Die Razzien im Milieu der Reichsbürger und Verschwörungsideologen standen im Fokus der Sendung bei Maischberger am Mittwochabend. Wie groß war und ist die Gefahr? Wer ist die Gruppe? Innenministerin Nancy Faeser (SPD) war zu Gast im Studio und erklärte, was die Corona-Pandemie mit der Radikalisierung zu tun hat. Ihre persönliche Sorge sei "sehr groß".

Eine Kritik
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Reichsbürger haben in Deutschland offenbar einen Umsturzversuch geplant. Nachdem die Behörden monatelang im Vorfeld ermittelt hatten, wurden am Mittwoch (7. Dezember) 25 Menschen festgenommen und bereits für acht Untersuchungshaft angeordnet. Verstrickt sind auch ein Adeliger, eine Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Soldaten.

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Das ist das Thema bei "Maischberger"

Die Razzien bei den Reichsbürgern, die zu einem der größten Anti-Terror-Einsätze der Geschichte der Bundesrepublik zählen, standen im Fokus der Sendung. Damit verbunden die Frage: "Wie konkret waren die Umsturzpläne?" und "Haben wir das Problem unterschätzt"?

Außerdem ging es um Fachkräftemangel, den Welt-Natur-Gipfel in Kanada und die Krise beim DFB nach dem enttäuschendem Aus in Katar. Diskutiert wurde zum Beispiel: "Hat die Diskussion um die One-Love-Binde die Mannschaft geschwächt?"

Das sind die Gäste

Nancy Faeser (SPD): Die Bundesinnenministerin betonte in Bezug auf die Reichsbürger-Razzien: "Es ist gut, dass unsere Demokratie so wehrhaft ist. Was es so gefährlich macht ist, dass es einen militärischen Arm davon gab." Mit dabei seien Menschen, die früher in der Bundeswehr gewesen seien, also auch mit Waffen umgehen könnten. Bei den Behörden, die mit Waffen zu tun hätten, müsse man in Zukunft genauer hinschauen, kündigte Faeser an. "Ich glaube nicht, dass es damit vorbei ist", sagte sie über die Festnahmen. Jetzt fange die eigentliche Arbeit der Handy-Auswertungen und Durchsuchungen erst an.

Tina Hassel: "Es scheint so, dass es Umsturzphantasien und -pläne gab. Dass geplant war, den Reichstag zu stürmen, dass geplant war, Attentate auf die Energieversorgung zu machen, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen", beschrieb die Journalistin. Wie im Schneeballsystem seien neue Mitglieder geworben worden. "Der Rechtsstaat war wachsam", so Hassel. In Bezug auf die Fußball-WM kommentierte sie: "Warum ist Katar in einem ganz kleinen Zeitfenster gut, um uns Gas zu liefern, aber nicht gut, um die WM auszutragen? Ich finde das schwierig".

Micky Beisenherz: Der Moderator und Kolumnist sagte über die Reichsbürger-Szene: "Es sind gefährliche Spinner." Zur Tatsache, dass es ehemalige Soldaten und Polizisten eine Rolle spielen, sagte er: "Diese Verstrickungen gibt es immer wieder, auch in rechte Netzwerke". Dass sich die deutsche Fußballmannschaft bei ihrem ersten Spiel in Katar den Mund zuhielt und Faeser eine One-Love-Binde trug, schätzte er so ein: "Wenn diesen Zeichen nichts Entsprechendes folgt, sind sie wertlos und man macht sich zum Trottel". Das sei wie Blinken und in die andere Richtung abzubiegen.

Hannah Bethke: "Ich sehe nicht, wie man zum jetzigen Zeitpunkt mit Putin Verhandlungen führen kann", sagte die Politikjournalistin von "Zeit Online" zum aktuellen Stand im Ukraine-Krieg. Putin agiere "nach wie vor mit imperialen Narrativen", so Bethke. Er habe seine Kriegsziele nicht aufgegeben. "Trotzdem ist es legitim, die Option von Verhandlungen, die Suche nach Friedenslösungen, wieder auf die politische Agenda zu setzen und auch darüber nachzudenken", meinte Bethke.

Arved Fuchs: Der Polarexperte erinnerte: "Ohne die Ressourcen der Natur können wir die Weltbevölkerung nicht ernähren". Wenn mehr als 20 Prozent des Regenwaldes abgeholzt seien, dann zerstöre er sich selbst. "Das heißt, dann ist er nicht mehr zu retten", so Fuchs. Jetzt gäbe es noch die Chance, etwas zu machen. "Sich zurücklehnen und Fatalismus zu leben und zu sagen 'Es hat ja eh alles keinen Zweck' – dann schaffen wir uns ab", meinte er.

Johannes Vogel: Der Biologe und Direktor des Berliner Naturkundemuseums meinte: "Es geht uns Menschen relativ gut, gerade im Norden." Das System werde aber durch eine sehr komplexe Natur getragen. Wenn sich die Strömung im Atlantik durch den Klimawandel veränderte, seien hierzulande Ackerbau und Viehzucht nicht mehr möglich. "Die Gasrechnung, die wir dann bekämen, wenn wir hier Zustände hätten wie in New York oder Kanada, möchte ich mir gar nicht vorstellen", so Vogel.

Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"

Maischberger wollte der Frage auf den Grund gehen, warum Menschen aus der Mitte der Gesellschaft in Milieus wie in dem der Reichsbürger landen würden. "Kam die letzte Umdrehung durch Corona?", fragte sie.

Faeser stimmte zu: "Die Debatte über eine Corona-Impfpflicht hat Menschen noch einmal in einer Art und Weise radikalisiert, die nicht aus dem klassisch rechtsextremistischen Milieu kamen." Das gemeinsame Handeln und die gemeinsame Vorstellung habe aber darin bestanden, gegen den Staat vorzugehen.

Ihre persönliche Sorge sei "schon sehr groß", sagte die Mutter eines Grundschulkindes und erinnerte an den Tod des CDU-Politikers Walter Lübke, der ebenfalls aus Hessen kam.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Rededuelle gab es an diesem Abend kaum, uneinig waren sich Beisenherz und Bethke aber in Nuancen bei der Bewertung des Kanzlers Olaf Scholz (SPD). "Was ich an Scholz sehr gut finde, dass er relativ resilient und resistent ist, was Stimmungen von außen angeht", lobte Beisenherz und ergänzte: "Das ist natürlich auch Führungsstärke." Wenn er einen Plan habe und den unbeirrt von Kommentaren, Leit-Artikeln und Meinungsstücken weiterverfolge, sei das gut.

"Man hat nur manchmal das Gefühl, dass er bei der Zeitenwende hofft, dass die Zeit sich von ganz alleine wendet", so der Moderator. Bethkes Kritik fiel schärfer aus: "Er hat das Problem, dass er seine Politik nicht erklärt", urteilte sie. Die Bundesregierung sei aber an keiner Stelle auf dem falschen Weg. "Es sind sehr viele Fehler gemacht worden, aber es ist grundsätzlich die richtige Richtung", meinte sie.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Starke Fragen waren zum Beispiel: "Haben wir in der Diskussion über eine Klima-RAF die Gefahr von rechts aus dem Blick verloren?", "Hat sich Deutschland in Katar blamiert?" und "Hat die Diskussion um die One-Love-Binde die Mannschaft geschwächt?".

An einer Stelle verbiss sich Maischberger aber zu sehr. Sie wollte von Nancy Faeser wissen, ob sie ihr Amt möglicherweise wechselt und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen wird. Schon auf die erste Nachfrage reagierte Faeser ausweichend, machte bei wiederholter Frage klar, dass es von ihr keine klare Antwort geben wird. Ein drittes, viertes und fünftes Mal hätte Maischberger dann nicht mehr nachfragen müssen.

Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"

Der Ritt durch die Themen war an diesem Abend zu wild, besser hätte sich Maischberger intensiver Zeit nehmen sollen, um in die Tiefe zu gehen. Gerade noch diskutierte das Studio über gewaltbereite Reichsbürger, schon war man beim Fachkräftemangel und dann bei Wassertemperaturen, bei denen sich der Dorsch wohlfühlt.

Ergebnisse, die sich trotzdem festhalten ließen, lauteten: Fußballer sind keine Überbringer von Politik, sondern Sportler, die Richtung der Ampel-Regierung stimmt, die Gesellschaft scheint den Ernst der Lage hinsichtlich des Klimawandels noch nicht begriffen zu haben.

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