- Die Europameisterschaft ist vorbei.
- Von der anfänglichen Skepsis kann sich wohl kaum ein Fußballfan freimachen.
- Dass das Turnier letztlich doch enorm packend verlief, lag vor allem an den vielen Überraschungen.
Italien ist Europameister. Überraschend? Wenn man einen Blick dahin bemüht, wo die italienische Mannschaft vor drei Jahren stand, als sie sich nicht für die Weltmeisterschaft qualifizieren konnte, darf man hier von einer Überraschung sprechen. Der ein oder andere ausgewiesene wie selbst ernannte Fußballexperte dürfte die "Azzurri" aber schon vor dem Turnier auf dem Schirm gehabt haben.
Zweifelsohne gab es jedoch Überraschungen zuhauf bei diesem Turnier, das am Sonntag zu Ende gegangen ist. Zum Beispiel, dass das Turnier am Sonntagabend im Wembleystadion inmitten einer Pandemie unter den Augen von 67.000 Zuschauern zu Ende gegangen ist. Aber auch sportlich hat die EM unerwartete Geschichten geliefert. Das waren die sechs großen Überraschungen:
Belgien, der gescheiterte Geheimfavorit
Wer den Belgiern vor dem Turnier eine Geheimfavoriten-Rolle attestiert hatte, der dürfte im Zusammenhang mit Italien auch vom "Catenaccio" und bei den Engländern vom "Kick and Rush" gesprochen haben. Alles nicht mehr zeitgemäß. Die beiden Finalisten verfolgen längst modernere Spielphilosophien, und die Belgier galten längst nicht mehr nur als Geheimfavorit, sondern als einer der großen Titelanwärter.
Gestartet waren die Belgier dementsprechend famos, holten neun Punkte in der Gruppenphase, schlugen im Achtelfinale mit Portugal den Europameister von 2016 und spielten einen feinen Fußball. Es schien, als sei die Mannschaft reifer geworden, deren Kern mit Thibaut Courtois, Jan Verthongen, Toby Alderweireld,
Doch wieder sollte es nichts werden. Viele Spieler haben die 30 Jahre inzwischen erreicht. Daher gab es im Anschluss an Belgiens Ausscheiden im Viertelfinale nicht wenige Stimmen, die von der letzten verpassten Chance dieser "goldenen Generation" sprachen. Doch vielleicht bringt ein Blick auf die deutsche Nationalmannschaft Hoffnung. Denn ein großes Turnier dürfte Belgien in dieser Konstellation noch spielen. Und auch Deutschland schaffte mit seiner goldenen Generation 2014 auf den allerletzten Drücker noch den großen Wurf.
Pedri: der beste junge Spieler des Turniers
Irgendwann vielleicht wird es aufhören, dass man junge Spieler mit den Größten ihres Fachs vergleicht, sie mit Zuschreibungen wie "Wunderknabe", "Neuer Iniesta" und "Super-Talent" bepackt – und sich dann wundert, dass sie mit dem Druck und den Erwartungen, die auf sie projiziert werden, nicht umgehen können. Bis dahin können wir uns aber zurücklehnen und diesem "Wunderknaben" Pedri zuschauen, genießen und verfolgen, wo der Weg dieses Super-Talents hinführt - und ob er das Zeug dazu hat, der neue Iniesta zu werden. Der Spanier ist zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt geworden.
Patrik Schick - fast so treffsicher wie Cristiano Ronaldo
Er sorgte für zwei der schönsten Bilder dieser Europameisterschaft: Patrick Schick schoss erst das Tor des Turniers, als er den Ball aus 45 Metern gegen Schottland ins Tor hob. Später lieferte er eine filmreife Szene, als er gegen Kroatien mit blutender Nase einen Elfmeter versenkte und anschließend mit angespanntem Bizeps, Blutschmiere und Jubelschrei den angeknockten und doch erfolgreichen Boxer gab.
Auch im Achtelfinale gegen die Niederlande traf er und machte mit deren frühem Aus eine der großen EM-Überraschungen perfekt. Nur weil Cristiano Ronaldo zu seinen ebenfalls fünf erzielten Toren noch ein Assist lieferte, darf sich
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Kylian Mbappe & Frankreich
Es sollte sein Turnier werden.
Und dennoch waren die Franzosen an einem der Highlights dieses Turniers beteiligt: Achtelfinalspiel Nummer sechs. Frankreich gegen Schweiz. Entschieden durch den letzten Fehlschuss von Kylian Mbappe. Es sollte sein Turnier werden. Letztlich stand er symbolisch für Frankreichs Scheitern.
England
"Heim-EM" hin oder her: Auch wenn die Engländer sechs ihrer sieben Spiele im heimischen Wembley-Stadion austragen durften: Wer hätte nach dem zweiten Gruppenspiel, einem müden 0:0 gegen Schottland, gedacht, dass diese englische Mannschaft bis ins Finale durchmarschiert?
Die englischen Fans und die beißende britische Presse erwarteten zu diesem Zeitpunkt wieder mal ein ernüchterndes Turnieraus. Spätestens als der Turnierbaum den Engländern als Achtelfinalgegner Deutschland servierte, waren die Sorgen groß. Doch dann kamen Raheem Sterling und Harry Kane. Und so wurde aus dem irrational euphorischen "It’s coming home"-Gesang plötzlich eine allzu greifbare Zuversicht. Is it coming home? For real?
No, it is not. Auf die dramatischste und gleichzeitig englischste aller Arten verlor man am Sonntagabend das Finale: im Elfmeterschießen.
Eine Überraschung war dieses Turnier der Engländer dennoch. Gareth Southgate schaffte es in seiner bescheidenen Art, die Mannschaft zu entwickeln, die auch mit taktischer Finesse einen Weg gefunden hatte, Fußballspiele zu gewinnen. Nicht schön, aber erfolgreich. Viel vorzuwerfen haben sich die Engländer nicht. Denn manchmal macht man alles richtig, doch es gibt diesen einen Kontrahenten, der noch einen Tick besser ist.
Die Underdogs
Es ist die schöne Seite des Fußballs, die das paneuropäische Turnier in großen Teilen gezeigt hat. Immer wieder hat es nämlich die Geschichte der Aufmüpfigen und Kleinen erzählt, die es mit den großen, schier übermächtigen Gegnern aufnehmen – und gewinnen. Selten gab es eine Europa- oder Weltmeisterschaft, bei der so viele Underdogs den großen Nationen Ärger bereitet haben.
Die Tschechen, die auf ihrem Weg ins Viertelfinale die Niederländer aus dem Wettbewerb schmissen. Die Schweizer, die das Fußballmärchen von Bukarest schrieben, in dem sie den Weltmeister aus Frankreich niederrangen. Oder die Dänen, die auf die schrecklichste Art und Weise in dieses Turnier starteten und doch noch unverhoffte Kräfte freisetzten konnten. Auch die Österreicher und Ukrainer, die bis ins Achtelfinale und Viertelfinale vorstießen, dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Keine dieser Geschichten mündete in einem kitschigen Sommermärchen. Sie machten die EM aber zu dem Turnier, das es geworden ist.
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