Robert Lewandowski steht nach seiner schwachen Leistung im Hinspiel gegen Real Madrid ganz besonders im Fokus. Das Rückspiel im Bernabeu wird zu einer brisanten Angelegenheit für den Polen, der in den ganz großen Spielen bisher zu oft unter seinen Möglichkeiten geblieben ist.

Eine Analyse

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Es soll ja Menschen geben, die verdichten eine Saison des FC Bayern München auf sieben Tage. Mit dem Abschneiden in der Champions League entscheidet sich das Wohl und Wehe der Bayern, dann wird die Spielzeit kategorisiert in überragend, sehr gut oder gut, in Triple, Double oder Meistertitel.

Alles andere, also eine Saison ohne jeden Titel, mag man sich angesichts der nationalen Dominanz schon gar nicht mehr vorstellen.

Dreimal in den vergangenen vier Jahren war für die Bayern im Halbfinale der Königsklasse Endstation. Es waren die Jahre mit Pep Guardiola, mit den Hin- und Rückspielen innerhalb einer Woche.

Das Aus mit Carlo Ancelotti tanzt etwas aus der Reihe, mit dem Italiener an der Seitenlinie erwischte es die Bayern "schon" im Viertelfinale. Der Gegner war damals wie heute Real Madrid und wenn die Münchener am Dienstag im Santiago Bernabeu einem 1:2-Rückstand hinterherlaufen, geht es für die Bayern um nicht weniger als das mögliche Ende der Epoche.

Der Zyklus begann in Madrid, der Einzug ins Finale dahoam damals nach Elfmeterschießen gegen Real war so etwas wie der Startschuss in diese Ära, die jetzt an selber Stelle enden könnte.

Das verlorene Finale dahoam trieb die Bayern eine Saison später erst zum Triple, die "goldene Generation" hat sich beim viermaligen Scheitern danach aufgerieben. Einige Spieler sind längst weg, andere stehen vor dem Karriereende, wieder andere liebäugeln mit einer Luftveränderung.

Keine großen Lewy-Momente in großen Bayern-Spielen

Einer, der bisher nur die Jahre des Scheiterns in München erlebt hat, ist Robert Lewandowski. Viele Experten halten den Polen für die beste Nummer neun der Welt, seine Zahlen lesen sich auch entsprechend eindrucksvoll.

Aber auf der Suche einer wirklich großen Leistung in einem wirklich großen Spiel muss man schon einige Jahre überfliegen.

Es war im Champions-League-Halbfinale gegen Real, als Lewandowski das beste Spiel seiner Laufbahn hinlegte. Vier Tore zum 4:1-Sieg - für Borussia Dortmund. Im Trikot der Bayern warten sie auf eine derart fantastische Leistungsexplosion in einem engen Spiel gegen einen Weltklasse-Gegner.

Gegen Barcelona war er in beiden Spielen abgemeldet und traf erst, als Barca in der Addition beider Spiele zwischenzeitlich schon 5:1 führte. Ein Jahr später gegen Atletico entnervten ihn Jose Gimenez und Diego Godin, mehr als ein Kopfballtor war nicht drin und in der Endphase des Rückspiels fehlte Lewandowski immer eine halbe Fußspitze, um die Bayern doch noch ins Finale zu schießen. Vergangene Saison fehlte er im Hinspiel gegen Real wegen einer Verletzung, im Rückspiel verwandelte er einen Elfmeter. Nun ist es nicht so, dass die Statistiken besonders schlecht wären.

Der Spieler eckt oft an

Aber gemessen am Anspruch der Bayern und jenem, den Lewandowski selbst an sich stellt, darf da gerne noch mehr kommen. Zumal die Debatten um den Mittelstürmer nicht erst nach seiner schwachen Leistung im Hinspiel gegen Madrid wieder Fahrt aufnehmen.

Lewandowski hat in der jüngeren Vergangenheit immer mal wieder für Aufsehen gesorgt. Er warf Ex-Trainer Ancelotti falsche Trainingsinhalte vor, die zu einer seiner Verletzungen geführt hätten.

Dann kritisierte er in einem Interview mit dem "Spiegel" die Personalpolitik seines Arbeitgebers in einem auffällig scharfen Ton.

"Bayern muss sich etwas einfallen lassen und kreativ sein, wenn der Verein weiter Weltklassespieler nach München lotsen will. Und wenn man ganz vorn mitspielen will, braucht man die Qualität dieser Spieler", sagte er damals.

"Bis heute hat Bayern München nie mehr als rund 40 Millionen an Ablösesummen für einen Spieler bezahlt. Im internationalen Fußball ist das schon längst eine Summe, die eher Durchschnitt als Spitzenwert ist."

Es folgte der Rüffel der Bosse, Karl-Heinz Rummenigge mahnte Lewandowski zur Räson. "Wer öffentlich den Trainer, den Verein oder die Mitspieler kritisiert, kriegt ab sofort Stress mit mir persönlich."

Da hatte sich der Pole längst auch schon mit seiner eigenen Mannschaft angelegt, die ihn seiner Ansicht nach im Kampf um die Torjägerkanone gegen Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang nicht genügend unterstützt hätte.

Nachfolgende Scharmützel im Training etwa mit Mats Hummels, der Lewandowskis Arbeitseinstellung kritisierte, gingen da fast schon unter - ebenso wie das dauerhafte Kokettieren mit einem Wechsel zu Real Madrid und der Wechsel seines Beraters.

Pini Zahavi greift Lewandowski seit einigen Wochen etwas unter die Arme, Zahavi soll nur bis zum Sommer an der Seite Lewandowskis agieren - bis der womöglich einen neuen Verein gefunden hat.

Lewandowski unter Druck

Es sind ein paar Indizien zusammengekommen, die Lewandowski vor dem Rückspiel in Madrid noch stärker unters Brennglas stellen als ohnehin schon. Im Bernabeu spielt er bei seinem angeblichen Wunschklub vor, die Bayern brauchen Tore und dafür benötigen sie einen Lewandowski in Gala-Form.

Die Referenzgröße spielt auf der anderen Seite des Platzes, Cristiano Ronaldo hat Real nun schon in so vielen Spielen gerettet und dreimal die Champions League gewinnen lassen. Er ist der Unterschiedspieler für Real, der Lewandowski für die Bayern bisher noch nicht sein konnte.

Deshalb ist die Gemengelage so brisant und die 90 - oder vielleicht sogar 120 - Minuten von Madrid die womöglich wichtigsten in der Karriere von Robert Lewandowski.

Mit mittlerweile 30 Jahren wird Lewandowski vielleicht noch einen richtig großen Vertrag unterschreiben, die Chancen auf einen großen internationalen Titel schwinden ebenfalls von Jahr zu Jahr.

Das Hinspiel hat gezeigt, dass Real Madrid eine verwundbare Mannschaft ist. Die Bayern hatten genug Torchancen, Lewandowski eine glasklare davon kurz vor dem Ende.

Momente wie dieser eine unterscheiden sehr gute von Weltklassespielern, gerade auf der Position des Mittelstürmers. Von Ronaldo oder Luis Suarez ist manchmal 90 Minuten einer Partie nicht im Ansatz etwas zu sehen. Aber dann sind Spieler dieser Kategorie da und entscheiden ein Spiel, das bis dato völlig an ihnen vorbeigelaufen ist.

Diese Killer-Qualität hat Lewandowski zu oft vermissen lassen.

Rückendeckung von den Vorgesetzten

Bayerns Verantwortliche machen in dieser angespannten Lage das, was zu erwarten ist: Sie unterstützen den Spieler bedingungslos.

"Für mich ist Robert Lewandowski ein Weltklassespieler. Sie glauben doch bitte schön nicht, dass ich ihn in Madrid weglassen würde. Er hat bis dato 39 Pflichtspieltore erzielt, das ist eine Saisonmarke, davon träumen die meisten Stürmer in Europa", raunzte Trainer Jupp Heynckes auf der Pressekonferenz nach dem Frankfurt-Spiel sichtlich genervt auf die Frage, ob er Lewandowski im Bernabeu vielleicht einen Platz auf der Bank zuweisen würde.

"Es ist eine Frechheit, was hier los ist", zürnte Sportdirektor Hasan Salihamidzic, "die Diskussion um Lewandowski ist lächerlich!", entgegnete Rummenigge vor dem Abflug der Mannschaft nach Madrid. "Auch Gerd Müller hatte mal Phasen, in denen acht, neun Spiele gar nichts lief. Und dann hat er in einem Spiel zwei, drei Tore geschossen. Da wünsche ich Robert auch am Dienstag."

In Bayerns kurzer Saison mit den beiden Champions-League-Halbfinals binnen einer Woche steht jetzt die Entscheidung an. Ein Robert Lewandowski in Topform könnte da durchaus helfen.

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