• Anne Will hat mit ihren Gästen über die Aktionen der Aktivistengruppe "Letzte Generation" gesprochen.
  • FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann sieht darin die "Erpressung der Parlamente".
  • Aktivistin Carla Hinrichs richtet dagegen einen dramatischen Appell an die Politik.
  • Der bayerischer CSU-Innenminister verteidigt das harte Vorgehen des Freistaats gegen 13 Klimaschützer.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Sich auf Straßen festkleben und Kunstwerke mit Kartoffelbrei attackieren: Sind diese öffentlichkeitswirksamen wie umstrittenen Aktionen der Aktivistengruppe "Letzte Generation" legitim, um den Kampf ums Klima zu führen? Nutzen oder schaden sie den Zielen der Klimabewegung?

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Darüber sprach Anne Will am Sonntagabend (20. November) mit ihren Gästen. Es war der Tag, an dem die Welt-Klimakonferenz COP in Ägypten nach zwei Wochen mit enttäuschenden Ergebnissen zu Ende ging.

Das waren die Gäste

  • Marco Buschmann: Der FDP-Bundesjustizminister nannte die Proteste der Letzten Generation "Erpressung der Parlamente durch fortgesetzte Straftaten". Den "Klima-RAF"-Vergleich von CSU-Politiker Alexander Dobrindt hielt er aber für übertrieben. Wenn eine Bundesregierung auf die Forderung der Gruppierung, zu denen ein bundesweites 9-Euro-Ticket gehört, eingehen würde, "dann kämen wir in Teufelsküche", so Buschmann. Dann würden sich auch künftige Regierungen erpressbar machen.
  • Katrin Göring-Eckardt: Der Bundestagsvizepräsidentin (Bündnis 90/Die Grünen) war eine Grundsympathie für die Ziele der Letzten Generation deutlich anzumerken. "Ich finde es gut, dass über diese Themen geredet wird, ich finde nicht gut die Art und Weise (der Aktionen – d. Red.)." Das schade mehr als es nutze und ziehe überflüssige Energie. "Eigentlich müsste man über die Ergebnisse der COP reden." Zudem verwies sie auf die wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Nicht-Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als verfassungsfeindlich bezeichnet hatte. Da nickte und lächelte auch Klimaaktivistin Carla Hinrichs.
  • Joachim Herrmann: Dass ein bayerischer CSU-Innenminister eine Bewegung wie Fridays for Future lobt, wäre vor 20 oder 30 Jahren noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Doch für Herrmann sind die Freitagsproteste legitim, weil friedlich und angemeldet, während er die Aktionen der Letzten Generation als Problem bezeichnete. "Wenn das jeder so machen würde", Hermann meinte die Erpressung der demokratischen Mehrheit durch eine Minderheit, "dann würde unsere Demokratie in Frage gestellt werden". Wo sei da die Grenze, bei der Begehung von Straftaten, um politische Ziele zu erreichen?
  • Carla Hinrichs: Für die Sprecherin der Letzten Generation stehen die Aktionen der Gruppe in der Tradition der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und anderer Formen zivilen Ungehorsams. Ihre Motivation und die ihrer Mitstreiter trug sie in mehreren dramatischen Appellen vor. Teile der Erde würden bald unbewohnbar sein, die Welt steuere auf eine Katastrophe zu, die Regierung habe ein verfassungsfeindliches Klimapaket beschlossen und die Ergebnisse der COP seien enttäuschend, so Hinrichs. "Den größten Mangel, den wir haben, ist Zeit". Daher sind die Methoden der Gruppierung in ihren Augen völlig legitim.

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  • Petra Pinzler: Die "ZEIT"-Korrespondentin attestierte Europa beim COP ein "Glaubwürdigkeitsproblem", weil es in der Energiekrise wieder verstärkt auf fossile Energien setzt. Und weil es eigene Überzeugungen über Bord werfe. Wie Deutschland, dessen grüner Wirtschaftsminister in Katar um Gas gebettelt habe. Pinzler trat fast wie die Anwältin von Carla Hinrichs auf. Etwa als sie FDP-Mann Buschmann vorwarf, dass sein Parteifreund Volker Wissing als Bundesverkehrsminister gerade Recht breche, weil er zu wenig für den Klimaschutz tue. Dann fragte Pinzler CSU-Minister Herrmann fast gereizt: "Was muss passieren, damit sie wirklich Klimaschutz machen?" Hermann reagierte genervt. "Ohne diesen Krieg in der Ukraine wären wir schon einen Schritt weiter." Was eine schlechte Ausrede war, angesichts der bayerischen Untätigkeit beim Ausbau der Windenergie.

Das war der Moment des Abends

Carla Hinrichs holte einen Zettel mit einem Bild von 13 ihrer Mitstreiter heraus, die in Bayern gerade zu 30 Tagen "Präventivgewahrsam" verdonnert wurden. Der Grund: Sie hatten sich bereits an Straßenblockaden beteiligt und kündigten an, auch künftig wieder an Blockaden teilzunehmen. "Weil sie so verzweifelt sind", betonte Hinrichs in Richtung von Joachim Herrmann und übte scharfe Kritik an den Inhaftierungen.

Die kam auch von Justizminister Buschmann, der von einem "Problem" sprach und Journalistin Pinzler: "Ich wüsste nicht, dass sie Hooligans 30 Tage ins Gefängnis werfen", sagte sie zu Herrmann. Auch ein Rechtsprofessor, den Anne Will zitierte, nannte das Vorgehen "verfassungsrechtlich bedenklich". Die Kritik ließ Joachim Hermann an sich abprallen. Die Ankündigung weiterer Straftaten sei "schon eine Herausforderung für den Rechtsstaat", begründete er das bayerische Vorgehen.

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Das war das Rededuell des Abends

In einer an Rededuellen nicht armen Sendung geriet Carla Hinrichs vor allem mit Buschmann und Herrmann aneinander. "Sie müssen sich an Recht und Gesetz halten. Sie können nicht einfach andere Menschen nötigen, sie können keine gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr, sie können keine Sachbeschädigungen begehen, weil sie ein nobles Motiv haben. Der Zweck heiligt eben nicht alle Mittel", sagte Buschmann zur Aktivistin.

Hinrichs reagierte uneinsichtig. Sie sei bereit, für ihre Überzeugungen "ins Gefängnis zu gehen, wenn der Staat sich dafür entscheidet". Als sie der Regierung vorwarf, das Grundgesetz zu brechen, weil sie nicht genug für den Klimaschutz tue, verlor Buschmann die Fassung. "Wir sind vermutlich die engagierteste Bundesregierung der Geschichte, was das Klima betrifft. Sie müssen uns nicht bedrohen." Er verwies unter anderem auf den 170 milliardenschweren Klima- und Transformationsfond der Ampel.

So hat sich Anne Will geschlagen

Souveräner Job der Gastgeberin in einer Sendung, in der die Emotionen immer wieder hoch kochten. Besonders wie sie Carla Hinrichs bestimmt, aber empathisch auf den Zahn fühlte, war sehenswert. Eine Mehrheit der Deutschen finde die Ziele der Aktivisten durchaus legitim, stimme aber mit den Mitteln nicht überein, erklärte die Gastgeberin. Warum sie dann keine Mittel wählten, um die Menschen mitzunehmen? Ob das nicht erfolgversprechender sei? Überzeugen konnte sie Hinrichs damit freilich nicht.

Das ist das Fazit

Am Ende einer emotionalen, einstündigen Diskussion kam die Runde auf keinen grünen Zweig. Auf der einen Seite die "Verfassungsminister" Buschmann und Herrmann mit einem klaren Nein zu den Mitteln der Gruppe "Letzte Generation", dafür mit teils halbgaren Bekenntnissen zum Klimaschutz. Vor allem von Herrmann, dessen Bundesland beim Windkraftausbau bislang nur einen Bruchteil der erforderlichen Anlagen gebaut hat. Auf der anderen Seite Katrin Göring-Eckhardt und Petra Pinzler mit teilweise offener Sympathie für die Aktivisten und einem Appell an die Ampel, mehr Tempo zu machen. Etwa beim Ausbau der Erneuerbaren. "Weil andere Länder dann mitmachen müssen", so Göring-Eckhardt.

Sekunden vor Schluss wurde es dann nochmal laut. Pinzler ging die FDP an, sie bremse beim Klimaschutz die anderen Ampel-Partner aus. Ein Beispiel: der Widerstand gegen das Tempolimit. Buschmann lautstark: "Das lasse ich so nicht stehen." Die Bundesregierung tue sehr viel für den Klimaschutz. Während die beiden weiter polterten und sich gegenseitig ins Wort fielen, gab Anne Will zu den Tagesthemen ab. Das Hauptthema: die gescheiterte Klimakonferenz in Ägypten. Hinrichs und Co., das stellte sie mehr als einmal klar, wollen und müssen ihren Protest angesichts solcher Nachrichten fortsetzen.

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