Das Heizungsgesetz könnte doch noch vor der Sommerpause des Bundestags verabschiedet werden: Die Ampel-Parteien haben sich in der vergangenen Woche auf Leitplanken geeinigt. Doch der wochenlange Streit hat an der Koalition gekratzt, allen voran den Grünen. Wie groß ist der Schaden? Darüber diskutierte Anne Will mit Grünen-Politiker Robert Habeck höchstpersönlich. Dabei verriet er ihr eine Frage, die ihn umtreibt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eine Spitzenrunde von SPD, Grünen und FDP hat sich in der vergangenen Woche auf wesentliche Änderungen beim Heizungsgesetz verständigt. Es soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Bei der Opposition sorgte das für Kritik: CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte: "Die Menschen in unserem Land sind durch dieses Chaos hinreichend verunsichert worden." Er halte "hingeschludertes Stückwerk", nur um eine künstliche Deadline zu halten, für "falsch und gefährlich."

Das ist das Thema bei "Anne Will"

Kurz vor Toresschluss hat sich die Ampel auf Leitplanken für das neue Heizungsgesetz geeinigt. Robert Habeck hofft auf eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der Sommerpause (7. Juli) des Bundestags. Durch den langen Streit um das Gesetz ist die Fortschrittskoalition weiter ins Hintertreffen geraten.

Anne Will diskutierte mit ihren Gästen: "Was ist von der anfänglichen Aufbruchsstimmung geblieben? " und "Was hat der Streit offengelegt, bewirkt, angerichtet?"

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck (Grüne): "Den Moment, einmal kurz innezuhalten, habe ich mir nicht genommen", gab Habeck in Bezug auf das Heizungsgesetz zu. Als das Gesetz öffentlich geworden sei, habe in der Bevölkerung bereits der Eindruck überwogen, man sei gut durch den Winter gekommen und brauche jetzt nicht das nächste Gesetz. "Diese veränderte Erwartungshaltung habe ich nicht gespürt", gestand er. "Hätte man gesagt: Die Alternative zu diesem Gesetz ist, dass wir kalte Wohnungen haben, hätte man anders über dieses Gesetz geredet", war er sich sicher.
  • Veronika Grimm: Die Wirtschaftsweise sagte: "Wir müssen gesellschaftlich dafür streiten, nicht nur das Problem zu identifizieren und ambitionierte Ziele zu beschließen, sondern dann eben auch gemeinsam einen Weg zu finden. Das werden wir nicht nur bei dem Heizungsgesetz machen müssen". Es würden starke Umbrüche in der Gesellschaft anstehen. "Wegen der Klimaneutralität, aber auch, weil wir uns in Europa robust aufstellen müssen", sagte sie.
  • Wolfgang Merkel: Der Politikwissenschaftler beobachtete eine "zunehmende Polarisierung der Gesellschaft". Bei so einer "lastenträchtigen Reform" wie dem Heizungsgesetz müsse man deshalb besonders vorsichtig sein. "Wenn wir wissen, dass die Klimawende mit vielen Lasten verbunden ist, dann muss man auch zeigen, dass man auf Bürgerinnen und Bürger eingeht", sagte er.

Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"

"Aus Betroffenen Beteiligte machen – das war Ihr Ansatz. Warum ist der Ihnen verloren gegangen?", fragte Anne Will. "Das ist eine Frage, die ich nur für mich beantworten kann, aber eine, die mich umtreibt", entgegnete Habeck. Seine Erklärung sei, dass die Grünen zu lange weiter gemacht hätten wie im Jahr 2022.

"Denken Sie daran, was wir alles verboten haben", sagte Habeck. Man habe beispielsweise verboten, dass öffentliche Gebäude über 19 Grad geheizt werden dürfen. Durch den Krieg habe man Gaspreise wie noch nie zuvor gehabt. "Das kann oder könnte wiederkommen. Unter diesen Bedingungen haben wir gearbeitet", erinnerte Habeck. Die Bevölkerung hätte das mitgemacht und viel Gas eingespart. Im Frühling sei dann aber mit dem Gebäudeenergiegesetz der "Tropfen zu viel an Gesetzgebung" gefallen.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Politikwissenschaftler Merkel hatte das Wort und sprach über die Grünen: "Die Grünen sind nicht nur überzeugt davon, dass sie die richtige Politik haben, sondern, dass es die einzig moralische ist." Die Grünen würden versuchen, von oben herab etwas durchzusetzen, wo die Bevölkerung nicht mitgehen könne.

Merkel wandte sich an Habeck: "Sie stellen sich selbst eine Moralismus-Falle, die Sie zum Tempo zwingt und das Tempo verlangt dann rasche Entscheidungen. Ob die Bevölkerung mitmacht oder nicht mitmachen will, gerät etwas aus dem Blick." Dieser Modus von Politik lasse sich in der klimapolitischen Wende nicht durchhalten.

Man habe durch das Vorziehen des Gesetzes nicht schneller mit dem Klimaschutz Ernst machen, sondern eine Gaskrise abwenden wollen, verteidigte sich Habeck. "Das Gesetz ist ein gemeinsames Gesetz", erinnerte er mit Blick auf die anderen Regierungspartner. Habeck räumte aber ein: "Das Spannungsverhältnis 'Was ist wissenschaftlich erwiesene Dringlichkeit?' und 'Wie viel ist eine Gesellschaft bereit, mitzugehen?' ist eine große politische Aufgabe."

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So hat sich Anne Will geschlagen

Auf Krawall gebürstet: Schon die ersten Sätze, die Will am Sonntagabend sprach, enthielten heftige Kritik an den Grünen. Habeck habe ein Gesetz vorgelegt, dass "weder handwerklich noch kommunikativ so richtig gut gemacht" gewesen sei. Wenn, dann komme es jetzt nur in aufgeweichter Form durch. Damit habe er dem Ansehen von Klimaschutz und der Partei geschadet.

"Kommt das hin?", wollte Will nur noch wissen. Recht leisetreterisch gestand Habeck: "Zur Hälfte". Bei der nächsten Frage bohrte Will nach: "Was war Ihr größter Fehler?"

Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"

Kleine Runde am Sonntagabend: Über weite Strecken der Sendung saß Habeck alleine bei Will auf dem Podium – und musste ziemlich viel Kritik über sich ergehen lassen. Der sonst oftmals bissige und schlagfertige Habeck wirkte an diesem Abend oft nachdenklich und klein mit Hut, saß gekrümmt in seinem Stuhl. Denn er musste selbst eingestehen: Die Bereitschaft der Gesellschaft für den Klimaschutz hat er anscheinend überschätzt.


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