Der Atomausstieg löst heftige Streitereien zwischen Regierung und Opposition aus. Zuletzt unterstellte Jens Spahn der Grünen-Partei fehlende Transparenz. Grund genug für Bundesumweltministerin Steffi Lemke, verbal gegen den Ex-Gesundheitsminister zurückzuschlagen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Union fordert aktuell, die wahren Gründe für das Kernkraft-Aus zu erfahren. Bei "Markus Lanz" entbrannte eine hitzige Debatte, als es um das Thema Transparenz ging. Gleichzeitig äußerte sich Journalist Philipp Peyman Engel mit eindringlichen Worten zu den jüngsten Pro-Palästina-Demos an deutschen Universitäten.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Der AKW-Streit droht weiter zu eskalieren. Nachdem das Magazin "Cicero" Ende April darüber berichtet hatte, dass "Netzwerke der Grünen" eine Entscheidung über die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke "manipuliert" haben sollen, will die CDU/CSU-Fraktion nun die "wahren Hintergründe" der Abschaltung der Kernkraft in Erfahrung bringen.

Politiker wie Jens Spahn unterstellen der Regierung zudem fehlende Transparenz und fordern eine parlamentarische Untersuchung. Grund genug für Markus Lanz, der hitzigen Debatte auf den Grund zu gehen. Zudem sprach er über die Pro-Palästina-Proteste an deutschen Hochschulen.

Das sind die Gäste

  • Steffi Lemke, Bundesumweltministerin: "Ich halte es für falsch, Umweltpolitik als grüne Ideologie abzustempeln."
  • Ulrike Winkelmann, Journalistin: "Das Problem bei diesen Demonstrationen ist, dass sehr viel antisemitischer Schwachsinn gerufen wird."
  • Joe Chialo, CDU-Politiker: "Kolonialismus spielt immer eine Rolle - weil der Kolonialismus die Strukturen, die wir heute vorfinden, begründet hat."
  • Philipp Peyman Engel, Journalist: "Ich will, dass wir Juden zu diesem Land gehören."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf die pro-palästinensischen Proteste an deutschen Universitäten wollte Markus Lanz wissen: "Wie hat sich das Klima in Deutschland verändert?" Journalist Philipp Peyman Engel gab daraufhin ehrlich zu: "Ich hätte es nicht für möglich gehalten - es hat sich nochmal unfassbar stark intensiviert und unfassbar stark verschlechtert." Engel ergänzte, dass niemand etwas "gegen pro-palästinensische Proteste" oder Israel-Kritik sage.

Doch in Bezug auf den jüngsten Protest an der Freien Universität Berlin sei laut Engel eine Grenze überschritten worden, denn "es wurde aufgerufen zur Auslöschung des Staates Israel, es wurde aufgerufen zum Terror gegen Juden, zur Ermordung von Juden". Der Journalist merkte deshalb bestürzt an, dass er dies "nie für möglich gehalten" hätte: "Das ist nochmal eine neue Qualität in der Tat." Besonders fassungslos zeigte sich Philipp Peyman Engel über die Reaktion vieler Uni-Professoren, die die Vorfälle als "friedliche Proteste" bezeichnet haben: "Es ist nicht pro-palästinensisch, antisemitische Schlachtrufe zu skandieren!"

Engel warnte deshalb eindringlichst: "Das ist der Geist von 1933, der zurzeit an deutschen Universitäten herrscht und ich würde sagen, es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf." Laut des Journalisten haben mittlerweile unzählige jüdische Studenten Angst, sich frei auf dem Campus zu bewegen. "Es ist eine entsetzliche Situation, und ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir nicht aufpassen, wird es in einigen Jahren (...) die Situation in Deutschland geben, wo wir aufwachen und es gibt nur noch einen versprengten Haufen an Juden (...), weil es nicht mehr möglich ist, als Jude hier zu leben mit solchen Leuten als Nachbarn", schlug Engel Alarm.

Er fügte mit erstem Blick hinzu: "Linksextreme, muslimische Extreme machen unser Leben zur Hölle!" Der Berliner Kultursenator Joe Chialo konnte dem nur zustimmen und mahnte, dass es in Deutschland "eine ganz besondere (...) historische Verantwortung" gebe, "vor der wir uns nicht wegducken dürfen". Gleichzeitig sagte er nachdenklich, dass es sich nicht nur um Antisemitismus im linken und rechten Spektrum handle: "Dieses Problem ist weiter in unserer Gesellschaft vorhanden, als man es offen zugeben will."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Der Streit um die Abschaltung der Kernkraft spaltete zuletzt nicht nur die Politik, sondern sorgte auch für eine hitzige Debatte bei "Markus Lanz". Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigte sich jedoch überrascht über die Kritik aus der Union, denn: "Der Atomausstieg ist beschlossen worden unter einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung von Angela Merkel. Es wurden danach eine ganze Reihe von Atomkraftwerken abgeschaltet (...), und dieser Atomausstieg ist damals in einem großen Konsens der demokratischen Parteien verabschiedet worden."

Lemke ergänzte in dem Zusammenhang, dass hinter der Entscheidung gegen eine Verlängerung auch die klare Anforderung der Kernkraftwerksbetreiber gesteckt habe. Laut der Grünen-Politikerin hätte nämlich der Staat bei einer Verlängerung "in die volle Haftung gehen und diese Atomkraftwerke quasi in staatlicher Verantwortung betreiben" müssen. "Wir halten das nicht für verantwortbar, eine Laufzeitverlängerung über mehrere Jahre zu machen", begründete Lemke das Vorgehen.

Markus Lanz sprach daraufhin die vermeintlich fehlende Transparenz der Regierung und den Verdacht der CDU/CSU an, dass sich hinter der AKW-Entscheidung 2022 ein Skandal verstecken könnte. Steffi Lemke konterte darauf jedoch genervt, dass für sie die Frage der Transparenz nicht "die entscheidende Frage" sei. Als Lanz dagegenhielt, wetterte Lemke los: "Es geht um Debatten-Kultur. Und wenn Jens Spahn als ehemaliger Bundesgesundheitsminister (...), sich jetzt hinstellt und sagt, hier würde mit alternativen Fakten gearbeitet werden, bedient er sich ganz bewusst an einer solchen Stelle rechtspopulistischer Sprache. Und das hat mit Debattenkultur relativ wenig zu tun."

Die Bundesumweltministerin polterte weiter, dass "die relevanten Dokumente (...) alle seit Monaten öffentlich bekannt" seien, sich jedoch "aus der CDU nicht so wahnsinnig viele bisher dafür interessiert" haben. "Es gibt da nichts zu vertuschen, es gibt nichts, was da irgendwie komisch gemacht worden ist", stellte die Grünen-Politikerin klar. Lanz ließ dennoch nicht locker und stichelte weiter: "Sie müssen zusätzlich bis 2035 ungefähr 30 Millionen Tonnen CO₂ einsparen als Bundesregierung."

In dem Zusammenhang wollte der Moderator wissen, ob es nicht "irgendwie ironisch" sei, "dass das exakt die Menge an CO₂ ist, die wir eingespart hätten", wenn die AKWs noch ein bisschen länger weitergelaufen wären. Lemke konterte schwammig: "Ich bin bei dem Thema ehrlich gesagt nicht so zur Ironie (...) aufgelegt." Daraufhin sagte Lanz mit ernster Miene: "Aber das ist eine bittere Pointe, lasst es uns so sagen."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es am Donnerstag nur bedingt, Bundesumweltministerin Steffi Lemke konkrete Antworten zu entlocken. Der Moderator arbeitete mehrere Themenkomplexe ab und konnte daher nur schwer in die Tiefe gehen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" blieb Steffi Lemke trotz der jüngsten Diskussionen um das AKW-Aus bei ihrem Standpunkt und bekräftigte: "Wir sind für nukleare Sicherheit im Umweltministerium zuständig." Dementsprechend hätte sie eine AKW-Verlängerung "für unverantwortlich gehalten (...), und ich bin mir sicher, dass das keine CDU/CSU-geführte Bundesregierung getan hätte".

Dem konnte CDU-Mann Joe Chialo nur bedingt zustimmen. Er merkte stattdessen an, dass die Umweltpolitik der Grünen häufig ideologisch getrieben sei: "Ich finde schon, dass immer wieder erkennbar ist, dass man mit erhobenem Zeigefinger versucht, seine Überzeugungen anderen mitzuteilen, statt wirklich die Herzen zu gewinnen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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