Nun ist es offiziell: Der noch immer neue Sportvorstand Max Eberl verpflichtet einen Tuchel-Nachfolger, der keine großen Erfolge vorzuweisen hat. Sein Experiment mit Vincent Kompany ist spannend – und voller Gefahren.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Auf diese Idee muss man erst einmal kommen: Um 2025 in der eigenen Allianz Arena die Champions League zu gewinnen, holt Bayern München einen Trainer, der in der Premier League mit dem FC Burnley abgestiegen ist und mit RSC Anderlecht Dritter in Belgien wurde.

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Vincent Kompany, inzwischen 38 Jahre alt, war nirgendwo ein Erfolgstrainer. Sein bester Punkteschnitt in Belgien: 1,70. Seine aktuelle Bilanz laut "transfermarkt.de" in England: 0,63. Zum Vergleich: Bayer Leverkusen schaffte diese Saison 2,64 und sogar Bayern München 2,18 Punkte pro Spiel.

Zu dieser Ausbeute muss der neue Bayern-Trainer seinen Kader schleifen, um Voraussetzungen für ein erfolgreiches Jahr in der Königsklasse zu schaffen. Die Champions-League-Saison ist eine besondere: Das Endspiel findet am 31. Mai 2025, wie 2012, "dahoam" in München statt.

Neuer Bayern-Trainer: Warum Kompany?

Zurück zum Einstieg: Wie kommt man auf Kompany? Die einzige Trophäe, die er jemals als Trainer holte: Zweitliga-Meister 2023 in England. Er kennt die Bundesliga aus seiner Profizeit beim HSV (2006 bis 2008), als er ständig verletzt ausfiel. Nur 29 Saisonspiele schaffte er in den zwei Jahren.

Immerhin erlebte er die Professionalisierung von Manchester City unter Trainer Pep Guardiola. Elf Jahre war er dort Spieler, bevor ihn die Heimat mit dem Job als Spielertrainer lockte. Jetzt also Bayern München. Sportvorstand Max Eberl muss in ihm etwas sehen, das nicht offensichtlich ist.

Womöglich den Alonso-Spirit: Auch Bayer Leverkusen zeigte den Mut, einen zu verpflichten, der ein großer Spieler war, aber als Trainer ein Novize. Das kann erfrischend sein wie bei Xabi Alonso, aber auch in einem Desaster enden wie mit Sören Lerby in München.

Damals setzte Uli Hoeneß seinen früheren Mittelfeldstrategen an die Seitenlinie und rutschte mit ihm Richtung Abstiegszone. Der FC Bayern war danach nicht mehr derselbe: Hoeneß, vorher ein Alleinherrscher, musste fortan Franz Beckenbauer als Chefberater im Vorstand dulden.

Kompany ist ein Experiment und ein Risiko zugleich

Der Ausgang bei der Kompany-Personalie ist ebenfalls ungewiss. Was man weiß: Kompany kann vor seiner neuen Mannschaft nicht mit Errungenschaften als Trainer prahlen, sondern muss mit Erkenntnissen punkten, die er bei Guardiola gelernt hat und bei seinem Arbeitgeber anwenden kann.

Für Bayern München ist das ein Experiment, das der Verein, wenn es schiefläuft, schnell beenden kann. Für Max Eberl steht mehr auf dem Spiel: Kompany ist seine erste Trainer-Entscheidung. Er hat wochenlang Tuchel-Nachfolger geködert und keinen einzigen Wunschkandidaten geangelt.

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Kompany ist ein Risiko und nicht Plan A, sondern "Plan J", wie die Engländer spotten. Überrollt er die Bundesliga im Guardiola-Stil, werden alle schreien: ein Geniestreich von Eberl! Tuchelt Kompany im Nagelsmann-Stil, wird Eberl in jedem TV-Interview in Erklärungsnot geraten.

Seine Schonzeit würde dann vorzeitig enden. Soll man Kompany deswegen nicht wagen? Nun, die Bayern haben keine Wahl. Alle Trainer, die sie wollten, kommen nicht. Das muss kein Nachteil sein. In München sind schon ganz andere Startrainer gescheitert.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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