• Die Linke liegt vor der Bundestagswahl in Umfragen bei rund sechs Prozent.
  • Doch selbst wenn die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte, ist ihr der Wiedereinzug ins Parlament fast sicher.
  • Eine wenig bekannte Besonderheit im deutschen Wahlrecht macht das möglich: die Grundmandatsklausel.

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Viel ist in den vergangenen Wochen und Monaten über Rot-Rot-Grün - oder Rot-Grün-Rot, die Reihenfolge ist ja eher Geschmacksfrage - debattiert worden. FDP und insbesondere Union haben schon früh im Wahlkampf bei jeder Gelegenheit das Linksbündnis als Schreckgespenst dargestellt, unter dem Deutschland pleite gehen, mindestens aber politisch verwahrlosen würde.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und seine Mitbewerberin Annalena Baerbock von den Grünen haben auf x-fache Nachfragen erklärt, warum ein Bündnis mit der Linke eigentlich ausgeschlossen ist, ohne es konkret auszuschließen. Und die Linke? Bringt sich vehement als mögliche Regierungspartei ins Spiel - nur mit ihr könnten demnach SPD und Grüne ihre Wahlversprechen einhalten. "Klar wie Kloßbrühe", sei es doch, "dass wir Teil einer Regierung sein wollen", sagt Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.

Worüber bisher kaum jemand gesprochen hat: Die Linke muss erst einmal den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Dass sie nämlich die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, ist bei Umfrageergebnissen um die sechs Prozent längst keine ausgemachte Sache. Bei SPD und Grünen gab es zuletzt sogar - natürlich ohne das öffentlich zu kommunizieren - eine kleine Hoffnung auf ein Ausscheiden der Linke. Dann wäre mit etwas Glück, so das Kalkül, eine rot-grüne Mehrheit denkbar.

Das Sicherheitsnetz der Linke heißt Grundmandatsklausel

Das deutsche Wahlrecht schiebt den rot-grünen Wunschträumen aber einen Riegel vor. Denn selbst wenn am Abend des 26. September beim Linke-Zweitstimmenergebnis eine vier vor dem Komma stehen sollte, wird die Partei mit einiger Sicherheit dem neuen Parlament angehören.

Das liegt an der sogenannten Grundmandatsklausel. Die besagt, dass Parteien ihrem Zweitstimmenergebnis entsprechend Abgeordnete ins Parlament entsenden dürfen, wenn sie mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnen. Das gilt auch, wenn sie eigentlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind. Allerdings kann eine solche Partei dann keine eigene Fraktion bilden, was notwendig ist, um etwa Gesetzesentwürfe einzubringen.

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Die Linke hat in der Vergangenheit schon einmal von der Klausel profitiert. 1994 erzielte ihre Vorgängerpartei PDS ein Zweistimmenergebnis von 4,4 Prozent. Weil aber vier Direktkandidaten der Partei ihre Wahlkreise direkt gewannen, zog die PDS dennoch mit insgesamt 26 Abgeordneten in den neuen Bundestag ein. Als die PDS 2002 erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, konnte ihr allerdings auch die Grundmandatsklausel nicht helfen, da sie nur zwei statt der nötigen drei Direktmandate holen konnte. Die Mandatsgewinnerinnen Petra Pau und Gesine Lötzsch waren im neuen Bundestag auf sich allein gestellt.

Auf die populären Politikerinnen könnte es nun wieder ankommen für die Linke. Denn sowohl Pau als auch Lötzsch kämpfen bei dieser Bundestagswahl wieder in ihren Ostberliner Wahlkreisen um den Direkteinzug ins Parlament. Laut dem Prognoseportal election.de haben beide gute Aussichten, als Siegerinnen aus dem Wahlkampf hervorzugehen. Weil außerdem der ewige Gregor Gysi seinen Wahlkreis Treptow-Köpenick quasi sicher gewinnen wird, ist der Wiedereinzug der Linke schon fast ausgemachte Sache.

Und selbst wenn eines der drei fast sicheren Direktmandate wider Erwarten doch nicht bei der Linke landen sollte, hat die Partei noch ein paar Joker. Im vierten Wahlkreis Ostberlins liegt Udo Wolf aussichtsreich im Rennen. Zudem hat Sören Pellmann in Leipzig sehr gute und Katja Kipping in Dresden immerhin passable Aussichten auf den Sieg.

Für die Zeit bis zum Wahlsonntag dürfte das bedeuten: SPD und Grüne brauchen sich keine Hoffnungen auf eine Zweierkoalition machen, die Union wird beständig vor einem Linksruck warnen - und die Linke sich weiter als Regierungspartei im Gespräch halten.

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