Bei "Maischberger" ging es am Mittwochabend (4. September) um die Lehren aus den Wahlen in Ostdeutschland. Während Kevin Kühnert schon nach wenigen Minuten die populistische Strategie des BSW zerlegte, warnte Journalistin Melanie Amann vor einer "unberechenbaren Entwicklung" und stellte anhand eines Satzes von Olaf Scholz heraus, wie weit es mit dessen Realitätsverweigerung bereits gekommen ist.
Wahlbeben in Thüringen und Sachsen: Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland am vergangenen Sonntag ist die AfD in Thüringen mit Abstand stärkste Kraft geworden, in Sachsen landete sie knapp hinter der CDU. Eine schwierige Bündnissuche steht bevor: In beiden Ländern ist mindestens ein Dreier-Bündnis notwendig, um die AfD in der Regierung zu verhindern.
Das ist das Thema bei "Maischberger"
Der Titel der Sendung lautete: "Migrationskurs verschärfen, Ukraine-Politik überdenken: Welche Lehren zieht die Ampel aus dem Wahldebakel vom Wochenende?" Im Fokus standen dabei mögliche Regierungskonstellationen in Thüringen und Sachsen, eine Brandmauer gegen die AfD sowie die Frage, was vom BSW zu erwarten ist.
Das sind die Gäste
Kevin Kühnert (SPD): Der Generalsekretär sprach sich gegen Neuwahlen aus: "Wollen wir wirklich in einem Land leben, in dem immer dann, wenn bei infratest-dimap die Regierung keine Mehrheit hat, Neuwahlen ausgerufen werden? Dann haben wir bald israelische, italienische oder niederländische Verhältnisse. Ich persönlich kann das nicht gebrauchen." Das bringe nur mehr Instabilität.Amira Mohamed Ali (BSW): Die Co-Vorsitzende erklärte, warum man außenpolitische Themen im Landeswahlkampf auf den Tisch gebracht habe: Über die Hälfte der Bevölkerung halte die Stationierung von Mittelstreckenraketen für problematisch. Man habe nie behauptet, dass dies in den Landesregierungen von Thüringen und Sachsen entschieden würde. "Wir erwarten von einer Landesregierung, dass sie sich positioniert und ihre Stimme erhebt und Einfluss auf den Bund nimmt", so Mohamed Ali.Armin Laschet (CDU): "Mit denen wird nicht geredet", stellte Laschet in Bezug auf Koalitionen mit der AfD klar. Er erwarte, dass die AfD ihren immer radikaler werdenden Kurs fortsetze. Die oberste Überschrift müsse lauten: "In keinem Bundesland darf ein AfD-Ministerpräsident Verantwortung übernehmen." Später forderte er Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan: Es sei absurd, aus Angst, einem Straftäter könne etwas passieren, ihn nicht abzuschieben, aber ihn hier durch die Fußgängerzone laufen zu lassen. "Das muss man den Grünen abverlangen", befand er.- Ulrich Wickert: "Ich finde es sehr unangenehm, dass die AfD jetzt so stark geworden ist – insbesondere, weil das auch im Ausland entsprechende Reaktionen mit sich bringt, wegen unserer Geschichte", so der Journalist und Schriftsteller. Es beruhige ihn aber, dass die AfD nicht an der Macht sei. "Es sind 0 Prozent dagegen", erinnerte er.
- Melanie Amann: Die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin war skeptisch, ob die AfD in Thüringen nicht doch noch an die Macht kommen könnte. "Durch ihre Sperr-Minorität ist sie es natürlich jetzt schon", wandte sie ein. Sie "halte es für eine unberechenbare Entwicklung", was in den nächsten Wochen passiere. Der gleichzeitige Angst- und Wohlfühlwahlkampf der AfD sei voll aufgegangen.
- Lars Sänger: Der MDR-Journalist war sich in Bezug auf die CDU sicher: "Wenn man sich ehrlich machen will, muss man an dem Unvereinbarkeitsbeschluss dringend schrauben." Die ostdeutschen Realitäten seien nicht jene, die man in den Berliner Parteizentralen diskutiere. "Man muss sich dem Ist-Zustand stellen und der lautet: Man steht vor der Unregierbarkeit, wenn man sich nicht öffnet", warnte Sänger.
Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"
Das ist das Rede-Duell des Abends
Es dauerte keine Minute, da begann SPD-Mann Kühnert schon die Strategie des BSW zu zerlegen. Mohamed Ali kritisierte, die SPD habe die Wählerinnen und Wähler über Jahre enttäuscht. In den Wahlprogrammen würden gute Dinge stehen, aber "wenn sie an der Macht ist, setzt sie es überhaupt nicht um", so Mohamed Ali.
"Eine Anfrage von uns hat ergeben: Über 50 Prozent der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland bekommen unter 1.100 Euro Rente", warf sie ein. Kühnert wandte ein: "Wenn sie in Euro und Cent so weiter verdienen wie im Moment, das haben Sie ein bisschen reingemogelt in die Anfrage." Auch in der Antwort hatte das Ministerium bereits darauf hingewiesen, dass aus einer niedrigen Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht grundsätzlich auf ein niedriges Alterseinkommen geschlossen werden könne. Kühnert kommentierte: "Das ist ein gutes Beispiel, wie sie hart an der Grenze zum Populismus und auch darüber hinaus versuchen, ihre Thesen aufzubauen."
So ging es weiter: "Die SPD ist mit dafür verantwortlich, dass das Rentenniveau abgesenkt worden ist, Sie haben auch dafür gesorgt, dass der Niedriglohnsektor ausgebaut worden ist", kritisierte Mohamed Ali. Kühnert korrigierte sie: "Der Niedriglohnsektor ist heute so klein wie seit der Wiedervereinigung nicht – wegen unserer Politik."
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Maischberger stellte gute Fragen ( "Ist es undemokratisch, wenn die stärkste Partei nicht an die Macht kommt?" "Hat die SPD in der Vergangenheit falsche Konsequenzen aus historisch schlechten Wahlergebnissen gezogen?" oder "Hat das BSW nur die alte Linke aus dem Rennen geschubst und keine AfD-Wähler umgestimmt?"). Doch sie verpasste es, die wirklich lösungsorientierten Debatten anzustoßen, etwa: Welche Diskrepanzen müssten BSW und CDU überbrücken? Wie kann man die AfD inhaltlich stellen? Wie kann man junge Menschen wieder von der AfD abholen?
Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"
Große Teile der Sendung gingen völlig an der Ausgangsfrage vorbei. Ob der Migrationskurs nun verschärft und die Ukraine-Politik neu ausgerichtet werden muss, wurde so gut wie gar nicht beantwortet. Konsens war alleinig, dass die Union sich auch nach links öffnen muss, damit überhaupt eine Koalition zustande kommen kann. Der Frage "Wie verhindert man, dass die AfD an die Macht kommt?" ging die Runde inhaltlich an keiner Stelle nach.
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