In Dortmund erzielt die TSG 1899 Hoffenheim das 1:1, doch zuvor wird Erling Haaland eindeutig gefoult, was dem Unparteiischen allerdings entgeht. Dennoch darf der Video-Assistent nicht intervenieren, denn es geht weder um einen Strafstoß noch um eine "Notbremse", und das Tor fällt auch nicht mit dem nächsten Angriff.
Es gibt Spielsituationen, die regeltechnisch weitaus komplexer sind, als es auf den ersten Blick scheint, und deshalb eine genauere Betrachtung verdienen. So wie die Geschehnisse in der Partie zwischen Borussia Dortmund und der TSG 1899 Hoffenheim (2:2) nach einer halben Stunde.
Beim Stand von 1:0 lief
Unterdessen umklammerte Kevin Vogt in der Mitte den mitgelaufenen Dortmunder Stürmer
Bellingham zögerte derweil zu lange mit dem Abschluss, Posch nahm ihm mit fairen Mitteln den Ball ab. Haaland beschwerte sich gestenreich, doch Schiedsrichter Bastian Dankert ließ weiterspielen und signalisierte dem Angreifer: Da war nichts.
Viele rechneten mit einem Eingriff des Video-Assistenten
Für eine halbe Minute gab die TSG den Ball nicht mehr her, und Munas Dabbur traf zum Ausgleich. Viele dürften allerdings sicher gewesen sein, dass sich gleich der Video-Assistent einschalten und dem Unparteiischen ein Review empfehlen würde.
Denn da gab es ja diesen allzu intensiv anmutenden Körpereinsatz von Vogt gegen Haaland. Dass der ungeahndet bleiben würde, schien kaum vorstellbar. Das Tor würde also vermutlich nicht bestehen bleiben.
Auch wenn zwischen diesem Zweikampf und dem Tor etwa 30 Sekunden lagen, so musste es sich doch um ein klares Foul von Vogt gehandelt haben. Der Referee hatte diese Szene sicherlich übersehen oder falsch bewertet.
Und da die Hoffenheimer anschließend durchgehend den Ball hatten, müsste man doch argumentieren, dass am Anfang der Angriffsphase, die im Treffer mündete, ein Vergehen stand. Vielleicht sogar ein feldverweiswürdiges, denn wenn Bellingham den Ball quergelegt hätte, wäre für Haaland ohne das Foul eine sehr gute Torchance entstanden.
Der Schiedsrichter war auf einen anderen Zweikampf fokussiert
Jedenfalls musste der VAR hier doch eingreifen, so viel schien festzustehen. Doch das tat er nicht – und damit handelte er tatsächlich den Anweisungen entsprechend. Das Tor behielt also seine Gültigkeit.
Zwar lag ein Foul von Vogt an Haaland vor: ein eindeutiges Halten, das ursächlich dafür war, dass der Dortmunder zu Boden ging. Das nahm Bastian Dankert aber nicht wahr, weil er auf den Zweikampf zwischen Bellingham und Posch fokussiert war.
Der Schiedsrichter konnte nicht beide Duelle gleichzeitig im Auge haben, und in dem von Bellingham ging es um den Ball und einen möglichen Torschuss. Der Assistent an der Seitenlinie hätte helfen können und sollen, doch auch ihm fehlte anscheinend die Wahrnehmung.
Es passiert schon mal, dass der Referee ein solches Vergehen übersieht. Trotzdem durfte VAR Robert Hartmann hier laut den Regularien nicht intervenieren.
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Kein Strafstoß, keine "Notbremse"
Denn das Vergehen war nicht im Strafraum geschehen, deshalb kam logischerweise kein Elfmeter in Betracht. Es lag auch keine "Notbremse" vor, also keine Verhinderung einer offensichtlichen Torchance, für die es eine Rote Karte hätte geben müssen.
Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn Bellingham den Ball in die Mitte gespielt und sich für Haaland dadurch ohne jeden Zweifel eine erfolgversprechende Abschlussmöglichkeit ergeben hätte, sofern er nicht gefoult worden wäre.
Bellingham entschloss sich aber, selbst den Abschluss zu suchen – und dass wegen Vogts Foulspiel eine gute Alternative dazu wegfiel, macht noch keinen Feldverweis und damit auch keinen Eingriff des VAR erforderlich.
Wäre noch die Sache mit der Angriffsphase zu klären – und hier wird es recht kompliziert. Gemäß den Regularien darf der Video-Assistent bei seinem Check nach einem Tor nur bis zum Beginn jener Angriffsphase zurückgehen, an deren Ende der Treffer fiel.
Das Reglement für den VAR sah keinen Eingriff vor
Es läge wohl nahe, dass dieser Beginn hier in der Balleroberung durch Posch bestand, der Bellingham von der Kugel trennte. Ab diesem Zeitpunkt blieb Hoffenheim ohne Unterbrechung in Ballbesitz.
Zu Vogts Foul war es kurz vor dem Ballgewinn durch die Gäste gekommen – und damit kurz vor dem Beginn dieser Angriffsphase. Als Haaland zu Boden gebracht wurde, war sein Mitspieler noch in Ballbesitz. Damit kam eine Überprüfung durch den VAR nicht mehr in Frage.
Doch selbst wenn man argumentieren würde, dass der Vorteil für Bellingham nach dem Foul an Haaland nicht eintrat, es somit einen Freistoß für den BVB hätte geben müssen und der Ballbesitz für Hoffenheim also aus einem ungeahndeten Vergehen resultierte, sähe das Reglement keinen Eingriff des Video-Assistenten vor.
Denn die TSG hatte zwar bis zum Tor ununterbrochen den Ball – aber in diesen 30 Sekunden ereigneten sich mehrere Angriffsphasen.
Was ist eine Angriffsphase?
Als Angriffsphase ist die gezielte Bewegung auf das gegnerische Tor definiert. Das bedeutet: Wenn ein Team seine Vorwärtsbewegung etwa durch einen Rückpass abbricht – wie Hoffenheim gleich zweimal –, dann endet diese Angriffsphase, und es beginnt eine neue.
Vom VAR überprüft wird nach einem Tor aber nur die allerletzte Phase, die zum Tor führte. Wie man es also dreht und wendet, eines steht fest: Das Foul von Vogt gegen Haaland fand vor der überprüfbaren Angriffsphase der Hoffenheimer statt.
Man mag diese Regelung unbefriedigend finden, unverständlich oder zu bürokratisch. Doch die Regelhüter standen nun mal vor der Aufgabe, eine Grenze zu ziehen, bis zu der die Video-Assistenten bei einem Tor-Check zurückgehen sollen. Dass sie dabei den Beginn der entscheidenden Angriffsphase wählten, ist nachvollziehbar.
Klar ist allerdings auch: Das Schiedsrichterteam auf dem Feld hat in Dortmund ein eindeutiges Foul übersehen – mit gravierenden Folgen. Das kann vorkommen, ist aber dennoch zu kritisieren, zumal es ganz offen geschah.
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