Unter Bochumer Flutlicht startet die Bundesliga in den fünftletzten Spieltag. Brisanter könnte die Konstellation nicht sein: Der VfL benötigt im Derby gegen Borussia Dortmund jeden Punkt für den Klassenerhalt. Aber der BVB kommt als frisch gebackener Tabellenführer und will Meister werden. Dieses Gefühl kennt Patrick Osterhage mit den Dortmundern, spielt aber seit 2021 für den VfL Bochum.

Ein Interview

Patrick Osterhage kennt das Gefühl, mit Borussia Dortmund Meister zu werden, allerdings drei Klassen unterhalb der Bundesliga. Osterhage gehörte zur zweiten Mannschaft des BVB, die im Sommer 2021 aus der Regionalliga West in die 3. Liga aufstieg. Anschließend nahm Osterhage das Angebot des gerade in die Bundesliga zurückgekehrten VfL Bochum an. Mit dem kämpft er im zweiten Jahr in Folge um den Klassenerhalt. Am 30. von 34 Spieltagen kommt es zum Derby gegen den BVB. Der reist den kurzen Weg als Tabellenführer an und will erstmals seit 2012 deutscher Meister werden. Osterhage aber kann darauf mit seinen Teamkollegen keine Rücksicht nehmen. Im exklusiven Interview mit unserer Redaktion äußert er sich zudem zu einem Bundesliga-Trend.

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Herr Osterhage, spüren Sie im Training vor dem Revier-Derby gegen Borussia Dortmund eine höhere Intensität? Sie stecken mit dem VfL Bochum fünf Spiele vor Saisonende mitten im Abstiegskampf.

Patrick Osterhage: Auf jeden Fall. Das müssen wir als Team auch reinbringen. Jeder muss eine Schippe drauflegen und im Spiel noch mal anziehen.

Fordert Trainer Thomas Letsch im Training diese höhere Intensität auch ein?

Na klar, es muss intensiv sein. Es heißt nicht umsonst: Man spielt so wie man trainiert. Im Training wird der Grundstein für das Spiel gelegt.

Macht es für Sie einen Unterschied, dass es am Freitag gegen den BVB und somit den Tabellenführer geht. Oder ist der Gegner egal?

Grundsätzlich ist es unerheblich, wie der Gegner heißt. Wir müssen gegen jede Mannschaft zweimal in der Saison spielen (das Hinspiel gewann der BVB mit 3:0, Anm. d. Red.). Auf der anderen Seite ist es ein Derby. Für die Stadt und die Fans ist das etwas Besonderes, aber auch für beide Mannschaften. In einem Derby kann alles passieren. So gehen wir auch ins Spiel. Wir wollen nach vorne spielen und die Punkte in Bochum behalten.

Sie spielen gegen Ihren Ex-Klub. Spüren Sie dieses Besondere auch bei sich selbst?

Es geht um den VfL Bochum und um unsere Punkte. Natürlich habe ich eine Dortmunder Vergangenheit. Aber am Ende ist es vollkommen egal, ob am Freitag der BVB oder eine andere Mannschaft zu uns kommt. Wir wollen so oder so alles raushauen.

Sie waren zwölf Jahre alt, als zuletzt – 2012 – der deutsche Meister nicht FC Bayern hieß, sondern Borussia Dortmund. Würden Sie sich nicht den BVB am Ende der Saison ganz oben wünschen?

Ganz ehrlich: Wir müssen auf uns gucken. Für uns ist es zweitrangig, ob am Ende der BVB oder die Bayern – oder wer auch immer – deutscher Meister wird. Kann sein, dass sich die Mehrheit in Fußball-Deutschland mal einen anderen Meister als die Bayern wünscht. Für unser Spiel gegen Dortmund ist das unwichtig.

Galerie: Das Restprogramm der Titelkandidaten

Zurück zur zunehmenden Intensität im Training. Diese Intensität erwartet man das ganze Jahr über. Haben Sie während der Saison irgendetwas in dieser Richtung versäumt, dass es derzeit nur zwei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz sind?

Wir waren der Abstiegskandidat Nummer eins, weil wir der Klub mit den geringsten finanziellen Mitteln sind. Die Anfangsphase verlief katastrophal, wir standen nach sechs Spielen ohne Punkt da. Wenn man es so betrachtet, dann haben wir jetzt keine schlechte Ausgangssituation. Sicher haben wir es in ein, zwei Spielen versäumt, uns einen größeren Vorsprung zu erarbeiten, den wir gerne gehabt hätten. Wir haben es trotzdem in der eigenen Hand und wollen die noch nötigen Punkte aus eigener Kraft holen.

Ihr habt in diesem Zuge eine Zeit lang auf eure Heimstärke setzen können. Zuletzt aber gab es ein 2:3 gegen Stuttgart und ein 1:5 gegen Wolfsburg. Wie sehr schmerzt vor allem die jüngste Niederlage noch?

Das war ein bitteres Spiel für uns. Wir haben es analysiert und unsere Fehler klar angesprochen. Wolfsburg hat die Chancen genutzt, wir nicht. Der Blick ging nach der kritischen Aufarbeitung aber sofort wieder nach vorne. Der Fokus liegt komplett auf der Herausforderung gegen Dortmund. Was war, ist sowieso nicht mehr zu ändern. Verlorenen Punkten nachzutrauern, bringt nichts.

Gegen Wolfsburg hat Torwart Manuel Riemann ein ganz blödes Tor bekommen. Zuvor hatte er eine Auseinandersetzung mit einem Fan. Wie steht es um sein Nervenkostüm? Haben Sie mit ihm gesprochen? Oder der Trainer?

Die Auseinandersetzung mit dem Fan war ja schnell abgehakt, da hat der Verein fix reagiert und sich schützend vor Manu gestellt. Wir werden in der Öffentlichkeit sicher nicht über die Fehler einzelner sprechen. Das macht der Trainer nicht, das machen wir als Mannschaft nicht. Wichtig ist, und da fange ich bei mir an, dass wir nach dem Spiel kritisch die eigene Leistung betrachten und uns als Mannschaft auf dem Platz gegenseitig unterstützen.

Schauen Sie persönlich auf das sogenannte Restprogramm? Oder ist das nur ein Spiel für die Medien?

Natürlich gucke ich, wen wir noch vor der Brust haben. Am Ende zählt nur das nächste Spiel, der kommende Gegner. Deshalb schauen wir erst mal auf Dortmund. Gegen jede Mannschaft, gegen die wir noch spielen, können wir gewinnen.

Galerie: Das Restprogramm der Abstiegskandidaten

Sie haben seit Ihrem Wechsel aus Dortmund zum VfL im Sommer 2021 bereits turbulente Zeiten erlebt. Im Sommer hielt sich das Gerücht, Trainer Thomas Reis habe Kontakt zu Schalke. Dann wurde er nach einigen Wochen entlassen, ging tatsächlich zu Schalke. Sie haben ihn im Kampf um den Klassenerhalt als Gegner wiedergetroffen. Wie haben Sie diese Situation empfunden?

Unseren Start in die Saison habe ich bereits beschrieben. Thomas Reis versucht, mit Schalke die Klasse zu halten, wir wollen, dass sie hinter uns bleiben. Wir konzentrieren uns auf unsere eigenen Aufgaben, denn wir können deren Ergebnisse nicht beeinflussen.

Sie kamen vor der Saison 2021/22 als Regionalliga-Meister aus Dortmund und haben in Bochum die Chance bekommen, in der Bundesliga zu spielen. Diese Chance haben Sie offensichtlich in Dortmund nicht gesehen.

Ich kam auch aus einer langen Verletzung, und mein Vertrag ist damals ausgelaufen. Ich wollte mich umorientieren. Die Perspektive, die mir Bochum geboten hat, war super. Von den ersten Gesprächen an hat es für mich gepasst. Deswegen habe ich mich für den Wechsel entschieden. In Dortmund hatte ich auch gute Gespräche. Letzten Endes aber musste ich für mich eine Entscheidung treffen. Das habe ich gemacht.

Wissen Sie, dass Sie nach Angaben des Portals transfermarkt.de Ihren Marktwert seit dem Wechsel verzehnfacht haben (von 200.000 Euro auf zwei Millionen Euro, Anm. d. Red.)?

Nein, das wusste ich nicht. Ich schaue aber in solche Portale nicht oft rein, lese allgemein nicht viele Nachrichten in den Medien. Ich spreche mit den Leuten, die mir inhaltlich etwas sagen können. Dazu gehört das Trainerteam. Der geschätzte Marktwert scheint aber ein Indikator dafür zu sein, dass ich spiele und meine Leistung bringe.

Worauf ich abhebe: Immerhin sind Sie Nationalspieler der U21. Mit Bochum aber wird es perspektivisch wohl immer um den Klassenerhalt gehen. Vielleicht wollen Sie irgendwann mal weiter oben mitspielen in der Bundesliga.

Ich habe meinen Vertrag gerade erst verlängert und bin langfristig an Bochum gebunden (bis 30. Juni 2026, Anm. d. Red.). Trotzdem weiß ich, wie schnell es im Fußball gehen kann. Ich konzentriere mich aber vorläufig auf meine Aufgaben beim VfL Bochum und den Klassenerhalt, den wir schaffen wollen. Unser Spiel am Freitag ist das Erste, woran ich denke. Alles andere – ob die Nationalmannschaft oder etwas anderes – ist gerade nicht in meinem Kopf.

Im Abstiegskampf sind klassische Tugenden gefragt, die ein Ruhrgebietsverein wie Bochum verkörpert: Die Fans wollen sehen, dass die Spieler Leidenschaft zeigen und sich einsetzen. Wie stehen Sie zu der Mentalitäts-Diskussion, die beispielsweise in Dortmund in dieser Saison lange geführt worden ist?

Das ist ein schönes Thema für die Medien. Für uns hier in Bochum ist es wichtig, als Team zusammenzustehen und diese Intensität immer auf den Platz zu bringen. Nur so können wir erfolgreich sein. Jeder muss für den anderen da sein und kämpfen. Das ist unsere Devise beim VfL Bochum.

Im Abstiegskampf können auch Entscheidungen des VAR den Ausschlag geben. Haben Sie sich an diese Eingriffe aus dem Kölner Keller gewöhnt?

Ein bisschen habe ich mich schon daran gewöhnt, dass fast nach jedem Tor irgendetwas überprüft wird. Für die Fans ist das nicht so schön. Aber wenn es beispielsweise um Abseits und auch schnell über die Bühne geht, dann trägt es zur Fairness bei. Und wenn es für uns gewertet wird, ist es umso besser. (lacht) Wenn es andersherum ist, regen wir uns auf. Ob man Fan des VAR ist oder nicht: Es ist so, wie es ist. Die ganze Saison über haben solche Entscheidungen über Spielausgänge und Platzierungen in der Tabelle entschieden und können es noch weiterhin tun.

Ein Themenwechsel zum Textil: Passen Ihnen eigentlich Ihre Stutzen noch?

Sie zielen wahrscheinlich darauf ab, dass sich viele Spieler in die Stutzen Löcher reinschneiden? Richtig?

Richtig.

Das machen viele, um sich mehr Platz in der Wadenregion zu verschaffen. Vielleicht ist es für viele Spieler auch ein Trend geworden. Einer hat mal damit angefangen, und die anderen machen es nach. Mir passen meine Stutzen noch. Aber ich habe auch nicht die dicksten Waden. Und deshalb habe ich damit keine Probleme.

Ehemals durften die Spieler die Stutzen einfach herunterrollen. Das geht heute nicht mehr, weil das Tragen von Schienbeinschonern vorgeschrieben ist. Und es kommt ein finanzieller Aspekt hinzu. Der VfL Bochum gehört zu den Vereinen, die nicht auf Rosen gebettet sind. Und wenn der Zeugwart zu jedem Spiel neue Stutzen anschaffen muss, geht das ins Geld ...

Könnte sein. Obwohl ich es in unserer Mannschaft noch nicht so oft gesehen habe. Bei anderen Vereinen spielt es vielleicht keine große Rolle, ob ein neuer Stutzen gekauft werden muss.

Wünschen Sie sich im Sommer Urlaub? Oder freuen Sie sich auf die EM mit der U21?

Natürlich wäre ich gerne dabei. Aber, wie schon angesprochen, will ich mich erst mal um die Ziele mit dem VfL kümmern und diese erreichen. Dazu gehört es, zu spielen und meine Leistung zu bringen. Dann erhöhe ich auch meine Chancen, bei der EM im Sommer dabei zu sein.

Verwendete Quelle:

  • transfermarkt.de: Seite zu Patrick Osterhage
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