Amerika schreitet zur Wahlurne. Heute ist es nach spektakulären Schlammschlachten der beiden Kandidaten Hillary Clinton und Donald Trump soweit. Einzelne Faktoren werden den Ausgang der Präsidentenwahl entscheiden – unsere Redaktion erklärt, welche.
"Ich könnte quasi mitten auf der 5th Avenue stehen und jemanden erschießen, und würde trotzdem keine Wähler verlieren."
Oder holen den 70-Jährigen eben seine provokanten Aussagen ein? In einer Zeit, in der die E-Mail-Affäre Widersacherin Clinton empfindlich zurück zu werfen droht? Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt USA-Experte Dr. Martin Thunert die Knackpunkte der US-Wahl 2016 – und deren Auswirkungen.
Clinton taugt eher zur Oberbefehlshaberin
Wenn es um Kompetenz geht, sei bei dieser Wahl alles umgekehrt, meint US-Kenner Thunert. "Den Demokraten wird in der Regel Kompetenz bei innenpolitischen Themen wie Wirtschafts- und Sozialpolitik zugewiesen, den Republikanern in außen- und sicherheitspolitischen Themen", schildert er.
Diesmal werde etwa oft Trump genannt, wenn es darum gehe, wer eher die Wirtschaft voranbringen könne. "Früher bekamen die Demokraten umgekehrt wenig Kompetenz in der Außenpolitik zugesprochen", erklärt er. "Clinton ist weniger impulsiv als Trump, war bereits Außenministerin, weswegen die Amerikaner aber eher ihr das Oberbefehlshaberamt zutrauen." Dieser Faktor spricht laut Experte Thunert für die sachlichere Clinton.
Trump beleidigt Familie eines gefallenen Soldaten
Anfang August tritt Khizr Khan, Vater eines gefallenen muslimischen US-Soldaten, auf dem Parteitag der Demokraten auf die Bühne und hält eine bewegende Rede. Khan erzählt die Geschichte seines Sohnes Humayun, der 2004 im Irak mit 27 Jahren bei einem Autobombenanschlag getötet wurde.
"Mein Sohn opferte sich für sein Land", sagt er in Richtung Trump wegen dessen Kritik an Muslimen: "Sie haben nichts und niemanden geopfert!" "Trump wiederum geht die Familie öffentlich an, meint, dass Frau Khan wohl hätte nichts sagen dürfen. In den USA gilt es aber als verpönt, Familien gefallener Soldaten zu beleidigen. Thunert sieht Trumps Aussetzer als markanten Fehltritt: "Er hatte seinen Aufschwung verspielt, den er sich beim Parteitag (der Republikaner, d. Red.) geholt hatte.
Access Hollywood Tape holt Trump ein
Dass Trump eine chauvinistische Sicht auf Frauen hat, ist lange bekannt. Doch als das sogenannte "Access Hollywood Tape" bekannt wird, fliegt ihm seine Einstellung regelrecht um die Ohren. Abfällig und sexistisch sind seine Äußerungen über Frauen. Anfang, Mitte September brechen die Umfragewerte des Republikaners regelrecht ein.
"Bei ihm kam der Absturz bei den Umfragewerten, als er in der ersten TV-Debatte richtig schlecht war und gleichzeitig das Access Hollywood Tape von 2005 rauskam", erklärt Thunert. "Als herauskam, dass er Frauen immer wieder unsittlich berührte und abfällig über sie redet."
"Obamacare"-Erhöhung kommt für Clinton ungünstig
Demokrat Barack Obama ließ einst Millionen Amerikaner pflichtversichern. Doch diese Krankenversicherung wird für viele Amerikaner ab Anfang kommenden Jahres richtig teuer. Dass die Erhöhung der Beiträge nun bekannt wurde, kommt für die Demokratin Clinton alles andere als günstig.
"Auch das erklärt ihren Abstieg in den vergangenen Tagen", sagt Thunert. "Viele Amerikaner, die sich unter "Obamacare" krankenversichert haben, haben die Nachricht erhalten, dass ihre Beiträge zum 1. Januar deutlich ansteigen werden. Das kommt ihr nicht entgegen."
Ermittlungen des FBI ziehen Clinton runter
Spät büßt Clinton in ihren Umfragewerten ein. Die E-Mail-Affäre, die sie nie los wird, kehrt Ende Oktober mit neuen Ermittlungen des FBI wieder. "Sie hatte einen guten Parteitag. Aber durch die Ermittlungen des FBI, die nun wieder eingestellt wurden, sind ihre Umfragewerte deutlich runtergegangen", erklärt Thunert.
Ihr würden auch immer wieder die Enthüllungen von Wikileaks zu ihrer Vermischungen von privaten und beruflichen Interessen zu der Zeit, als sie Außenministerin war, schaden, sagt er. "Dass diese Sachen rauskamen, zusammen mit den Ermittlungen des FBI, hat die größte Delle verursacht."
Die US-Wahl sei seitdem wieder offener, meint er. "Wobei sie immer noch einen Vorsprung in vielen Staaten hat. Aber es könnte eine Überraschung geben. Trump müsste aber mindestens noch einen größeren Staat umdrehen. Zum Beispiel Pennsylvania oder Michigan." Dass der umstrittene Republikaner Präsident werde, sei eben doch nicht mehr "so unmöglich, wie es noch vor vier Wochen aussah". Es bleibt spannend - bis zur ersten Hochrechnung. Mindestens.
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