Der Wechsel von Xherdan Shaqiri zu Stoke City wirft jede Menge sportlicher Fragen auf. Wieso jetzt Stoke City, nach dem FC Bayern München, nach Inter Mailand? Der Verdacht steht im Raum, dass der Schweizer Nationalspieler den sportlichen Erfolg dem schnellen Geld unterordnet. Diesen Fehler haben vor ihm schon viele Profis gemacht. Es gibt aber auch einen guten Grund für den Wechsel.

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Es ist noch nicht lange her, da sahen Experten weltweit in Xherdan Shaqiri den legitimen Nachfolger von Franck Ribéry. Nicht nur, dass der Schweizer im selben Klub spielte; Shaqiri hatte alles, was auch Ribéry auszeichnet. Das war vor drei Jahren, damals war das größte Talent des Schweizer Fußballs gerade neu beim FC Bayern München und ein glanzvolles Versprechen für die Zukunft.

Seitdem ist einiges passiert, und man muss entweder ein hoffnungsloser Optimist sein oder einfach nur blind für die raue Realität, wenn man Shaqiri bescheinigen will, das Optimale aus seiner immer noch jungen Karriere herausgeholt zu haben. Bei den Bayern ist der mittlerweile 23-Jährige unter zwei Trainern nie über das Dasein als Reservist hinausgekommen.

Wechsel für die Karriere

Mit Shaqiris Karriere ging es dann so lange bergab, bis sich der Spieler zusammen mit seinem Bruder Erdin, der gleichzeitig auch als sein Berater fungiert, zu einem Wechsel nach Mailand entschloss. Im Winter wechselte Shaqiri über die Alpen, beim FC Internazionale sollte seine gehörig ins Stocken geratene Karriere eine positive Wendung nehmen.

Was folgte, waren die schlimmsten Monate seiner Laufbahn. Das "Inter-mezzo" geriet zum totalen Flop, Shaqiri spielte nur 15-mal, zumeist kam er von der Bank, das Verhältnis zu Trainer Roberto Mancini war vom ersten Tag an nicht das beste. Am Ende redeten beide Parteien nicht mehr miteinander. Dafür redeten die Leute über ihn - aber nicht über Shaqiri, den Fußballer. Sondern über zahlreiche Schnappschüsse der Paparazzi bei allen erdenklichen Beschäftigungen außerhalb des Platzes.

Schweizer stehen zu ihm

Xherdan Shaqiris Image hat gelitten in den vergangenen Monaten. Vor gerade einmal einem Jahr war er der große Heilsbringer und Hoffnungsträger der Nationalmannschaft. In der Nati hat er, allen Problemen im Klubfußball zum Trotz, stets Leistung gebracht. In der Schweiz hat Shaqiri deshalb immer noch eine ordentliche Reputation.

Aber die Schweiz kann einem begnadeten Talent wie immer, bei allem Respekt, nicht genug sein. Inter Mailand war ein Abstieg. Weg von den Bayern, einem der größten Klubs der Welt, Dauergast auf der großen Bühne der Champions League und jedes Jahr ein Topfavorit auf den wichtigsten Vereinstitel der Welt. Und rüber zu einem Klub, der auf der Suche nach sich selbst und der Stärke vergangener Tage ist. Ein Europa-League-Teilnehmer - wenn es gut läuft.

Die Realität ist das Mittelmaß

Auch deshalb waren viele gespannt, wie der neue Klub Shaqiris heißen wird. Der Anspruch ist die Königsklasse. Die Realität heißt Stoke City. Die Midlands statt Mailand oder München. Das viel, viel kleinere "M". Eine Arbeiterstadt mit 250.000 Einwohnern, der zweitälteste Profiklub Englands, ein Titel im Ligapokal. Das war vor über 40 Jahren. Immerhin spielen die Potters nun schon ihre achte Saison in Serie in der Premier League. Zuletzt lief die Mannschaft von Trainer Mark Hughes auf Rang neun ein. Das nennt man dann wohl Mittelmaß.

Nach der Bekanntgabe des Wechsels prasselte die Kritik nur so auf Shaqiri ein. "Von München via Mailand nach Stoke innerhalb von sieben Monaten - das hohe Tempo seiner Karriereplanung spricht nicht dafür, dass sie besonders ausgefeilt ist. Sie steht eher dafür, dass Shaqiri, angetrieben von seinem Bruder Erdin, inzwischen dem schnellen Glück und Geld nachhetzt", schrieb etwa der "Tages-Anzeiger".

Stoke City keine gute Wahl

Oder Stefan Effenberg, der an Shaqiris Spielstil bisher immer Gefallen finden konnte. "Den Wechsel verstehe ich überhaupt nicht. Wenn man dorthin geht, ist man dermaßen schlecht beraten. Schalke 04 wäre zum Beispiel genial für Shaqiri gewesen. Scheiß auf eine oder zwei Millionen. Wenn ich dort drei verdiene und bei Stoke sechs, entscheide ich mich für Schalke. Dann spiele ich in der Bundesliga, in einem geilen Stadion, bin wieder in Deutschland, bei einem geilen Klub, den ich wieder nach oben bringen kann."

Und weiter: "Ernsthaft jetzt: Stoke City? Mein Gott, da verstehe ich den Spieler nicht, die Eltern und den Bruder nicht. Ich finde es schade und traurig. Nur weil die mit dem Geld wedeln? Da muss ich die Spieler auch mal hinterfragen: Ist Geld denn für euch alles?"

Weg des geringsten Widerstands

Bei Stoke hat Shaqiri zumindest auf dem Papier keine kleine Stippvisite geplant. Sondern den U-Turn seiner Karriere. Ein Fünfjahresvertrag durfte es sein, bis einschließlich 2020 stehen drei große internationale Turniere an. Die Perspektive von Stoke City heißt Europa League und das wird schon schwer genug. Zu mehr dürfte es in der Liga der Big Five Manchester United, Manchester City, FC Chelsea, FC Liverpool und FC Arsenal jedenfalls kaum reichen.

Kolportierte 4,5 Millionen Franken soll der Spieler pro Jahr verdienen. Das wären 1,5 Millionen Franken mehr als zuletzt bei Inter. Es sind diese Zahlen, die dem ohnehin schon diskussionswürdigen Wechsel noch mehr Note verleihen. Zuletzt jedenfalls war Shaqiri auch in der Bundesliga bei Schalke 04 und Borussia Dortmund gehandelt worden. Allerdings wohl zu geringeren Bezügen und nicht mit der Aussicht auf einen Stammplatz. Den dürfte er bei Stoke City sicher haben. Deshalb die harsche Kritik. Shaqiri wähle den Weg des geringsten Widerstands, er setze sich ins gemachte Nest, und das mit 23 Jahren, am Anfang der Karriere.

Fähigkeiten passen zur englischen Liga

Seine Stärken und seine Spielweise dürften den Fans der Premier League und natürlich besonders denen der Potters gefallen. Shaqiri hat unbestrittene immer noch ganz vorzügliche Fähigkeiten, den Antritt, seine Schnelligkeit, die Explosivität, den strammen Torabschluss. Für die seltener filigrane, aber immer druckvolle, rasante und raue englische Liga scheint er wie gemacht. Jedenfalls besser als in der Serie A, wo taktiert und defensiv gedacht wird und auch wie bei den Bayern mit dem ewigen Tüftler Pep Guardiola, der seine Spieler wie Schachfiguren über den Rasen schickt und nicht so sehr auf Bauchfußballer steht.

Insofern ist Stoke zumindest ein klarer Schnitt, mit der Perspektive auf einen Stammplatz und eine Art Fußball, die Shaqiri eher liegen dürfte. Die Debatten um seinen älteren Bruder, den Vorwurf der Geldgier und den sportlichen Abstieg schüttelt Shaqiri bisher einfach so ab. Aber auch ihm ist klar, dass der Fluchtweg ganz schnell zu einer Sackgasse werden kann. Im Mittelmaß der Premier League sind schon ganz andere versunken. Bei Xherdan Shaqiri wäre dies ein ganz besonders bitterer Fall.

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