Nach mehr als 20 Monaten Kampf gegen die russischen Invasoren will die Ukraine konkrete Aussichten auf einen EU-Beitritt. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, warum das für die Menschen wichtig sei. Ein Überblick zur aktuellen Lage im Krieg in der Ukraine und ein Ausblick auf den Tag.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit Nachdruck den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen als Motivation für sein Land im Kampf gegen die russische Aggression gefordert. "Motivation ist auch eine Waffe. Und sie muss geladen werden", sagte Selenskyj in seiner am Dienstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft.

"Wir erwarten diese kraftvolle Aufladung der ukrainischen Motivation: die Bereitschaft seitens der EU, die Verhandlungen mit der Ukraine zu beginnen." Dazu brauche es eine politische Entscheidung, damit die Verhandlungen bis Ende dieses Jahres beginnen können.

Selenskyj: Das ukrainische Volk braucht eine konkrete Perspektive

Auch die Bürger und die Soldaten im Krieg bräuchten diese Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft. "Schritt für Schritt bewegen wir uns auf einen historischen Meilenstein in unserem Verhältnis mit Europa zu", sagte Selenskyj.

Er war am Dienstag auch per Video zu einer Sitzung der EU-Kommission unter Leitung von Präsidentin Ursula von der Leyen zugeschaltet. Dabei hatte Selenskyj betont, dass die Ukraine trotz des Krieges eine Vielzahl an Aufgaben wie den Kampf gegen Korruption als Bedingung für den Start von Verhandlungen in Angriff genommen habe.

Es gebe bedeutende gesetzliche Neuerungen und die nötigen Schritte zum Aufbau von Institutionen. Er hoffe, dass die EU das sehe und den Startschuss für die Verhandlungen gebe, sagte Selenskyj. In seiner abendlichen Videoansprache bedankte er sich einmal mehr auch bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der beim 6. Deutsch-Ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin Kiew am Dienstag langfristige Unterstützung beim Wiederaufbau zugesagt hatte.

Selenskyj richtet sich auch an Einwohner der Krim und anderen besetzten Gebieten

Selenskyj wandte sich in seiner Videoansprache auch an die Bewohner der von Russland bereits 2014 unter Bruch des Völkerrechts annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und an die Bürger in anderen von Moskau kontrollierten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine. "Sie alle spüren, dass die russische Präsenz in unserem Land nicht von Dauer ist. Ich weiß das", sagte er. Die Ukraine werde ihre Gebiete samt der Menschen dort zurückerobern. "Wir werden niemanden zurücklassen. Wir nutzen alle Mittel, um sicherzustellen, dass dieser Krieg mit einer Niederlage der Besatzer endet."

Der ukrainische Präsident hatte am Dienstag auch in einer Videoansprache bei einer Konferenz der Krim-Plattform betont: "Russlands Niederlage bedeutet Sicherheit für Europa." Er sagte bei dem Treffen der Ukrainer-Unterstützer in Prag, dass die Krim auch zurückerobert werden müsse, um die Menschen dort von russischer Unterdrückung zu befreien. Fast zehn Jahre nach der Annexion der Krim würden die pro-ukrainischen Strömungen auf der Halbinsel inzwischen immer stärker, sagte Selenskyj. Die Atommacht Russland hatte immer wieder betont, die Krim mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.

Nur noch etwa 1.000 Zivilisten in ostukrainischer Stadt Awdijiwka

Russland setzte seinen Krieg indes unvermindert fort. In der schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Awdijiwka befinden sich nach Angaben aus Kiew noch immer rund 1000 Zivilisten. Darunter seien keine Kinder mehr, sagte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Dienstag im örtlichen Nachrichtenfernsehen. Sie forderte die Verbliebenen nachdrücklich dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen. Vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatte die inzwischen stark zerstörte Industriestadt im Gebiet Donezk noch über 30 000 Einwohner.

Russische Truppen sind in den vergangenen Tagen vor allem nördlich von Awdijiwka bis an eine Bahnlinie vorgerückt. Eine umkämpfte Abraumhalde der städtischen Kokerei scheint übereinstimmenden Berichten zufolge inzwischen unter russischer Kontrolle zu sein.

Ukrainische Einheiten halten demnach noch einen Verbindungskorridor von etwa zehn Kilometern Breite. Die Nachschubwege aus dem ukrainisch kontrollierten Gebiet werden ständig beschossen.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 20 Monaten gegen die russische Invasion. Nahe Awdijiwka verlief bereits seit 2014 die Frontlinie zu den von Moskau unterstützten Separatisten. Die russisch kontrollierte Gebietshauptstadt Donezk liegt nur wenige Kilometer südlich von Awdijiwka.

Was am Mittwoch wichtig wird

Die ukrainischen Streitkräfte setzen mit westlicher militärischer Unterstützung ihre Offensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fort. Ziel Kiews ist es, die Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk wieder komplett unter ukrainische Kontrolle zu bringen und auch die Krim zurückzuerobern. (dpa/ank)

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