Ist von den Sparmaßnahmen bei VW auch der VfL Wolfsburg betroffen? Wie prekär ist die Lage bei dem Bundesliga-Klub? Dr. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln gibt Einblicke in einen krisenerprobten Fußballklub.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ein 1:1 gegen den FC Augsburg, 22.000 zumeist gelangweilte Zuschauer und Platz 14 in der Bundesliga-Tabelle der Männer: Die Situation des VfL Wolfsburg ist so trist wie der November. Ein Symbol für die Situation beim Volkswagen-Konzern? Schließlich ist die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH eine hundertprozentige Tochter von VW. Doch wie prekär ist die Lage beim VfL, wenn der Mutterkonzern so in den Seilen hängt, tatsächlich?

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Die Krise des Autobauers sorgte für ein Beben in Deutschland, denn das Unternehmen will laut Betriebsrat in Deutschland mindestens drei von zehn Werken schließen, dazu zehntausende Stellen abbauen und Löhne kürzen. Oder anders gesagt: Es muss dringend sehr viel gespart werden in Wolfsburg. Und damit auch beim VfL? Kann und muss sich VW einen Fußball-Klub leisten?

"Eine wichtige kommunikationspolitische Maßnahme"

"Ein Profifußballteam kann zum einen eine wichtige kommunikationspolitische Maßnahme für das Unternehmen sein, sowohl nach außen als Werbeplattform, als auch nach innen und im Hinblick auf die Identifikation von Mitarbeitern", erklärt der renommierte Sport-Ökonom Dr. Christoph Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion. Zum anderen gehe es auch darum, durch Bundesliga-Fußball den Ort, an dem die meisten Arbeitnehmer tätig seien, attraktiver zu gestalten, so Breuer: "Hier hat Wolfsburg als Standort sicherlich Attraktivitäts-Nachteile im Vergleich zu anderen Städten und hier können weiche Standortfaktoren helfen."

Die aktuelle VW-Krise dürfte nicht spurlos am VfL vorbeigehen, auch wenn beide Seiten krisenerprobt sind, zum Beispiel durch den Abgasskandal 2015. "Für mich ist es spannend, wie es jetzt weitergeht. Wenn es um harte Sparmaßnahmen geht, läuft die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH Gefahr, von diesen Sparmaßnahmen betroffen zu sein", glaubt Breuer.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, soll eine finanzielle Rahmenvereinbarung zwischen VW und VfL kürzlich bis 2027 verlängert worden sein. Laut der dpa gibt es in dem Zusammenhang zwei Geldflüsse. Zum einen muss der Klub alle Gewinne an seinen Mutterkonzern weiterreichen, wenn er einen Spieler verkauft. Auf der anderen Seite gleicht VW alle Verluste aus, die der VfL macht. Laut "SZ" sollen in den vergangenen sechs Geschäftsjahren fast 100 Millionen Euro nötig gewesen sein, um die negative Transferbilanz auszugleichen.

80 Millionen Euro pro Saison für den VfL

Trotzdem hieß es im September bei einem Treffen von Klubführung und VfL-Mitarbeitern, dass die Zuwendungen von VW und die aktuellen Verträge nicht in Gefahr seien. Aktuell sollen es 80 Millionen Euro sein, mit denen VW den VfL Wolfsburg unterstützt. Dieser Betrag wurde angeblich vor der Saison erhöht, zuvor soll er bei 70 Millionen Euro gelegen haben. Außerdem hat der VfL zuletzt das Stadion für 50 Millionen Euro von der Wolfsburg AG gekauft, einem Gemeinschaftsunternehmen der Stadt und VW. Es deutet also wenig darauf hin, dass VW dem VfL bald den Stecker ziehen wird. Doch die vergangenen Wochen waren wild, gespickt mit unvorhergesehenen Wendungen. Vorsicht ist also angebracht.

Der Klub ist daher gewarnt. Die gesamte VfL Wolfsburg-Fußball GmbH richte ihr tägliches Handeln danach aus, einen Beitrag zu dem großen Sparprogramm von VW zu leisten, heißt es in einer Stellungnahme des Klubs. "Es ist von jeher unser Anspruch, als Tochter von Volkswagen die uns zur Verfügung gestellten Ressourcen effizient und kostenschonend einzusetzen." Das gelte "insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen".

Tatsächlich ist das finanzielle Protzen Vergangenheit, bereits unter den Sportchefs Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer wurde die Philosophie des Klubs neu ausgerichtet. Ziel ist es, junge, eher unbekannte Spieler zu entdecken, zu fördern und dann mit Gewinn zu verkaufen. Das Konzept ist bedingt erfolgreich, genau wie der Versuch, mit der Mannschaft wieder einen europäischen Wettbewerb zu erreichen. Zuletzt gelang das in der Saison 2020/21, als die "Wölfe" als Vierter in die Champions League einzogen.

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Keine internationalen Ambitionen

Realistische Ziele sind mit den Mitteln des VfL Wolfsburg Europa League oder Conference League, doch im Moment spielt Wolfsburg eher gegen den Abstieg als um Europa, was in der hochbrisanten und emotionalen Gemengelage rund um den Abbau von Arbeitsplätzen nicht unterschätzt werden sollte. Denn wenn Menschen ihren Job verlieren, die Profis aber weiter Millionen verdienen und nicht abliefern, kann das für VW und den VfL zu unangenehmen Fragen führen. "Und je nach der Richtung, die das Thema nimmt, wird das vermutlich auch Auswirkungen zeigen beim Umgang mit dem Thema innerhalb des Konzerns", glaubt Breuer.

Wie es für den VfL weitergeht, ist schwer abzusehen. Breuer sieht grundsätzlich drei Szenarien. "Die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH müsste entsprechend auch sparen, vielleicht sogar einen Gewinnbeitrag für den Konzern leisten", so der Experte. "Oder man könnte auch sagen, dass man sich auf die Kernkompetenzen im Automobilbau konzentriert und versucht, alles schrittweise abzustoßen, was nichts mit diesem Kernbetrieb zu tun hat. Und da könnte man dann auch überlegen, ob man tatsächlich einen Fußballklub besitzen muss." Oder aber die Hauptaufgaben seien so groß, dass der Profisportbereich gar nicht unmittelbar in den Blick gerate, meinte Breuer.

Denn man muss auch sagen: Mit einem Ausstieg aus dem Profisport wird Volkswagen seine strukturellen Probleme nicht lösen. "Von daher wäre es keine Maßnahme, die tatsächlich an den Problemen ansetzt, sondern es wäre ein geringer Beitrag im Hinblick auf die Verbesserung der finanziellen Position", sagte Breuer.

Positive Auswirkungen des Sponsorings

Hinsichtlich eines solchen Schrittes sollten die Verantwortlichen auch bedenken, dass man nach Umbrüchen im Konzern immer noch ein sehr, sehr großer Arbeitgeber sein wird, der seinen Arbeitnehmern auch etwas bieten muss. "Und gleichzeitig bedarf es bei so viel eher negativ konnotierter Berichterstattung eines positiven Bildes. Und das kann man über Sponsoring und Profisport vergleichsweise gut hinbekommen", sagt Breuer. VW ist daneben auch einer der Hauptsponsoren des DFB, dazu auch über Audi beim FC Bayern und über die Audi-Tochter Quattro beim FC Ingolstadt engagiert.

Verkauf unter DFL-Kriterien schwierig

Ein Verkauf der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH werde unter DFL-Kriterien sowieso "schwierig", erklärt Breuer, "weil man einen Klub hat, der eigentlich nicht 50+1 entspricht. Aber theoretisch könnte man dem VfL Wolfsburg e.V. Teile übertragen und die anderen Anteile an der Profifußball GmbH an einen anderen Investor verkaufen. Dadurch könnte Volkswagen Einnahmen generieren". Nur stelle sich schnell die Frage, wer denn als möglicher Käufer überhaupt infrage käme, so der Experte.

Für viele Fans in Deutschland ist die Krise eine willkommene Gelegenheit, das Thema 50+1 wieder neu zu diskutieren, denn neben dem üblichen Angriffsziel RB Leipzig ist auch der VfL auf der Liste der Klubs, die sich in den Augen der Fans durch VW auf unfaire Art und Weise Vorteile verschaffen. "Kosten sparen, Wolfsburg-Sponsoring beenden, Arbeitsplätze erhalten, 50+1 stärken!", hieß es unlängst auf einem Transparent von Dortmunder Fans.

Allerdings kann man bei VW auch so argumentieren, dass es gerade in Krisenzeiten eines Impulses bedarf, der eine Mitarbeiteridentifikation mit dem Unternehmen schafft. Soll heißen: "Man könnte der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH noch eine größere Rolle einräumen, um noch mehr Identifikation zu schaffen." Den VfL Wolfsburg als "Spielzeug" des Konzerns also noch mehr pushen. Dann wäre die Lage zumindest dort möglicherweise nicht mehr so trist wie der November.

Verwendete Quellen:

Über den Experten:

  • Dr. Christoph Breuer ist Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das international ausgerichtete Institut beschäftigt sich mit Fragestellungen, die an den Schnittstellen des Sports mit der Wirtschaftswissenschaft angesiedelt sind.
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