Wie lange soll das jetzt eigentlich so weitergehen? Im Corona-Talk bei "Hart aber fair" gibt ein Virologe eine unbequeme Antwort. Und ARD-Börsenexpertin Anja Kohl warnt vor dem großen Crash.
Immer schön Abstand wahren: Anders als
Das ist das Thema bei "Hart aber fair"
In Zeiten von Corona verändern sich nicht nur Sendezeit (20:15 Uhr) und - länge (mit Reportage als Vorprogramm satte zwei Stunden), sondern gleich der ganze Charakter von "Hart aber fair": Der Dienstleistungsgedanke ersetzt die Streitlust. In einer Extra-Ausgabe sucht Frank Plasberg Antworten auf die unzähligen Fragen der Zuschauer: "Die Corona-Krise: Wo stehen wir, was kommt noch?"
Das sind die Gäste
Wer gehofft hatte, der ganze Spuk sei spätestens bis Ostern vorbei, kriegt vom Virologen Jonas Schmidt-Chanasit gleich zu Beginn die volle Breitseite. Deutschland stehe erst am Anfang der Epidemie, sagt der Mediziner vom Bernhard-Nocht-Institut Hamburg. Wie lange sie andauere, sei noch nicht abzusehen: "Sicher nicht nur zwei Wochen, die Bevölkerung muss sich auf einen langen Zeitraum einstellen der Entbehrungen und des Kampfes."
Bundeswirtschaftsminister
Ein wichtiges Zeichen, meint
Hotelier Bernd Niemeier lobt die deutsche Regierung für die schnelle Hilfe durch das Kurzarbeitergeld und die versprochenen Überbrückungskredite. Seine angeschlagene Branche brauche aber auch einen Notfallfonds.
Angst haben die Menschen nicht nur beim Blick auf die abstürzenden Börsenkurse – Corona greift auch die Seele an. Wie umgehen also zum Beispiel mit Besuchsverboten im Altersheim? Psychologin Ulrike Scheuermann rät zu Pragmatismus: Telefon und Briefe bekämen wieder eine große Bedeutung. "Auch so kann man alten Menschen vermitteln, dass man sich um sie sorgt."
Ganz praktische Probleme stellen sich den Menschen, die plötzlich im Home Office arbeiten - und manchmal sogar nebenbei noch ihre Kinder betreuen sollen. ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam erklärt, dass Unternehmen zwar rechtlich gesehen volle Leistung von 8 bis 17 Uhr verlangen können, praktisch aber kaum. "Das wäre eine unangemessene Forderung. Jetzt sind flexible Lösungen gefragt."
Das ist der Moment des Abends
Ein Bild aus erst einmal vergangenen Tagen: Frank Plasberg zeigt seinen Gästen ein Foto des proppevollen Viktualienmarktes in München, aufgenommen am Wochenende. "Verantwortungslos", entfährt es dem Virologen Schmidt-Chanasit. Und für alle, die es immer noch nicht kapiert haben:
"Wir reden nicht über zwei Wochen Corona-Ferien. Wir reden über mehrere Monate Quarantäne. Und dann schauen wir, ob das ausreichend ist."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Reicht das aus? Diese Frage stellt sich auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Hilfen der Bundesregierung. Eine "Bazooka" will Finanzminister Olaf Scholz in Stellung bringen. Peter Altmaier versucht bei "Hart aber fair" immer wieder, keine Zweifel an der Entschiedenheit der Regierung aufkommen zu lassen. "Wenn Handwerker oder Selbstständige ihr Geschäftsmodell verlieren, müssen wir helfen, egal, ob es eine Milliarde mehr wird oder weniger."
Aber was, wenn das ganze Wirtschaftssystem an den Tropf muss? Nicht nur Global Player wie die Lufthansa, auch die KMU, die Selbstständigen, Handwerker, Künstler?
Anja Kohl bohrt unbarmherzig nach: "Folgen dieser Ankündigung wirklich auch Taten? Ist die Regierung bereit, Geld auszugeben, von dem sie einen Teil nie wiedersehen wird?"
Altmaier zählt noch einmal die bereits beschlossenen Maßnahmen auf, dann stockt er, kommt auf Bereiche, wo man sich fragen müsse, "wie geht man damit um?". Und landet im Phrasenmodus: "Diese Fragen werden wir so lösen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht."
Ein Hilferuf, ihn endlich von der Kette zu lassen, aber Kohl lässt die Kassandrarufe nicht sein: Das Bankensystem gerate durch die Turbulenzen an den Börsen und absehbare Kreditausfälle in Schieflage. "Da müssen Sie auch Überlegungen machen." Und Altmaier Blick sagt: Vielen Dank auch - da wäre ich jetzt nie drauf gekommen.
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Orientierung soll die Sendung geben in unruhigen Zeiten, und das gelingt, auch weil Plasberg sich im Hintergrund hält und ganz im Sinne des Dienstleistungsgedankens auf Antworten und Lösungen für praktische Probleme drängt.
Sein ganz persönliches praktisches Problem bleibt ihm allerdings über die gesamte Sendung erhalten: Weil die Gäste neben, vor und auch fast hinter ihm stehen, verliert er einige Male den Überblick, wohin genau er nun schauen muss – ein Nachteil der vorbildlichen Sitzordnung bzw. Stehordnung.
Auch wenn "Hart aber fair" ganz im Sinne einer solidarischen Corona-Bekämpfung auf Kooperation statt Konfrontation setzt, lässt Plasberg nicht jede Plattitüde durchgehen. Als Peter Altmaier die de-facto-Ausgangssperren als "Chance" bezeichnet, Dinge zu tun, zu denen man sonst nicht kommt, legt der Gastgeber stellvertretend für alle jetzt schon gestressten Home-Office-Eltern Einspruch ein: "Das sollte man nicht romantisieren."
Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"
Insgesamt schwankt die Runde zwischen Alarmismus und Optimismus, verkörpert von Kassandra Kohl auf der einen und Dr. Feelgood Scheuermann auf der anderen Seite. Die ARD-Börsenexpertin erwartet den großen Corona-Crash, die Psychologin eine Art Renaissance der Solidarität:
"Menschen helfen gern, das wird mehr werden, wenn die Angst abflaut."
Wirtschaftsminister Altmaier regt sogar an, Unternehmen, die eine Veranstaltung absagen, könnten die Caterer und Musiker und alle anderen Geschädigten entschädigen, das Risiko also teilen. Und die reichen Klubs der Bundesliga sollten gleich die Wurstbude vor dem Stadion retten.
Solidarität als individuelle Entscheidung also, fraglich nur, warum das klappen sollte – wo die Menschen es, siehe Viktualienmarkt, nicht einmal hinbekommen, angesichts einer Epidemie einfach mal zuhause zu bleiben.
Weil das nicht klappt, hat der Staat die Zügel in die Hand genommen, er wird genau das auch in Sachen Solidarität tun müssen. Und klären müssen, wer davon profitiert – nur die Big Player, wie in der Finanzkrise, in der die Verluste der Banken so lange sozialisiert wurden, bis sich die Manager wieder ins Li-La-Bonusland verabschieden durften? Ohne darauf eine Vermögenssteuer zu zahlen, mit dem sich ein krisenfestes Gesundheitssystem hätte aufbauen lassen?
Wer kommt am Ende auf für die Ausfälle durch Corona? Wer ist "too big to fail", wer bleibt auf der Strecke? Wer muss Angst haben um seine Zukunft, wer darf sich sicher wähnen? Diese prinzipiellen Entscheidungen scheinen noch nicht gefällt.
Und noch haben wir alle, Virologe Schmidt-Chanasit hat es an diesem Montagabend angedeutet, ein paar Monate Zeit, um in der Quasi-Quarantäne darüber nachzudenken. Also auch genug Zeit für Frank Plasberg, in einer gesonderten Sendung darüber zu diskutieren.
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