Der mutmaßlich islamistisch motivierte Anschlag mit 14 Toten in St. Petersburg hat Russland schwer erschüttert. Doch nicht nur mit radikalen Muslimen hat Moskau ein Problem: Zuletzt demonstrierte die eigene Jugend gegen die Staatsführung – und auch außenpolitisch gibt es so manche Baustelle.

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Der Selbstmordanschlag in St. Petersburg hat Russland schwer getroffen. In der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin und Ministerpräsident Dmitri Medwedew tötete ein Attentäter aus der zentralasiatischen Republik Kirgistan 14 Menschen.

Der 22-Jährige soll Verbindungen zu radikal-islamistischen Gruppen gehabt haben, in einigen Medien wird über Kontakte zur Terrororganisation IS spekuliert. Islamisten aus der kaukasischen Republik Tschetschenien hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Attentate in Russland durchgeführt.

Die Führung des sogenannten "Kaukasus-Emirats", dem sich auch Radikale aus anderen Ex-Sowjetrepubliken angeschlossen haben, hat sich bereits 2014 dem sogenannten "Islamischen Staat" unterstellt.

Die Bedrohung durch den radikalen Islamismus ist allerdings nur einer von mehreren Brennpunkten, von denen sich Russland momentan herausgefordert sieht.

Islamismus

Russland ist aus zweierlei Gründen im Visier radikaler Islamisten: Tschetschenien und Syrien. Trotz – oder wegen – der Unterdrückung durch den russischen Statthalter Ramsan Kadyrow kämpfen radikale Gruppen in Tschetschenien weiter für einen Gottesstaat – mit terroristischen Mitteln.

Außerdem hat Putin durch seine Boden- und Luftunterstützung für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, den der IS bekämpft, den Zorn der Dschihadisten auf sich gezogen.

Tausende russische Staatsbürger sollen in Syrien und im Irak der Terrormiliz dienen.

Allein aus den früheren Sowjetrepubliken Zentralasiens sind es laut "Spiegel Online" 4.000 Kämpfer. Die russischen Sicherheitsbehörden sind wegen potenzieller Rückkehrer in ständiger Alarmbereitschaft. Zugleich versucht Putin, den 20 Millionen russischen Muslimen Brücken zu bauen. So öffnete 2015 in Moskau die größte Moschee Europas.

Ukraine-Krise

Außenpolitisch ist die Ukraine-Krise seit 2014 eine weitere Baustelle. Genauer gesagt, die Wirtschaftssanktionen der EU, die die russische Wirtschaft als Folge der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim und des Beginns der Kampfhandlungen pro-russischer Separatisten in der Ostukraine schwächen.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hätten die Strafmaßnahmen das Wachstum in Russland reduziert, die Euro-Zone sei im Gegenzug durch russische Sanktionen jedoch nicht geschwächt worden.

Auch die USA wollen ihre Russland-Sanktionen, zu denen Einreiseverbote und Vermögenssperren gehören, aufrechterhalten – bis die Krim an die Ukraine zurückgegeben wird.

Moskau hat sich zwar offiziell zum Friedensprozess in der Ukraine bekannt und strebt ein Ende der Sanktionen an. Über die Rückgabe der Krim will Putin allerdings nicht verhandeln.

Korruption und Proteste

Mehr als durch westliche Sanktionen wird die russische Wirtschaft durch den Verfall des Ölpreises getroffen, der den russischen Rubel enorm geschwächt hat.

Dadurch wird der Import ausländischer Waren immer teurer, die Folgen der Sanktionen machen zudem Unternehmern das Leben schwer. Zu größeren sozialen Protesten hat die schwierige wirtschaftliche Lage bislang aber nicht geführt.

Dafür brachte ein Korruptionsskandal um Ministerpräsident Medwedew Ende März Zehntausende Russen auf die Straße, vor allem junge Leute. Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hatte ein mutmaßliches Immobiliennetzwerk Medwedews offengelegt.

Der Beschuldigte selbst hat auf die Vorwürfe bislang nicht reagiert. Der Ministerpräsident könnte auf Dauer zur Belastung werden, noch stärkt Putin ihm aber den Rücken.

USA

Hinzu kommt das Verhältnis zu den USA. Im Vorfeld von Donald Trumps Wahl zum Präsidenten war in Moskau die Hoffnung auf ein freundschaftliches Verhältnis zur neuen US-Administration groß. Inzwischen deutet im Zuge der Hacker-Affäre immer weniger auf einen russlandfreundlichen Kurs Washingtons hin.

Trump bekannte sich dann doch zur Nato, ermahnte deren Mitglieder zu einer Erhöhung ihrer Militärausgaben, forderte die Rückgabe der Krim an die Ukraine und erteilte dem Ende der Russland-Sanktionen vorerst eine Absage.

"Moskau ist ernüchtert über den neuen Mann in Washington", kommentierte die "FAZ". Der Russland-Experte Stefan Meister sagte "Focus Online", er erwarte, "dass sich der Ton zwischen den Staaten verschärft". Bisher hatte Moskau eher abwartend reagiert.

Polen

Die Beziehungen zwischen Polen und Russland sind fast schon traditionell angespannt, unter anderem wegen der sowjetischen Besetzung von Teilen Polens im Zweiten Weltkrieg.

Aktuell fühlt sich Deutschlands östlicher Nachbar wie die baltischen Staaten wegen des russischen Vorgehens im Ukraine-Konflikt bedroht. Im April sollen zur Abschreckung gegen Russland 1.000 Nato-Soldaten im Nordosten Polens stationiert werden – was Moskau wiederum als Provokation betrachtet.

Streit gibt es auch weiterhin über den Flugzeugabsturz von Smolensk, bei dem 2010 unter anderem der polnische Präsident Lech Kaczynski ums Leben kam. Die konservative polnische Regierung macht Russland für den Absturz mitverantwortlich. Dort wird jede Beteiligung zurückgewiesen.

In Russland sitzt der Schock angesichts des Anschlages von St. Petersburg tief. Islamistische Terrorgefahr, Wirtschaftssanktionen, der Krieg in Syrien und innenpolitische Spannungen - Russland sieht sich momentan mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert.

Und nicht wenige davon, wird die Regierung nur im diplomatischen Dialog mit Europa und den USA lösen können.

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