Trotz schwerer Spannungen steht ein Abzug der Bundeswehr aus dem Irak nicht zur Debatte. Der Kampf gegen die Terrormiliz IS soll fortgesetzt werden.

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Die Bundesregierung will den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak ungeachtet der wachsenden Spannungen nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani fortsetzen. "Der Irak darf nicht im Chaos versinken. Und schon gar nicht darf der Irak unter die Kontrolle von Extremisten geraten", erklärte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Samstagabend nach Regierungsberatungen und einer Unterrichtung der Obleute im Bundestag. Es sei wichtig, im Kampf gegen den IS jetzt nicht nachzulassen. Deutschland werde gemeinsam mit den Partnern den IS weiter bekämpfen und Beiträge zur Stabilisierung der Region leisten.

Oppositionspolitiker hatten einen Abzug der etwa 120 Bundeswehrsoldaten aus dem Irak gefordert. Zur Lage in dem Land gab es am Samstag eine Telefonschaltkonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Verteidigungsministerin, Außenminister Heiko Maas (SPD), dem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und dem Kanzleramtsminister. Verteidigungsministerin und Außenminister unterrichteten die Obleute der Fraktionen im Bundestag.

Fehlende Abstimmung europäischer Staaten

"Die Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA folgt einem strategischen Narrativ der Vereinigten Staaten, Anschläge gehen US-Einrichtungen auch militärisch zu beenden", erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte. Wegen der möglichen Eskalationsgefahren sollte US-Präsident Donald Trump aber nachvollziehbar darlegen, inwieweit eine unmittelbare bevorstehende Gefahr abgewendet und damit Schaden von den US-Streitkräfte abgewendet werden konnte. "Es ist misslich, dass die USA national allein parallel zum Anti-IS Einsatz vorgehen. Dies offenbart allerdings auch die nach wie vor fehlende Abstimmung europäischer Staaten", so Otte.

Soleimani, Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, war in der Nacht zum Freitag bei einem US-Raketenangriff nahe dem Flughafen Bagdad getötet worden. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, der Angriff sei auf Anweisung von Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern. Der Iran kündigte Vergeltung an.

Die Bundesregierung sei sich einig in ihrer Sorge um die Entwicklung der Lage im Irak, aber auch in der gesamten Region, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Jede weitere Eskalation müsse vermieden werden. Absolute Priorität habe die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten in der Region. Die Verteidigungsministerin wies den Generalinspekteur an, in ständiger Abstimmung mit dem Einsatzführungskommando die Sicherheitslage zu überwachen und größtmöglichen Schutz für die Soldaten sicherzustellen.

Appell an iranische Führung

Der Iran destabilisiere mit aktiver Unterstützung von Terrorismus und Gewalt seit langem massiv eine gesamte Region und bedrohe damit auch Israel, hieß es aus dem Verteidigungsministerium weiter. Soleimani sei einer der Hauptverantwortlichen für den Export von Terror und Gewalt mit vielen Toten gewesen. Nicht umsonst habe er auf der Terrorliste der Europäischen Union gestanden.

Es liege jetzt vor allem in den Händen der iranischen Führung, die Konflikte in der Region nicht weiter eskalieren zu lassen. Der US-Angriff sei nicht Teil der Anti-IS-Koalition gewesen.

Bundeswehr stoppt Ausbildung

Die Bundeswehr hatte die Ausbildung von Sicherheitskräften der Kurden und der Zentralregierung im Irak am Vortag ausgesetzt. Eine entsprechende Entscheidung habe das Hauptquartier der Koalition gegen die Terrormiliz IS zum Schutz der eigenen Kräfte getroffen, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit. Dies sei für alle beteiligten Partnernationen bindend.

Insgesamt zählt das deutsche Kontingent für den internationalen Einsatz gegen den IS ("Counter Daesh") derzeit 415 Männer und Frauen. Geführt wird es aus Jordanien, wo davon aktuell rund 280 Soldaten stationiert sind. Knapp 90 Bundeswehrleute sind im nordirakischen Kurdengebiet im Einsatz, um dort kurdische Kräfte auszubilden. Im Militärkomplex Tadschi, 30 Kilometer nördlich von Bagdad, sind 27 Bundeswehrsoldaten für die Ausbildung irakischer Kräfte. Zudem gibt es im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Bagdad fünf deutsche Soldaten. Den Obleuten wurde erklärt, dass es im Notfall für Bagdad und Tadschi Evakuierungspläne unter US-Führung gebe. Erbil würde in diesem Fall in nationaler Regie geräumt.

"Der "Verbündete" USA hat es wieder nicht für nötig erachtet, seine "Verbündeten" zu konsultieren, nicht einmal zu informieren. Obschon die Folgen für die sich anschließende verschlechterte Sicherheitslage alle betrifft", kritisierte der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu. "Dass ist unverantwortlich und zeigt einmal mehr, dass die deutsche Solidarität gegenüber den USA mehr als fehl am Platze ist." (dpa/sg)

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