black Stars erneut an Uruguay. Bereits vor zwölf Jahren standen die Ghanaer bei der ersten WM in Afrika (Südafrika war der Gastgeber der 19. WM) als erstes Team aus Afrika kurz davor, ins Halbfinale einer WM-Endrunde einzuziehen. Uruguays Stürmer Luis Suárez verhinderte aber mit einem Handspiel auf der Torlinie einen glasklaren Treffer. Das war in der letzten Minute der Verlängerung. Den fälligen Elfmeter vergab aber Ghana. Das Elfmeterschießen musste den Halbfinalisten ermitteln. Letztlich schieden die Männer aus Westafrika denkbar knapp im Elfmeterschießen aus. Eine nationale Tragödie, die Ghana bis heute aufwühlt. Auch macht man einzig und allein Luis Suárez für die Niederlage verantwortlich. Der einstige Weltklasse-Stürmer vom FC Barcelona ist seither ein rotes Tuch, und das nicht nur in Ghana.

Das von Otto Addo, ehemaliger Bundesligaspieler und zudem einer der Co-Trainer von Borussia Dortmund, trainierte Team schied in Katar nun wieder gegen die Südamerikaner aus. Wieder verschoss Ghana einen Elfmeter. Der versiebte Elfer in der ersten Spielhälfte drehte das Spiel komplett, denn zuvor waren die Afrikaner tonangebend. Nach dem Elfer waren es die Urus, die letztlich verdient mit 2:0 siegten.

Allenfalls im zweiten Gruppenspiel gegen Südkorea konnten die Black Stars vollends überzeugen. Die Asiaten bezwangen sie mit 2:3. Hätten sie ein Remis gegen Uruguay erspielt, wären sie sicher weitergekommen. Denn den direkten Vergleich hatten die Westafrikaner bereits gegen Südkorea gewonnen. Am Ende wurden die Mannen von Addo Gruppenletzter und schieden aus.

Für eine Überraschung haben auch Kamerun mit Bayern-Spieler Eric Maxim Choupo-Moting und vor allem Tunesien gesorgt. In ihren jeweils letzten Gruppenspielen bezwangen sie die beiden Top-Favoriten und den amtierenden Weltmeister Frankreich. Kamerun siegte 1:0, Tunesien in einem umstrittenen Spiel gegen die einstige Kolonialmacht ebenso.

Beide Siege reichten aber wieder nicht fürs Weiterkommen. Die Zentralafrikaner aus Kamerun spielten zwar gegen Serbien Remis, wurden aber hinter der Schweiz und Brasilien mit vier Punkten nur Dritter. Somit wurde es nichts mit einer Wiederholung des Viertelfinaleinzugs von vor 32 Jahren. Bei der WM 1990 in Italien schafften es die Kameruner als erstes Team aus Afrika ins Viertelfinale. Dort unterlag man dann England.

Tunesien hingegen knöpfte dem Halbfinalisten der vergangenen EM-Endrunde, Dänemark, der Gruppenletzter wurde und auf ganzer Linie enttäuschte, einen Punkt ab. Da die Nordafrikaner aber gegen Australien verloren und die "Aussies" wiederum gegen Dänemark gewannen, war wie 2018 nach der Gruppe Endstation.

Interessiert Sie, wie wir über die WM in Katar berichten? Wir haben unsere Beweggründe in einem Text für Sie zusammengefasst.
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