In eineinhalb Jahren vom potentiellen Weltfußballer zum gescheiterten Talent – die Karriere von Renato Sanches steckt bereits jetzt in der Sackgasse. Dabei sollte er eigentlich die Zukunft des FC Bayern München prägen.

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Er galt als eines der größten Talente im Weltfußball. Mit 18 Jahren mischte Renato Sanches die 1. Liga von Portugal auf, wurde 2016 an der Seite von Cristiano Ronaldo Europameister und wechselte für 35 Millionen Euro zum FC Bayern München.

Ob nun seine Dynamik, seine Zweikampfstärke, seine Passgenauigkeit oder seine Schusstechnik – der Mittelfeldspieler agierte in jeder Hinsicht auf Top-Niveau.

Gut eineinhalb Jahre ist es her, als der damalige Bayern-Trainer Pep Guardiola sagte: "Er ist einer der besten Nachwuchsspieler in Europa." Heute ist davon nichts mehr zu hören.

Im Gegenteil: Sanches droht als Flop zu enden. Beim FC Bayern München fiel er letzte Saison durch. Um Spielpraxis zu sammeln, wurde er zu dieser Saison an den walisischen Verein Swansea City verliehen.

"Ihm fehlen Selbstvertrauen und Form"

Doch selbst bei dem Tabellenletzten der Premier League bekommt das einstige Super-Talent keinen Fuß auf die Erde. Nach 17 Spieltagen hat der 20-Jährige lediglich neun Einsätze vorzuweisen. Bei den letzten beiden Ligaspielen stand er nicht einmal im Kader.

Kein Wunder: Wenn Sanches spielte, fiel er hauptsächlich durch Ballverluste und katastrophale Fehlpässe auf. Vor wenigen Tagen gab es sogar Meldungen, dass Swansea das einstige Mega-Talent abschieben möchte. Dies wurde vom Verein zwar dementiert, Tatsache ist aber, dass die Verantwortlichen in Wales unzufrieden mit dem Portugiesen sind. Trainer Paul Clement sagte: "Ihm fehlen Selbstvertrauen und Form. In keinem seiner Auftritte hat er sein Talent gezeigt."

Nun will Swansea City das einstige Mega-Talent offenbar abschieben. Laut dem portugiesischen Portal "Maisfutebol" soll es sogar eine Einigung zwischen den Vereinen geben, die Leihe bereits im Winter abzubrechen.

Bayern-Trainer Jupp Heynckes will davon allerdings nichts wissen: "Wir haben im Mittelfeld nicht den Bedarf." Es scheint so, als würde niemand Sanches haben wollen.

Doch wie ist der tiefe Fall zu erklären? Heynckes deutete an, dass der Weggang aus dessen Heimat Portugal möglicherweise zu früh erfolgte: "Er hat nur wenige Spiele bei Benfica gemacht, hat dann eine gute EM gespielt und wurde vom FC Bayern verpflichtet."

Vergleich zu Breno liegt nahe

Es gibt viele Beispiele von jungen Top-Talenten, die früh ins Ausland wechselten und dort scheiterten. Man erinnere nur an Breno, der mit 18 Jahren vom FC Bayern aus Brasilien geholt wurde und letztendlich wegen Brandstiftung im Gefängnis landete.

Auch wenn der Fall Sanches weniger dramatisch ist, fand auch er sich nicht in Deutschland zurecht. Ex-Trainer Carlo Ancelotti sagte gegenüber dem Kicker: "Er hat Probleme mit der Integration. Es liegt an der neuen Sprache, am neuen Land, am neuen Klub, der neuen Mannschaft."

Das schlug sich auf seine Leistungen nieder. 17 Bundesliga-Einsätze hatte er in der vergangenen Saison beim FC Bayern, nur sechs davon als Startelf-Spieler.

Im Kicker-Sportmagazin bekam er vergangene Saison eine Durchschnittsnote von 4,19 – der mit Abstand schlechteste Wert der Mannschaft. Noch härter gehen die englischen Medien mit ihm ins Gericht und verspotten Sanches regelrecht.

Sein ehemaliger Jugendtrainer Helder Cristovao, heute Trainer von Benfica Lissabon B, nimmt seinen ehemaligen Spieler in der Sportzeitung "O Jogo" in Schutz: "Die Kritik finde ich ungerecht, weil er nicht auf seiner Position als Spielmacher aufgestellt wird. Im englischen Fußball verlangt man von kreativen Spielern andere Aufgaben und deshalb fällt es ihm schwer, sich dieser Spielweise anzupassen. Man sollte ihn einfach auf der Position aufstellen, die er am besten spielen kann."

Sanches ist kein defensiver Zweikämpfer, der gegnerische Angriffe im Keim erstickt. Er könnte seine Stärken besser einbringen, dürfte er sich in der Offensive frei entfalten. Dazu bräuchte er aber Selbstvertrauen – und das fehlt ihm.

Psychologe: Man darf nicht so viel nachdenken

Dr. René Paasch, Sportpsychologe beim Fußball-Zweitligisten VfL Bochum, kennt den Teufelskreis, in dem sich ein Spieler wie Sanches befindet. "Sportler, die gerade keinen Erfolg haben, halten oft an der Vergangenheit fest. Man stellt sich die Frage, warum es nicht mehr so läuft. Davon muss man sich lösen", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Auf dem Fußballfeld zu grübeln, sei nämlich kontraproduktiv: "Die Dinge, die ein Fußballspieler auf dem Feld kann, geschehen meist unbewusst. Das sind alles Vorgänge, die über jahrelanges Training eingeübt wurden. Nur wenn man darauf vertraut, ohne groß darüber nachzudenken, kann ein Fußballer seine Leistungsfähigkeit abrufen."

Diese Eigenschaft zurückzugewinnen, sei in Zeiten einer Formkrise allerdings besonders schwierig: "Dazu braucht man Geduld und vor allem den Rückhalt der Mannschaft und des Trainers." Problem ist nur: Beides scheint Sanches nicht zu haben.

Es scheint so, als wäre der Fall von Sanches noch längst nicht gestoppt.

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