In Riad wurde über das Schicksal der Ukraine debattiert. Bei "Markus Lanz" äußerte sich BSW-Politiker Fabio De Masi mit besorgniserregenden Worten zur Zukunft des Landes. Als es dabei um die Wiederaufnahme von Geschäften mit Russland ging, geriet der Politiker mit dem ZDF-Moderator aneinander.

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Die jüngsten Gespräche zwischen den USA und Russland gelten als höchst besorgniserregend. Bei "Markus Lanz" warnte BSW-Politiker Fabio De Masi jedoch vor einem europäischen Wettrüsten und behauptete, dass die Ukraine in einen nicht zu gewinnenden Krieg gelockt wurde.

Das Thema der Runde

Chefdiplomaten aus Amerika und Russland haben aktuell mehrere Stunden in Riad verhandelt. Bei den Gesprächen ging es unter anderem um den weiteren Kriegsverlauf in der Ukraine sowie um mögliche Friedensverhandlungen. Die Gespräche in Riad sind jedoch umstritten, da weder Vertreter der Ukraine noch europäische Ukraine-Verbündete vor Ort waren. Markus Lanz nahm dies zum Anlass, über die Rolle Europas in der Welt zu debattieren.

Die Gäste

  • Karin Prien: Die CDU-Vizevorsitzende warnt nach der provokativen Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance: "Wir wachen gerade in einer neuen Epoche auf und wir werden uns in rasanter Geschwindigkeit verändern müssen."
  • Fabio De Masi: Der BSW-Politiker stellt klar, dass Europa aus Sicht der Amerikaner längst nicht mehr ernst genommen werde: "Trump verhandelt und Europa zahlt."
  • Ulrike Winkelmann: Die Journalistin sagt über die Rede von J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz: "Das ist eine Form von Bösartigkeit, die wir bis jetzt nicht kannten."
  • Bojan Pancevski: Der Europa-Experte sieht die Gefahr, dass Europa "unregierbar" wird: "Die Europäer haben sich in den letzten drei Jahren selbst verzwergt."
Markus Lanz, Karin Prien, Fabio De Masi, Ulrike Winkelmann, Bojan Pancevski
ZDF-Moderator Markus Lanz spricht mit seinen Gästen (v.l.n.r.) Karin Prien, Fabio De Masi, Ulrike Winkelmann und Bojan Pancevski am Dienstagabend über europäische Sicherheitspolitik. © ZDF / Markus Hertrich

Das Wortgefecht

Europa-Experte Bojan Pancevski warnte am Dienstagabend deutlich vor dem desaströsen Zustand der deutschen Bundeswehr und der fehlenden Wehrhaftigkeit Europas gegen die russische Armee: Es sei "bitter, dass der reichste Binnenmarkt der Welt nicht in der Lage ist, schnell etwas zu leisten, wenn es zu leisten gilt".

Eine Meinung, die BSW-Politiker Fabio De Masi offenbar nicht teilen konnte, denn: "Auf der einen Seite sagt man, der Russe ist ganz schwach. Aber auf der anderen Seite malt man immer an die Wand, der steht morgen vor dem Brandenburger Tor. Das passt nicht zusammen." De Masi warnte deshalb vor einem unnötigen Rüstungswettlauf und hohen Militärausgaben. Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Sie würden Nordstream 2 wieder aufmachen?"

Statt konkret zu antworten, reagierte De Masi schwammig und sagte, man müsse sehen, "dass diese Sanktionen uns mehr geschadet haben, als dass sie Putin geschadet haben". Laut dem BSW-Politiker könne Nordstream 2 auch "ein Anreiz sein, dass wir Putin an den Verhandlungstisch bekommen". Lanz hakte sichtlich irritiert nach: "Sie hätten kein Problem damit, mit diesem Kriegsverbrecher einfach wieder ganz normal Geschäfte zu machen?" Eine Frage, auf die Fabio De Masi trocken konterte: "Wir machen Geschäfte mit Saudi-Arabien." Lanz stichelte prompt zurück: "Das ist alles Whataboutism! Das macht es nicht besser."

Auch CDU-Politikerin Karin Prien schoss zurück: "Putin ist ein neoimperialistischer Aggressor!" Einem "solchen Potentaten" könne man laut Prien "nur durch Stärke begegnen". Sie ergänzte wütend: "Ich teile Ihre Auffassung überhaupt nicht, Herr De Masi. Ganz im Gegenteil! Ich glaube, der versteht nur klare Worte. Der versteht nur Stärke." Es fehle "nicht an der wirtschaftlichen Kraft, sondern es fehlt uns an dem politischen Willen". Prien warnte in dem Zusammenhang: "Jetzt werden wir erwachsen werden müssen."

Fabio De Masi sah dies offenbar anders, denn er stellte die Frage in den Raum, ob man auch aufhören würde, Geschäfte mit Amerika zu machen, sollte Trump seine Grönland- und Gaza-Pläne in die Realität umsetzen. "Wir müssen diese Dinge doch einmal zu Ende denken! Ich rechtfertige nicht den Angriff von Putin", so De Masi. Die entscheidende Frage sei jedoch: "Schadet es Putin oder schadet es uns?" Daraufhin platzte es aus Markus Lanz heraus: "Das ist das einzige Thema? Nur diese ökonomische Kategorie? Sonst geht es an keiner Stelle irgendwann mal um Moral, um Werte?" Der BSW-Mann konterte unbeeindruckt: "Wenn es um Moral ginge, dann würden die Saudis nicht wieder unsere dicksten Kumpels sein!" Ein Argument, das Karin Prien nicht durchgehen ließ: "Die sind ja auch nicht unsere dicksten Kumpels. Davon kann doch gar keine Rede sein!"

Die Offenbarung des Abends

Mit den aktuellen Bildern aus Riad wurde einmal mehr deutlich, dass Europa in Bezug auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine kaum Verhandlungsstärke zeigt. "Egal, wohin man da guckt - Europa findet an diesem Tisch nicht statt", so Markus Lanz besorgt. Dem musste auch Karin Prien zustimmen: "Es ist eine neue Epoche, in der unsere westliche Wertegemeinschaft offensichtlich nicht mehr trägt und in der die Amerikaner überhaupt kein Problem haben, ohne die Ukraine (...) und ohne die Europäer und über deren Kopf hinweg zu verhandeln. Das macht mir große Sorgen und insofern sind das schon bittere Bilder."

BSW-Politiker De Masi fügte nachdenklich hinzu: "In Brüssel herrscht eine große Hilflosigkeit. Ich nehme dort seit vielen Monaten (...) Durchhalteparolen wahr und ich glaube, das war ein großer Selbstbetrug. (...) Trump wird uns die Rechnung für diesen Konflikt vor die Füße kehren." Eine Annahme, die auch Markus Lanz teilte: "Er hat's angekündigt! Was mich so erstaunt ist das Erstaunen darüber, dass das jetzt passiert."

De Masi nickte energisch: "Absolut. Ich fühle mich in meiner Prognose bestätigt." Der BSW-Politiker weiter: "Im Prinzip haben wir damit die Ukraine verraten, die in einen nicht gewinnbaren Konflikt geführt wurde." Ein Argument, das Journalistin Ulrike Winkelmann so nicht akzeptieren wollte: "Nein! Ich finde es immer toll, wie schlau alle immer gewesen sein wollen. Dabei wissen doch alle (...), wie wenig steuerbar diese Ereignisse waren und ja erkennbar auch sind." Europa-Experte Pancevski zeigte sich indessen verhalten und sagte, dass Donald Trump Europa mittlerweile als "einen geopolitischen Zwerg" wahrnehme - berechtigterweise: "Europa hat offenbar keinen Plan, ist nicht vorbereitet auf diese Verhandlung und hat keine Vorschläge zu machen", so Pancevski.

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" wurde nicht nur über die Zerrissenheit Europas, sondern auch das zerrissene Deutschland so kurz vor der Bundestagswahl debattiert. Lanz wollte dabei wissen, ob die Brandmauer überhaupt von Dauer sein könne. Besonders Europa-Experte Pancevski zweifelte an der Standhaftigkeit und merkte an: "Die Brandmauer hat in Österreich nicht gehalten. In Frankreich aber auch nicht." Mit Blick auf die AfD, die in Umfragen bei über 20 Prozent liegt, gab der Experte daher zu, dass er "gespannt" sei, "ob es in Deutschland funktioniert".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich