Die Misere des FC Bayern München hat sich in der Champions League fortgesetzt. Die 0:1-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel gegen Lazio Rom hat die Schwächen des deutschen Rekordmeisters einmal mehr offenbart.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war ein Anblick mit Aussagekraft. 54 Minuten waren im Spiel des FC Bayern bei Lazio Rom vorüber, als Trainer Thomas Tuchel seine Hände vor das Gesicht hielt und mit dem Kopf schüttelte

Mehr News zur Champions League

Er sah eine Mannschaft, die nach dem 0:3-Debakel gegen Bayer Leverkusen eine Reaktion zeigen wollte, stattdessen aber mit steigender Spieldauer immer hilfloser wirkte.

"Eine Reaktion war in der 1. Halbzeit da. Wir haben Chancen erspielt, wenig zugelassen, aber wir haben unsere Chancen nicht gemacht", sagte Thomas Müller nach dem Spiel gegenüber DAZN. "Die 2. Halbzeit war dann wieder von dieser Unsicherheit geprägt. Das war ja fast schon Slapstick, wie wir uns von einem Fehler in den anderen gebracht haben."

Andere Aufstellung, gleiche Probleme

Tuchel korrigierte seine vermeintlichen Aufstellungs-Fehler aus dem Spiel gegen Leverkusen. Ließ er die Abwehr am vergangenen Samstag in einer ungewohnten Dreierkette agieren, kehrte er in Rom zu einer Viererkette zurück. Zudem standen Joshua Kimmich und Thomas Müller, die in Leverkusen erst spät eingewechselt wurden, diesmal in der Startelf.

Gebracht hatte es nichts. Im Gegenteil: Erstmals seit dem Jahre 2015 erzielte der FC Bayern in zwei aufeinanderfolgenden Spielen kein Tor.

Niederlage hätte noch höher ausfallen können

Viele Ballverluste, wenig Dynamik, keine spielerischen Lösungen - die Fehleranfälligkeit war hoch. Selbst Jamal Musiala brachte seine fußballerischen Qualitäten kaum zur Geltung. Sein Ballverlust in der 67. Minute führte zu einem Gegenangriff, der schlussendlich in einem Elfmeter für Rom und einer roten Karte für Dayot Upamecano mündete. Der frühere Dortmunder Ciro Immobile nutzte dies zum 1:0 für Rom.

Die Niederlage wäre sogar noch höher ausgefallen, hätte Rom ihre Konter in der Schlussphase sauberer ausgespielt. Der FC Bayern hingegen brachte in der kompletten 2. Halbzeit keine nennenswerte Torchance zustande.

Tuchel bemängelt: "Null Schüsse gingen auf das Tor"

Tuchel war offenbar bedient. So sehr, dass er direkt nach dem Schlusspfiff nicht auf seine Spieler zuging, sondern in Richtung Kabinen verschwand. "Wir sind frustriert und sauer über die Niederlage", sagte er etwas später. "Ich weiß nicht, wieso wir in der 2. Halbzeit so den Faden verloren haben. Aber wir haben ihn verloren und dann alles dafür getan, dass wir in Rückstand geraten."

Auch in der Offensive hätte seine Mannschaft nicht funktioniert: "Ich glaube, wir hatten am Ende keinen einzigen Schuss auf das Tor. Wir hatten sieben Torschüsse, aber null gingen auf das Tor. Dann kann man natürlich auch nicht treffen."

Zu wenig Tempo: Schweinsteiger und Basler benennen das Problem

Der frühere Bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger fasste das Problem des FC Bayern auf "X" zusammen: "Das Problem des FC Bayern bis zum Elfmeter war: Bei eigenem Ballbesitz sollte der #FCB schneller nach vorne spielen, besonders wenn Lazio nicht gut gestaffelt ist. Nicht warten, bis alle 11 Spieler von Lazio wieder in ihrer Grundordnung sind."

Mario Basler, der ebenfalls früher für den FC Bayern aktiv gewesen ist, stimmte im "Fantalk" auf "Sport1" zu: "Der FC Bayern spielt Tran-Fußball, die schlafen dabei ein. Das ist Sicherheitsfußball, den Ball halten, ja nicht viel laufen – dieser langsame Fußball geht in der heutigen Zeit nicht mehr. Ich sage schon seit drei, vier Jahren, dass beim FC Bayern der Fußball zu langsam ist."

Bilanz von Tuchel ist schlechter als von Nagelsmann

Tuchel kassierte nun seine zehnte Pflichtspiel-Niederlage als Bayern-Trainer in 43 Spielen. Zum Vergleich: Sein Vorgänger Julian Nagelsmann brauchte 84 Pflichtspiele, bis er zehn Niederlagen zusammenbekam. Wie soll Tuchel den Verein nun aus der sportlichen Krise führen?

"Thomas Tuchel und das Trainerteam müssen versuchen, diese Leichtigkeit wieder herzustellen", sagte der frühere Bayern-Spieler und heutige DAZN-Experte Tim Borowski. Dazu müsse man "dieses Sieger-Gen herauskitzeln, das den FC Bayern nun einmal ausmacht. Das ist nicht leicht, denn es hat sich sowohl in der Bundesliga wie auch in der Champions League etwas eingefahren."

Manuel Neuer: "Wir brauchen ein Erfolgserlebnis"

Mehr als Durchhalteparolen fällt den Beteiligten momentan nicht ein. "Die Verunsicherung spürt man einfach", sagte Torwart Manuel Neuer. "Wir müssen versuchen, es im nächsten Spiel auswärts in Bochum so gut wie möglich zu machen, wir brauchen ein Erfolgserlebnis, wir brauchen positive Emotionen, wir brauchen einen Sieg."

Das Rückspiel in der Champions League findet am 5. März in München statt. Die Vorzeichen stehen schlecht: Die letzten sieben Male schied der FC Bayern aus, wenn sie ein Hinspiel der Champions League verloren hatten. Müller bleibt trotzdem positiv gestimmt: "Wenn du 25, 30 Minuten in Unterzahl bist, ist eine 0:1-Niederlage für mich völlig okay, weil wir ein Rückspiel haben."

Gleichwohl ist dem Routinier bewusst: "Wir sind aktuell nicht in dieser Situation, dass alles von der Hand geht. Wir haben immer wieder Unsicherheiten drin. Wir haben nicht dieses völlig losgelöste selbstverständliche Selbstvertrauen, wir haben immer wieder leichte Fehler drin. Aber wir werden uns jetzt nicht darauf fokussieren, uns weiter runterzuziehen. Wir haben drei Wochen Zeit. Und dann werden wir sehen, was in München passiert."

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Verwendete Quellen

  • DAZN, Lazio Rom – FC Bayern München
  • Sport 1, Fantalk live
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © dpa/ZUMAPRESS.com/Alfredo Falcone