In der Coronakrise ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schon mehrmals mit Gegenmaßnahmen vorgeprescht. Am Sonntag kam es deshalb zum Streit mit NRW-Landeschef Armin Laschet. Befinden sich beide in einem Überbietungswettbewerb um das beste Krisenmanagement?

Eine Analyse

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Jedes Bundesland macht sein eigenes Ding. So war lange der Eindruck in der Coronakrise – zumindest bis Sonntag. Der Eindruck, es gebe ein Sammelsurium an unterschiedlichen Gegenmaßnahmen, sollte beendet werden. Eine Lösung statt 16 einzelne.

Tatsächlich beschlossen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten zusammen weitere und beispiellose drastische Beschränkungen, die die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen sollen. So werden deutschlandweit in der Öffentlichkeit Ansammlungen von mehr als zwei Personen für zunächst zwei Wochen verboten. Auch Restaurants müssen schließen, Friseurläden werden dicht gemacht.

Doch der Weg zum Beschluss soll "rumpelig" verlaufen sein, wie es die ARD-Hauptstadtstudio-Leiterin Tina Hassel in der "Tagesschau" beschrieb. Demnach sollen sich während der gemeinsamen Telefonkonferenz vor allem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und sein bayerischer Amtskollege Markus Söder beharkt haben. "Bei der Schaltkonferenz soll es zeitweilig hoch hergegangen sein", berichtete Hassel unter Berufung auf Teilnehmer.

Laschet und Söder stehen an der Spitze der Bundesländer, die – zusammen mit Baden-Württemberg – am heftigsten von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind. Doch beide Männer schielen auch auf die Kanzlerkandidatur der Union für die Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Aber befinden sich der Chef des mächtigsten CDU-Landesverbands und der CSU-Vorsitzende tatsächlich in einem Überbietungswettbewerb, wer am adäquatesten und am schnellsten auf die Krise reagiert? Oder geht es angesichts der weiter exponentiell steigenden Infiziertenzahlen nicht eher darum, so viele Menschen wie möglich zu schützen?

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Auch in der Krise geht es nicht ohne Machtpolitik

Die Antwort liegt vermutlich irgendwo in der Mitte. Auch in der Krise geht es nicht ohne Machtpolitik. Klar ist, in der K-Frage schadet es nicht, auch ein guter Krisenmanager zu sein. Das beste Beispiel dafür ist Gerhard Schröder: Beim Umgang mit dem verheerenden Oder-Hochwasser 2002 konnte sich der SPD-Politiker profilieren und in der Bundestagswahl Unions-Herausforderer Edmund Stoiber "versenken", wie es die "Welt" ausdrückte.

Allerdings hatte Schröder keine andere Wahl: In Entscheiderpositionen werden Entscheidungen erwartet – genauso wie nun sowohl von Laschet als auch von Söder (angesichts dessen verblassen derzeit natürlich Friedrich Merz und Norbert Röttgen).

Der CSU-Chef steht aufgrund der geografischen Nähe zu den vom Robert-Koch-Institut deklarierten Corona-Risikogebieten Italien und dem österreichischen Bundesland Tirol unter einem ganz anderem Handlungsdruck als die meisten anderen Ministerpräsidenten. Laschet wiederum hat mit dem Landkreis Heinsberg das einzige innerdeutsche Risikogebiet zu managen.

Länder unter Zug- und Handlungszwang

Die Wahrnehmungen der beiden unterscheiden sich aber: Laschet agiert in der Coronakrise zurückhaltend, teils abwartend, fast harmlos. Ganz anders Söder.

Viele Bundesländer teilen offenbar den Eindruck, dass der CSU-Chef vorprescht. So war es bei den Ausgangsbeschränkungen am Freitag und ebenso eine Woche zuvor bei den Schul- und Kitaschließungen. Die anderen Ministerpräsidenten zogen sukzessive nach – unter Zug- und Handlungszwang?

In der Telefonkonferenz am Sonntag wollten die Teilnehmer deshalb einen Katalog gemeinsamer, bundesweiter Regeln im Kampf gegen das Coronavirus schaffen – was nach dem Vernehmen nach heftigen Streit am Ende auch gelang.

Laschet kontert Söder

Was war passiert? Laschet habe Söder massiv attackiert, weil dieser "ohne Absprache" mit dem Bund und den anderen Ländern eigene Maßnahmen mit Ausgangsbeschränkungen für Bayern verordnet hatte. Söder habe daraufhin laut "Bild"-Zeitung damit gedroht, die Schalte zu verlassen.

Auf bundesweite Ausgangsbeschränkungen konnten sich Bund und Länder bei ihrer Telefonkonferenz nicht einigen. Laschet wollte vielmehr Söders zwei Tage zuvor für Bayern verkündeten Maßnahmenplan mit einem eigenen Vorschlag für ganz Deutschland kontern. Es war sein Versuch, aus dem Schatten Söders herauszutreten, in dem er die vergangene Woche stand. Laut "Spiegel" legte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zusammen mit elf anderen Bundesländern ein Papier vor.

Auf diesen Vorstoß soll Söder wiederum gereizt reagiert haben, weil er diesen gar nicht kannte. Bayern sei über den Verlauf "irritiert" gewesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Laschet habe sich bisher in der Debatte immer sehr zurückgehalten und gezögert. Man vermute daher ein anderes Motiv, es gehe Laschet wohl mehr um seine persönlichen Ambitionen als um die Coronakrise, hieß es. Das ist der Spin aus Bayern, bei dem der CDU-Mann ungewohnt offensiv attackiert wird.

Der Kompromiss sah dann am Ende allerdings ganz anders aus: Das Laschet-Papier wurde wohl in der Konferenz nicht weiter verfolgt. Aber auch nicht die von Söder favorisierte strenge Gangart (wobei Bayern weiterhin einen Sonderweg geht). Vielmehr machte Merkel ein eigenes Papier zur Grundlage für den finalen Beschluss.

Den präsentierte allerdings Laschet noch vor der Kanzlerin als einer der ersten der Öffentlichkeit – Söder musste diesmal reagieren.

Mit Material der dpa.

Neue Regeln für alle: Kontaktverbot im Kampf gegen das Virus

Bund und Länder einigen sich in einer Telefonkonferenz auf weitere drastische Maßnahmen, um die Verbreitung des Coronavirus effizienter zu verhindern. © ProSiebenSat.1
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