"Heute im polnischen TV", verlauten einige Beiträge im Netz: Angeblich soll die Ukraine unter ihren Nachbarstaaten aufgeteilt werden. Das polnische Video, das das belegen soll, wurde aus dem Kontext gerissen: Es zeigt einen alten TV-Bericht, in dem es um den "Vorschlag" eines russischen Politikers ging, den das polnische Außenministerium ablehnte.

Ende März tauchte in sozialen Netzwerken ein Ausschnitt aus einer polnischen Nachrichtensendung auf. Im 15-sekündigen Clip ist eine Landkarte der Ukraine und ihrer Nachbarländer zu sehen, nacheinander werden Teile des Landes in den Farben der Nachbarländer eingefärbt. Beiträge auf Telegram, Twitter, TikTok und Facebook behaupten, das Video sei aktuell, die Karte zeige, dass der "gesamte Süden und Osten der Ukraine zu Russland" gehören werde. Der westliche Teil werde sich Polen "anschließen", kleine Teile gingen an Rumänien und Ungarn.

Unsere Recherche zeigt: Das Video ist nicht aktuell, sondern stammt aus dem Jahr 2014. Es ist ein Ausschnitt aus einem Beitrag eines polnischen TV-Senders über den Vorschlag eines russischen Politikers. Der Politiker schlug unter anderem Polen vor, per Referendum über die Aufteilung der Ukraine abstimmen zu lassen – ernst nahm ihn die polnische Regierung nicht.

Online verbreitet sich die Behauptung, die Ukraine solle zwischen Polen, Rumänien, Ungarn und Russland aufgeteilt werden. Das ist falsch. © Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck

Video stammt aus dem Jahr 2014 und zeigt keinen Plan, sondern Vorschlag eines russischen Politikers

In dem Videoclip im Netz ist das Logo des polnischen Nachrichtensenders TVP1 zu erkennen. Zu hören ist aber nicht das, was in den Beiträgen behauptet wird – die Sprecherin spricht auf Polnisch erst über den "Beitritt zu unserem Gebiet” und sagt dann (mit DeepL übersetzt): "[…] Ungarn und Rumänien haben ein ähnliches Angebot erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, welche Regionen Russland noch für sich beanspruchen möchte, aber nur die zentrale Region würde innerhalb der Grenzen der heutigen Ukraine bleiben."

Mit einem Bild aus dem Video und dem Namen des Senders haben wir eine Bilderrückwärtssuche durchgeführt, um herauszufinden, ob das Video aktuell ist. So stießen wir auf den originalen Bericht des polnischen TV-Senders. Er stammt vom 23. März 2014, ist also, anders als in sozialen Netzwerken behauptet, nicht aktuell.

In dem Artikel ist ein etwas mehr als 3-minütiges Video eingebettet, welches unter anderem die Karte zeigt, die nun online kursiert. In dem Text zu dem Video heißt es, der mittlerweile verstorbene und von Medien als Ultranationalist beschriebene russische Politiker Wladimir Schirinowski habe Polen, Ungarn und Rumänien vorgeschlagen, Referenden abzuhalten, um mehrere Teile der Ukraine in ihr Staatsgebiet aufzunehmen.

Das polnische Außenministerium habe das Schreiben von Schirinowski als "skurril" bezeichnet, berichtete TVP1. Er erhalte eine "höfliche Antwort", auf den Inhalt seines Schreibens werde man aber nicht eingehen.

Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen zum Krieg in der Ukraine im Live-Ticker

Polnischer Bericht wird seit Jahren irreführend verbreitet

Über den Vorschlag Schirinowskis im März 2014 berichteten zahlreiche Medien (hier, hier und hier), kurz zuvor hatte Russland völkerrechtswidrig die Krim annektiert. Der Standard schrieb, die polnische Regierung habe sich über den Vorschlag "amüsiert" gezeigt. Ein Sprecher des Außenministeriums habe gegenüber dem polnischen Staatssender TVN Info gesagt: "Das Angebot ist so kurios, dass niemand es als ernsthaft betrachtet".

Bilder der Karte aus dem polnischen TV-Bericht kursieren bereits seit Jahren in unterschiedlichen Formen im Internet – sie wurde auch in Medienberichten auf bosnisch und russisch aufgegriffen. Die Webseite EU vs Disinfo berichtete zum Beispiel im Juni 2021 über die Behauptung, vor allem mit Blick auf das Verhältnis zwischen Ungarn und der Ukraine. Die Nachrichtenagentur AFP veröffentlichte im Mai 2022 einen Faktencheck auf Serbisch zu der Behauptung und die polnische Webseite Fakehunter widmete sich dem Fake im März 2023.

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

CORRECTIV ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und vielfach ausgezeichnetes Recherchezentrum. Die investigativen Journalisten recherchieren langfristig zu Missständen in der Gesellschaft, wie dem Cum-Ex-Steuerraub oder illegaler Parteifinanzierung.
Eine eigene Faktencheck-Redaktion - CORRECTIV.Faktencheck - überprüft irreführende Behauptungen und Gerüchte in den sozialen Medien. Die Faktenchecker erklären, wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschmeldungen schützen können.
Alle zwei Wochen erhalten Sie die neuesten Faktenchecks zu Gerüchten im Netz direkt in Ihr Postfach: Abonnieren Sie hier den CORRECTIV Newsletter
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.