Selten zuvor hat man so oft ein zufriedenes Lächeln im Gesicht von Uli Hoeneß gesehen. Sein Traum, die Gegner müssten den FC Bayern mit dem Fernglas an der Spitze der Tabelle suchen, ist Realität. 15 Punkte trennen die Münchner in der Bundesliga von den zweitplatzierten Dortmundern. Und auch in der Champions-League ist man längst mehr als ein Geheimfavorit. Hier steht am Dienstagabend das Hinspiel bei Arsenal London an (ab 20:45 Uhr im Live-Ticker oder auf sky). Wovor die Briten Angst haben müssen und was den FC Bayern momentan so stark macht, erklärt unsere Analyse.

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Früher war alles so einfach für die Bayern-Hasser der Nation: Der reiche Klub aus dem Süden der Republik rumpelte sich mit gnadenlosem Ergebnisfußball zu einem knappen Sieg nach dem anderen. Am Schluss sprang in schöner Regelmäßigkeit die Deutsche Meisterschaft heraus, 1:0-Vorsprünge wurden unterkühlt verwaltet und Tore fielen meist durch Fehler der Gegner oder unschöne Abstauber.

Heute stellt sich die Lage anders dar. Selbst die größten Gegner der Roten müssen zugeben, dass es in Europa nur wenige Vereine gibt, die ein größeres Offensivspektakel bieten als der FC Bayern. Bei einer 1:0-Führung ist nur im Ausnahmefall Schluss mit Spektakel. Und Tore werden nicht geschossen, sondern bisweilen zelebriert. Mario Mandzukics Fallrückzieher am Freitagabend in Wolfsburg reiht sich da in eine ganze Serie von Traumtoren ein.

Der Kader ist ausgeglichen stark

Alle Zauberei hilft aber nichts, wenn sie nicht auf einem stabilen spielerischen Fundament basiert. Und diese Grundlage hebt die Münchner in dieser Saison auf ein nie dagewesenes Niveau. Es stimmt auf jeder Position:

Vor allem in der Verteidigung liefert der Verein eine rekordverdächtige Saison ab. Sieben Gegentore in 22 Saisonspielen sprechen eine eindeutige Sprache. Lediglich Bayer Leverkusen konnte den Bayern bislang in der Bundesliga eine Niederlage zufügen. Bayern-Keeper Manuel Neuer steht mit einer Quote von 86,5 Prozent gehaltener Torschüsse an der Spitze der Torhüter-Statistik.

Vor dem Ex-Schalker präsentiert sich diese Saison vor allem Neuzugang Dante in Galaform. Der Brasilianer sorgt mit unaufgeregter Eleganz und Zweikampfstärke für Sicherheit, während neben ihm das Rotationsprinzip greift. Doch egal ob der momentan verletzte Holger Badstuber, Jerome Boateng oder Daniel van Buyten den zweiten Innenverteidiger geben: Die Münchner Verteidigung schwimmt selten.

Hinzu kommt, dass Heynckes und Co. für Rechtsverteidiger Philipp Lahm endlich ein hochklassiges Pendant auf der linken Seite gefunden haben. David Alaba lässt auf dieser Position gewaltig aufhorchen, obwohl der Österreicher eigentlich als Mittelfeldmann ausgebildet wurde.

Im Mittelfeld wird Alaba aber keineswegs vermisst. Kürzlich adelte Jupp Heynckes Bastian Schweinsteiger als "besten Mittelfeldspieler der Welt". Auch wenn dieses Lob vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist – Schweinsteiger hat seine katastrophale Vorsaison mit dem vergebenen Elfmeter im CL-Finale eindeutig abgeschüttelt. Neben ihm findet 40-Millionen-Einkauf Martinez immer besser in die Mannschaft und sollte einer von beiden Sechsern ausfallen schließen Luis Gustavo oder Anatoli Tymoschtschuk die Lücke reibungslos.

Müller ersetzt Robben

Selbst eine anhaltende Verletzungspause und die darauf folgende Formschwäche von Arjen Robben kann die Heynckes-Elf ohne Probleme kompensieren. Denn mit Thomas Müller steht der diesjährige Topscorer der Liga bereit und befeuert gemeinsam mit Franck Ribéry das bajuwarische Offensivspiel. Über den kleinen Franzosen muss man derweil nicht viele Worte verlieren. Er spielt ganz einfach die Saison seines Lebens.

Im Angriff können sich die Münchner sogar erlauben, den erfolgreichsten Bundesliga-Torjäger der letzten Jahre auf die Bank zu setzen. Das Beste daran: Mario Gomez stellt sich voll in den Dienst der Mannschaft, meckert über seine undankbare Rolle nicht und gibt dem derzeit gesetzten Mario Mandzukic so volle Rückendeckung.

Die personelle Lage ist aber natürlich nicht alles. Auch auf Trainer- und Managementebene läuft alles wie geschmiert. Jupp Heynckes hat die dubiose Situation rund um die Verpflichtung Pep Guardiolas souverän gemeistert. Der 66-jährige Rheinländer ist unumstritten und genießt das volle Vertrauen von Führung, Mannschaft und Fans.

Sammer: Vom "Motzki" zum seriösen Lenker

Im Hintergrund wird die Handschrift des neuen Sportvorstands Matthias Sammer immer deutlicher. Der ehemalige "Motzki" hält sich mittlerweile in der Öffentlichkeit vornehmlich zurück und steuert die sportlichen Rahmenbedingungen der Bayern mit erfahrener und ruhiger Hand. Wenn Sammer in München ähnliches leisten kann wie in seiner Zeit als DFB-Sportdirektor, wird man die Früchte seiner Arbeit in den kommenden Jahren wirklich deutlich sehen: Als größte Stärke des gebürtigen Dresdeners gilt die Nachwuchsarbeit.

Die Deutsche Meisterschaft dürfte dem FC Bayern also kaum noch zu nehmen sein, doch der große Traum ist ein anderer Titel: die Champions League. Nach der Niederlage im Finale 2010 gegen Inter Mailand und dem Trauma des "Finales dahoam" 2012 im eigenen Stadion gegen den FC Chelsea soll endlich der "Pott mit den großen Ohren" her. Aber sind die Bayern dafür schon bereit? Der erste Härtetest steht am Dienstagabend in London bevor. Im Achtelfinal-Hinspiel wartet im Emirates-Stadium Arsène Wengers FC Arsenal.

Die "Gunners" um die DFB-Nationalspieler Lukas Podolski und Per Mertesacker dürften das Heynckes-Team wesentlich stärker fordern als es die Bundesliga-Konkurrenz in dieser Saison bislang vermochte. Aber in ihrer momentanen Verfassung wäre dennoch alles andere als ein Münchner Durchmarsch - mindestens bis ins Viertelfinale - eine handfeste Sensation.

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