In Berlin, Köln und Frankfurt am Main sollen türkische Schulen entstehen. Derzeit verhandeln Deutschland und die Türkei über ein entsprechendes Rahmenabkommen, bei dem im Gegenzug die Zukunft von drei deutschen Schulen in der Türkei sichergestellt werden soll. Politiker warnen vor einem möglichen "Einfallstor" für den autoritären türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.
Die Türkei will drei Auslandsschulen in Deutschland gründen. Als Standorte sind Berlin, Köln und Frankfurt am Main im Gespräch – jeweils Städte mit vielen türkischen und türkischstämmigen Bürgern. Ankara verhandele aktuell mit der Bundesregierung über ein Abkommen, das die Gründung dieser Schulen ermöglichen solle. Das geht aus einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) hervor, die sich auf Informationen aus dem Auswärtigen Amt beruft.
Das Vorhaben ist nicht unumstritten. Es müsse sichergestellt werden, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Auslandsschulen "nicht als Einfallstor nutzen kann, Menschen mit türkischen Wurzeln in einem Sinne zu beeinflussen, der nicht unseren freiheitlichen Vorstellungen entspricht", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Peter Heidt unserer Redaktion.
Özdemir: "Erdogans Ideologie hat im Lehrplan nichts verloren"
Auch die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen sieht die Pläne skeptisch. Sie warnt in einer Stellungnahme an unsere Redaktion davor, dass an den Schulen türkische Landeskunde und Geschichte nach Lehrplänen aus Ankara unterrichtet werden soll. "Das ist Gift für die Integration und Demokratie in Deutschland", erklärt die Bundestagsabgeordnete auch mit Blick auf die von Ankara kontrollierten Ditib-Moscheen. "Jede Schule mit Erdogan-Propaganda in Deutschland ist eine Schule zu viel."
FDP-Politiker Heidt: "Keine Ausnahmen für die Türkei"
Ein bilaterales Abkommen soll laut SZ den rechtlichen Rahmen für die drei türkischen Schulen in Deutschland regeln. Diese sollen analog zu drei deutschen Auslandsschulen in Ankara, Istanbul und Izmir gegründet werden. "Ich möchte einfach nur, dass die für alle Auslandsschulen bei uns geltenden Regeln der jeweiligen Bundesländer auch bei der Türkei eingehalten werden und keine Ausnahmen für die Türkei gemacht werden", betont Heidt, der FDP-Obmann im Menschenrechtsausschuss ist.
Die Bundesregierung will die Schulen nur ermöglichen, wenn sie deutschem Recht unterliegen. Sie müssten sich an die jeweiligen Bildungsgesetze der Länder halten und von der Schulaufsicht kontrolliert werden, sagte Außenminister Heiko Maas im RTL/ntv-Interview.
Türkei darf nicht selbst als Schulträger auftreten
Die Türkei darf – ebenso wie andere Staaten – nicht selbst als Schulträger in Deutschland auftreten. Diese Rolle müssten private Vereine übernehmen, die die sogenannten Ersatzschulen betreiben. So werden Privatschulen bezeichnet, die zwar selbst Lehrmethoden wählen und Personal einstellen dürfen, aber Lerninhalte vermitteln, die denen in öffentlichen Schulen gleichwertig sind. Sie benötigen eine staatliche Genehmigung und unterstehen den jeweiligen Landesgesetzen.
"Für Erdogans Antidemokraten darf es null Toleranz geben und nicht auch noch deutsche Steuergelder, wie dies bei den türkischen Schulen in Berlin, Köln und Frankfurt am Main beabsichtigt ist", kritisiert Linken-Politikerin Dagdelen.
Etwas anderes sei es, erklärte Özdemir, "zusätzlich – aber nie ausschließlich - Lernangebote für die reiche türkische Sprache und Kultur anzubieten". Deutsch müsse für alle Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland leben, die wichtigste Sprache sein, "aber nichts spricht dagegen, an Schulen neben der deutschen Amtssprache vermehrt auch andere in unserem Land gesprochene Muttersprachen anzubieten".
Verhandlungen seit Sommer 2019
Die Verhandlungen zwischen Ankara und Berlin laufen dem Bericht zufolge bereits seit vergangenem Sommer. Ausgelöst wurden sie demnach durch die vorübergehende Schließung der deutschen Schule in Izmir durch türkische Behörden ein Jahr zuvor. Das türkische Erziehungsministerium hatte erklärt, dass der Schule die rechtliche Grundlage fehle.
Dagdelen zufolge würde es die aktuellen Verhandlungen geben, "weil Erdogan droht, deutsche Schulen in der Türkei zu schließen". Sie bemängelt: "Grundsätzlich darf Erpressung keine Grundlage für die Eröffnung von Privatschulen in Deutschland sein."
Vergleichbare Abkommen gibt es nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amtes bereits mit mehr als 20 Staaten.
Mit Material von AFP und dpa.
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