• Friedrich Merz sieht die CDU in Schleswig-Holstein als Vorbild für den Bund: Die Partei müsse diverser werden.
  • Die SPD glaubt nach der herben Wahlschlappe im Norden weiterhin an einen Sieg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.
  • Dort wird am Sonntag gewählt - und das Rennen im bevölkerungsreichsten Bundesland ist deutlich knapper.

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Als "Genosse Günther" wurde Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther früher in konservativen CDU-Kreisen verspottet. Am Montag würde das Etikett "Vorbild Günther" besser zu ihm passen. Der 48-Jährige hat am Sonntag die Landtagswahl in Schleswig-Holstein klar gewonnen.

Bei der CDU-Pressekonferenz am Tag danach gerät Parteichef Friedrich Merz ins Schwärmen. Ein Wort fällt auffällig häufig: Günther sei ein überragender Ministerpräsident mit überragenden Beliebtheitswerten und einem überragenden Wahlsieg.

Karin Prien: "Diversität ist Überlebensfrage der CDU"

Merz betont seit Längerem, dass er die CDU weiblicher machen will. In diesem Ziel sieht er sich durch das CDU-Ergebnis im Norden bestätigt: Die Partei sei dort mit einer großen Zahl von Frauen angetreten. In der SPD-Hochburg Kiel-Ost eroberte Seyran Papo, Christdemokratin mit türkisch-kurdischen Wurzeln, das Direktmandat. Man habe in Präsidium und Vorstand besonders über das Thema Diversität gesprochen, sagt Merz: "Wir müssen uns breiter aufstellen. Das ist die Botschaft aus Schleswig-Holstein."

Wahlsieger Daniel Günther betont, dass die CDU in Schleswig-Holstein mit paritätisch besetzten Listen angetreten sei. "So ist es eben möglich, dass man auch in Städten über 40 Prozent holt." Seine Kultusministerin Karin Prien, die auch stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU ist, geht noch weiter: "Wir sind uns einig, dass Diversität für die CDU eine Überlebensfrage ist."

Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Parteichef hatten sich viele Mitglieder einen konservativeren Kurs erhofft. Doch der liberale Christdemokrat Günther steht für eine andere Strategie. Er setzt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, nennt Sicherheit und Klimaschutz gleichermaßen als wichtige CDU-Themen. Die Oppositionspartei SPD habe man in Zeiten der Corona-Krise in wichtige Entscheidungen eingebunden, betont er. "Diversität und Geschlossenheit sind das Erfolgsrezept in Schleswig-Holstein."

Betretene Mienen bei der SPD

Ein anderes Bild eine Stunde zuvor bei der SPD: Mit sichtlich betretenen Mienen stehen Parteichef Lars Klingbeil und Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller im Willy-Brandt-Haus. Man müsse gar nicht drumherum reden, sagt Klingbeil: "Das war kein schöner Abend für uns." Er will die Verantwortung für die Niederlage auch nicht auf die Genossen im Norden schieben: "Wir waren alle vor Ort, wir haben viel Unterstützung geleistet. Aber am Ende hat es nicht geklappt, mit der CDU in eine Wahlauseinandersetzung zu kommen."

Das schlechte Abschneiden erklärt die SPD in erster Linie mit der großen Popularität von Daniel Günther. Umfragen zufolge ist er der beliebteste Ministerpräsident Deutschlands. 75 Prozent der Menschen in Schleswig-Holstein waren mit der Arbeit der CDU-geführten Landesregierung zufrieden. Das galt einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD zufolge sogar für 68 Prozent der SPD-Anhängerinnen und -Anhänger. Die SPD habe auf Themen wie Digitalisierung, Bildung, Tariftreue und faire Mieten gesetzt, sagt Thomas Losse-Müller. Damit sei man aber nicht durchgedrungen.

Lars Klingbeil: "Lassen uns nicht aus dem Konzept bringen"

Lars Klingbeil will am Montag trotzdem Optimismus vermitteln: "Zur SPD gehört auch, dass wir uns von solchen Rückschlägen nicht aus dem Konzept bringen lassen." Am Sonntag steht schon die nächste Landtagswahl an: im bevölkerungsreichsten Bundesland und ehemaligen SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen.

Dort ist alles anders – das ist zumindest die Botschaft von Klingbeil. Erstens spielten sozial- und arbeitsmarktpolitische Themen dort eine andere Rolle. Zweitens sei die personelle Konstellation eine andere: In Nordrhein-Westfalen hat CDU-Amtsinhaber Hendrik Wüst weniger hohe Zustimmungswerte vorzuweisen als Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Wenn man den Ministerpräsidenten direkt wählen könnte, läge Wüst nur sechs Prozentpunkte vor seinem SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty. Das hat eine Umfrage von Infrastest dimap ergeben.

Klingbeil zieht eine Parallele zum Saarland: Dort musste CDU-Ministerpräsident Tobias Hans im März sein Amt an die Sozialdemokratin Anke Rehlinger abgeben. Hans konnte dort persönlich nicht überzeugen. "Das ist eine Gemeinsamkeit, die er mit Herrn Wüst hat. Der hat noch keine Wahl gewonnen, der hat noch keinen Amtsbonus", sagt Klingbeil. Der SPD-Chef erwartet einen "Zweikampf" an Rhein und Ruhr. Er sei "ziemlich sicher", dass Kutschaty der nächste Ministerpräsident werde.

Auch die CDU setzt auf Sieg in NRW

Bei der CDU sieht man das naturgemäß anders. Im Konrad-Adenauer-Haus treten am Montag nicht nur Friedrich Merz, Daniel Günther und Karin Prien vor die Presse, sondern auch Hendrik Wüst. Der Norden soll der CDU Rückenwind geben für die "kleine Bundestagwahl" in NRW am Sonntag. Merz gibt sich auch hier siegesgewiss: "Die Stimmung in Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Tagen noch einmal deutlich verbessert."

Gleichzeitig räumt er ein, dass das Rennen knapper ist. Merz wählt den gleichen Ausdruck wie Lars Klingbeil: Er sei "ziemlich sicher", in einer Woche an dieser Stelle wieder einen Sieg feiern zu können.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen von SPD und CDU
  • Infratest dimap: Nordrhein-Westfalen-Trend Mai 2022
  • Tagesschau.de: Wo die CDU punkten konnte - und die SPD nicht
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