Für heute steht im Terminkalender der Fifa: "Netherlands – day off." Ein freier Tag – muss auch mal sein. Klar. Spielen wird Oranje erst wieder am Freitag im Viertelfinale gegen Argentinien. Alle müssen sich dafür erholen, auch Louis van Gaal, der Trainer, der Bondscoach, wie man in den Niederlanden den Nationaltrainer nennt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Günter Klein dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Louis van Gaal ist mit seinen 71 Jahren der älteste WM-Teilnehmer. Immer jedoch fand er schon, "dass ich viel jünger aussehe". Er selbst erinnere sich an James Dean, den großen amerikanischen Filmstar der 50er-Jahre. Aber stimmt schon: In seiner derzeit guten Laune sieht van Gaal prächtig aus. Nichts ist ihm anzumerken von der Krebserkrankung, die er vor einigen Monaten öffentlich machte.

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Seit WM-Beginn ist van Gaal in rhetorischer Hochform, seine Auftritte sind pure Unterhaltung

Er ist der Entert(r)ainer, ein neuer Höhepunkt war nach dem 3:1 im Achtelfinale gegen die USA erreicht: Da küsste er in der Pressekonferenz seinen Verteidiger Denzel Dumfries, und als das Team ins Hotel zurückkehrte und vom Personal gefeiert wurde, tanzte der Senior zu den Klängen von "Waka Waka", dem WM-Song von 2010. Er filmte das auch selbst mit dem Smartphone mit.

In Doha war Louis van Gaal schon einmal, vor fast zwölf Jahren, als Trainer mit dem FC Bayern. Erstes Wintertrainingslager in Katar. Van Gaal brach einen fundamentalen Streit vom Zaun. Der Verein plante im Januar 2011 die Verpflichtung des Schalker Torwarts Manuel Neuer, die Fans in München waren dagegen, der Trainer, eh im Clinch liegend mit Präsident Uli Hoeneß, griff die Stimmung der Anhänger auf und erklärte, er werde auf Thomas Kraft setzen für die Zukunft, den jungen eigenen Torwart.

Der war bis dahin die Nummer zwei, nun bekam er von van Gaal ein Upgrade – Jörg Butt, die stille Nummer eins, wurde trotz stabiler Leistung degradiert. Der FC Bayern schäumte und ließ den Coach nur noch ein paar Monate im Amt. Dann wurde er gefeuert. Louis van Gaal ließ sich nicht unterkriegen. Zweimal wurde er niederländischer Nationaltrainer, erreichte bei der WM 2014 Platz drei und glaubt nun: "Wir können Weltmeister werden. Das sagen wir auch. Nicht nur, dass wir es wollen."

Dank Dumfries: Niederlande erster WM-Viertelfinalist

Wieder glanzlos, aber erneut gnadenlos effektiv: Der niederländische Traum vom ersten Stern geht weiter. Die Elftal gewann im WM-Achtelfinale gegen Außenseiter USA mit 3:1. Zum siebten Mal gehört Oranje zu den besten acht Mannschaften der Welt - angetrieben durch Denzel Dumfries, der an allen drei Treffern direkt beteiligt war.

Louis van Gaal ist mittlerweile auch der Liebling der Medien

Das war nicht immer so, denn van Gaal hält Sportreporter für inkompetent und lässt sie das gerne spüren. Er ist der klassische Journalistenfresser. Auf der anderen Seite liefert er brauchbare Inhalte, versteckt sich nicht hinter Phrasen und Nichtaussagen. An seinen guten Tagen kann er wunderbar ins Erzählen kommen, da wird es bisweilen pikant. In seiner Bayern-Zeit berichtete er stolz (und eigentlich ungefragt) aus dem Intimleben mit seiner Frau: "Meine Truus und ich – wir machen immer noch die Liebe." Details gab er auch preis: "Löffelchenstellung."

Truus ist auch in Doha. Sie ist seine zweite Frau, die erste ist verstorben. Truus hat von Louis das Versprechen bekommen, dass nach der Weltmeisterschaft nun aber wirklich Schluss ist mit dem Trainerjob. Es beginnt also die letzte Woche der Trainerfigur van Gaal. Oder die vorletzte. Weltmeister war Oranje noch nie. Mit dem Titel würde van Gaal – zumindest in seiner Wahrnehmung – seinen (nicht mehr lebenden) Intimfeind Johan Cruyff übertrumpfen als Hollands größter Heilsbringer. Man merkt ihm an, wie sehr ihn die Vorstellung antreibt. Und was ein paar Leute in München denken müssten … Louis van Gaal genießt.

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