Was würde ein Wahlsieg von Donald Trump für Deutschland bedeuten? Sebastian Schäfer ist sich sicher: zumindest nichts Gutes. Der Grünen-Politiker ist Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Er blickt mit Sorge auf den scharfen US-Wahlkampf und die ideologischen Gräben in den USA. Trotzdem glaubt er, dass die Republikaner nicht so fest hinter Trump stehen, wie es scheint.
Würde es nach den Deutschen gehen, wäre das Rennen um die US-Präsidentschaft nicht annähernd so eng. Nur 12 Prozent würden dem Republikaner und Ex-Präsidenten
Schließlich galt das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA während Trumps erster Amtszeit als mehr als nur angespannt. Dass es bei einer Wiederwahl Trumps besser um die deutsch-amerikanische Freundschaft stehen würde, daran glaubt auch Sebastian Schäfer nicht.
Der Grünen-Politiker ist Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Ihm zufolge würde ein Wahlsieg Trumps nicht sofort alles verändern – doch gerade Deutschland könne er hart treffen. Aber selbst bei den Republikanern blicken laut Schäfer viele mit Sorgen auf eine Wiederwahl ihres eigenen Kandidaten.
Herr Schäfer, es sind nur noch wenige Wochen zur Wahl in den USA. Wie nehmen Sie den Endspurt im Rennen um das Weiße Haus wahr?
Sebastian Schäfer: Die Situation in den USA macht mir große Sorgen. Wir sehen eine extreme Polarisierung und Donald Trump außer Rand und Band. Das Rennen war immer eng und wird gerade noch enger. Es kann gut sein, dass es gerade in Swing States zu Zweit- und Drittauszählungen kommt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir in der Wahlnacht oder am nächsten Morgen das endgültige Ergebnis der Präsidentschaftswahlen noch nicht kennen. Was in dieser Situation passiert, ist für mich schwer einzuschätzen.
Was würde ein erneuter Wahlsieg Trumps für Deutschland bedeuten?
Da gibt es zwei große Themen – das erste heißt Sicherheit. Trumps Politikansatz ist transaktionsorientiert – er will "Deals" machen, unabhängig von langfristigen Folgen. Auch wenn ich nicht glaube, dass Trump aus der NATO austreten würde, wäre unser Bündnis doch geschwächt. Als Europäer müssen wir ohnehin mehr Verantwortung übernehmen. Diese Entwicklung würde dadurch extrem beschleunigt werden.
Und das zweite Thema?
Das wären die wirtschaftlichen Auswirkungen. Die wären für unseren im Moment ohnehin geschwächten Wirtschaftsstandort, der so stark in den globalen Handel eingebunden ist, sicherlich groß. Zölle, die Trump als Wundermittel für die amerikanische Wirtschaft sieht, würden gerade uns als Exportnation hart treffen. Ganz besonders Länder wie Baden-Württemberg.
In den vergangenen Monaten wurde politisch viel darüber diskutiert, Deutschland müsse sich auf einen Wahlsieg Trumps vorbereiten. Was ist diesbezüglich passiert?
Wir sprechen als Parlamentariergruppe in unseren Sitzungen sehr viel über dieses Thema. Die Bundesregierung trifft Vorbereitungen. So wurde der Kontakt zu den US-Gouverneuren von der Bundesregierung und dem Parlament in den letzten Jahren erheblich verstärkt. Dazu suchen wir den Austausch mit Senatoren und Kongressabgeordneten, insbesondere von republikanischer Seite. Es ist zentral, dieses Netzwerk weiter auszubauen, weil wir so unsere Interessen an die USA vermitteln.
Das klingt nicht sonderlich konkret.
Das Problem mit Trump ist, dass seine Art, Politik zu betreiben, erratisch ist. Man kann sich deshalb nicht in allen Bereichen und in letzter Konsequenz auf ihn vorbereiten, weil man nicht weiß, was er am Ende tun wird. Das geht auch unseren US-amerikanischen Kollegen so. Sogar den Republikanern.
Also abwarten und Tee trinken?
Abwarten und kluge Vorbereitungen treffen. Es ist ja nicht so, dass ein Wahlsieg Trumps über Nacht alles verändert. Joe Biden bleibt schließlich bis zum 20. Januar Präsident. Aber natürlich müssen wir die Situation genau beobachten, um im Zweifel mit der Bundesregierung und als Parlament schnell reagieren zu können.
Viele befürchten, dass Trump im Falle eines Wahlsiegs den Rechtsstaat in den USA abbauen könnte. Wie hoch schätzen sie diese Gefahr ein?
Es steht mir nicht zu, darüber als Vorsitzender der US-Parlamentariergruppe zu spekulieren. Ich will die Frage deshalb anekdotisch beantworten. Vor zwei Jahren war ich in Washington und konnte dort einen Prozess gegen einen Vater und seinen Sohn verfolgen. Das Duo war am 6. Januar ins Kapitol eingebrochen. Der Richter in dem Fall war von Trump ernannt worden. Trotzdem hat er Vater und Sohn zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Das hat mein Vertrauen in die "Checks and Balances" im amerikanischen Rechtsstaat gestärkt.
Der Fall wurde aber unter den heutigen Bedingungen verhandelt. Kritiker befürchten, dass Trump das demokratische System in den USA aushöhlen könnte. Etwa nach der im "Project 2025" skizzierten Blaupause, oder mit Gewalt gegen politische Gegner. Was sagen Republikaner, dazu, wenn Sie diese Dinge ansprechen?
Oft wird das heruntergespielt. Es gibt einen Teil der Partei, der sich von diesen MAGA-Fantasien viel verspricht. Hinter den Kulissen wird oft deutlicher benannt, dass man sich große Sorgen um das Land macht. Zu rechtfertigen, dass Trump die Gewalt vom 6. Januar als "Tag der Liebe" beschreibt, fällt auch innerhalb der Partei vielen schwer. Auch mit Blick auf den Rechtsstaat bestehen bei manchen Sorgen. In seiner ersten Amtszeit hat der Staatsapparat Trump teils noch ausgebremst. Mit der Vorarbeit wie sie die "Heritage Foundation" in dem von Ihnen angesprochenen Project 2025 vorgelegt hat, ist Trump heute anders aufgestellt. Das besorgt mich.
Trotzdem haben sich die Trump-Anhänger in der Partei durchgesetzt und tragen seinen Kurs mit.
Es täuscht, wenn dieser sehr laute Trump-Kurs das Einzige ist, was von der republikanischen Partei noch bei uns ankommt. Da gibt es schon noch andere Stimmen. Die "Republicans against Trump"-Bewegung ist ja so klein auch nicht. Ich glaube, viele sehnen sich zurück zu der "Grand Old Party", die die Partei einst war. Die haben den MAGA-Kurs mit der Faust in der Tasche mitgetragen, weil er Erfolg gebracht hat.
Klingt, als hätten Sie die Hoffnung, dass die Partei einen gemäßigteren Kurs einschlägt, wenn Trump verliert.
Ich bin den Vereinigten Staaten auch biografisch eng verbunden, da kann ich die Hoffnung nicht aufgeben. Aber die Dynamiken in einer Partei richtig zu deuten, das fällt mir manchmal schon bei meiner eigenen schwer genug. Die Frage, wie die Zukunft ihrer Partei aussieht, wenn Harris gewinnt, können selbst die Republikaner derzeit nicht beantworten. Selbst wenn die Trump-Zeiten dann vorbei sind: Was folgt darauf? Geht es dann eher in die Richtung des Kurses von Nikki Haley? Oder wird JD Vance der neue Kronprinz? Was machen dann die republikanischen Gouverneure? Diese Prognose traue ich mir Stand heute nicht zu.
Kamala Harris hat angekündigt, im Falle ihres Wahlsieges ein parteiübergreifendes Beratergremium einzuberufen. Auch will sie einen Republikaner in ihr Kabinett holen. Ein erster Schritt, um auch die Gespaltenheit in der amerikanischen Gesellschaft zu bekämpfen?
Ich halte das für klug. Die Gräben in den USA sind tief. Kamala Harris hat absolut recht, ein starkes Signal des Zusammenhalts im Kabinett senden zu wollen. Ich würde mir das auch für unser Land mehr wünschen. Auch bei uns gibt es politische Gräben. Wir sollten als politische Mitte des Landes zusammenkommen, um gemeinsame, breit getragene Lösungen zu finden. Die Zeiten sind ernst.
Über den Gesprächspartner
- Sebastian Schäfer wurde 1979 im bayerischen Dettelbach geboren. Er studierte Staatswissenschaften und Philosophie sowie Wirtschaftswissenschaften unter anderem auch an der University of California in Berkeley. Seit 2021 sitzt er für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Dort ist er unter anderem Obmann der Grünen-Fraktion im Haushaltsausschuss und Vorsitzender der Parlamentariergruppe Deutschland-USA.
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