- Kurz nach der Entscheidung der Grünen zieht auch die CDU nach und nominiert Armin Laschet als Kanzlerkandidaten.
- Bis zuletzt hatte er mit CSU-Chef Markus Söder um die Kandidatur gekämpft. In Umfragen zur aktuellen Wählergunst zog Laschet allerdings den Kürzeren.
- Warum hat sich die CDU gegen den Kandidaten mit den besseren Umfragewerten entschieden? Politikwissenschaftler beantworten die wichtigsten Fragen.
Der CDU-Bundesvorstand hat sein Machtwort gesprochen:
Aber warum ist die Wahl auf Laschet gefallen? Schließlich war er derjenige, der in aktuellen Umfragen die schlechteren Werte einfuhr und auch aus der Fraktion kamen immer wieder Stimmen, die sich für Konkurrent Söder starkmachten. "Die Union hat sich für Laschet entschieden, weil sie sonst vermutlich einen neuen Parteivorsitzenden gebraucht hätte", meint Politikwissenschaftler Thomas König. Mit einer Wahl von Laschet sei sie deshalb vermutlich geschwächt in den Wahlkampf gegangen - auch wenn Söder populärer war.
K-Frage in der Union: Deshalb Laschet
Das glaubt auch Politikwissenschaftler Volker Prittwitz: "Laschet wurde vor drei Monaten in einem langen und mühsamen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess als Vorsitzender der CDU gewählt", erinnert er. Ihn nun nicht als Kanzlerkandidaten zu bestimmen, hätte nach Einschätzung des Experten den Eindruck erwecken können, die CDU würde sich selbst nicht respektieren. "Auch gegenüber einer oft besserwisserischen Partei und ihrem Vorsitzenden aus Bayern", ergänzt Prittwitz.
Experte König sieht noch weitere Gründe, die für Laschet sprachen: "Im Präsidium sitzen fast ausschließlich sogenannte Merkelianer. Laschet verkörpert die Fortsetzung der Merkel-Politik." Die Wähler, die zuvor von der CDU unter Merkel angesprochen worden seien, seien eher mit Laschet zu mobilisieren.
"Laschet gilt als Aufholer"
Prittwitz aber meint: "Laschet hat weit weniger mitreißende Wirkung als Söder". Deshalb steigen aus seiner Sicht die Chancen von Baerbock (Grüne), Kanzlerin zu werden. Die Umfrageinstitute sehen die Union und die Grünen zwischen vier (Forsa vom 14. April) und zehn Prozentpunkten (Forschungsgruppe Wahlen vom 16. April) auseinander. Die Union kommt dabei – je nach Umfrageinstitut – höchstens auf 29 Prozent, die Grünen auf 23 Prozent.
"Laschet gilt allerdings als Aufholer. Vielleicht schafft es die Union, durch die Schwäche der SPD, ja doch noch in eine Schwarz-Grüne Koalition mit Laschet als Kanzler", sagt Prittwitz. Dennoch gilt aus Sicht von Experte König: "Wer künftiger Kanzler wird, wird gar nicht so sehr am Kandidaten entschieden. Denn derzeit dominiert die Frage, ob der Impfengpass überwunden wird". Sollte das der Fall sein, dürfte aus Königs Sicht die Partei profitieren, die den Kanzler stellt – also die CDU. "Auch bei den Landtagswahlen haben immer die Spitzenkandidaten der machthabenden Partei gewonnen", kommentiert König.
Palette an Koalitionsoptionen
Es werde auch eine Rolle spielen, welche möglichen Regierungskoalitionen sich herausbildeten. "Wenn sich herauskristallisiert, dass die Grünen in Richtung einer Grün-Rot-Roten Koalition neigen, könnten sie dadurch verlieren - derzeit scheinen die Wähler nicht unbedingt linksorientiert zu wählen", mutmaßt der Experte.
Es sei aber generell schwierig, Prognosen zu geben, weil sehr viele verschiedene Konfigurationen denkbar seien und die Pandemie die Karten immer wieder neu mische: "Eine Koalition aus CDU und FDP scheint unwahrscheinlich, dann bliebe für die CDU die Möglichkeit mit den Grünen oder der SPD zu koalieren", analysiert König. Aber auch Dreierkonstellationen seien denkbar, ebenso wie eine Minderheitsregierung. "Denn das Führungspersonal der SPD wird mit großer Sicherheit nicht mehr mit der CDU in eine Regierung eintreten", sagt er.
Laschet- vs. Söder-Linie
Was aber wäre inhaltlich von einem Kanzler Laschet zu erwarten? Prittwitz sagt: "Ein Mann des Ausgleichs, der mit einer starken grünen Regierungskomponente vielleicht doch mehr bringt als Symbolik". König zeigt den Unterschied zu Söder auf: "Laschet hat immer wieder betont, wie groß die Ungleichheiten im Land in Folge der Krise sind. Wie man das wieder zusammenbringt, ist Laschets Linie – anders als Söder: Er hätte im Zusammenhang mit der Coronakrise vermutlich eher bürokratische Reformen angestoßen", meint König.
Durch die Wahl von Laschet erwartet er Unruhe in der Fraktion. "Die CDU hat viele Direktmandate. Manche Abgeordnete in der Fraktion, die Söder für kompetenter halten, bangen nun vielleicht um ihren Einzug in den Bundestag", sagt König. Die Fraktion sei deshalb auch gespaltener als das Präsidium gewesen. "Die dortigen Minister hängen nicht am Wahlkreis", erklärt der Politikwissenschaftler.
Angeschlagen nach Bayern?
Dass Söder angeschlagen aus dem Wettbewerb geht, glaubt König allerdings nicht. "Er hat seinen Hut in den Ring geworfen und um die Kanzlerkandidatur gekämpft. Er muss wegen der Niederlage aber nicht als bayerischer Ministerpräsident zurücktreten. Anders wäre es bei Laschet gewesen: Wenn er es nicht geworden wäre, wären die Konsequenzen viel größer gewesen", meint König. Laschet habe vielleicht seinen Parteivorsitz verloren und sei in NRW geschwächt gewesen.
Prittwitz sieht noch eine weitere Dynamik, die sich mit der Wahl von Laschet entfaltet: "Die CDU ist mit 200 von 245 Bundestags-Mandaten die weit stärkere der beiden Schwesterparteien in der Unions-Fraktion. Insofern erscheint Laschets Ernennung normal, und sein Streich, eine Entscheidung durch den CDU-Vorstand in der Nacht durchzusetzen, als Coup", sagt Prittwitz.
Experte erwartet Verwerfungen
Er erwartet noch erhebliche Verwerfungen: "Denn die Fraktion, die Landesverbände – die abgesehen von NRW und Schleswig-Holstein, wohl alle für Söder waren – und die eindeutigen Sympathien der großen Mehrheit der Wähler und Wählerinnen für Söder wurden nicht respektiert", sagt er. Ohnehin übt der Experte scharfe Kritik am Verfahren der Kandidatenkür: "Ich halte dieses Vorgehen für erkennbar undemokratisch, auch und gerade in einer Repräsentativen Demokratie", sagt Prittwitz.
Die häufig verwendete Bezeichnung "Machtkampf" sei zutreffend, weil es kein geordnetes Entscheidungsverfahren zur Bestimmung des Kanzlerkandidaten gegeben habe. "Ein solcher Machtkampf aber ist in einer demokratischen Fraktionsgemeinschaft keineswegs notwendig oder normal", sagt Prittwitz. Aus seiner Sicht sollte auch die Kanzlerkandidatur in einem festgelegten fairen Verfahren bestimmt werden. "Das wäre auch ein Lernprozess an Demokratie für viele Beobachter und Beobachterinnen", so Prittwitz.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Thomas König
- Interview mit Volker von Prittwitz
- "Wahlrecht.de": Sonntagsfrage Bundestagswahl.
Söder gibt auf: "Die Würfel sind gefallen"
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.