Brexit-Talk. Mal wieder. Am Mittwochabend hat sich Sandra Maischberger wieder des möglichen Austritts Großbritanniens aus der EU angenommen, diesmal unter dem Thema: "Das Brexit-Drama: Kann das Chaos noch verhindert werden?" Doch auch, wenn leidenschaftlich diskutiert wurde, wirklich Neues gab es nicht.
So langsam wird’s ernst. Erst verhandelte Premierministerin
In wenigen Tagen steht ein harter Brexit bevor. Wie es jetzt weitergehen kann, diskutierte
Mit diesen Gästen diskutierte Sandra Maischberger:
- Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg
Jörg Meuthen (AfD), ParteivorsitzenderAnja Kohl , ARD-Börsenexpertin- Rolf-Dieter Krause, ehemaliger ARD-Korrespondent in Brüssel
- Anthony Glees, britischer Politikwissenschaftler
- Dirk Schümer, Europakorrespondent der "Welt"
Darüber diskutierte Sandra Maischberger:
Die Verfasstheit der Briten:
"Spinnen die Briten?", fragte Sandra Maischberger in Anlehnung an das Zitat aus "Asterix & Obelix". Man wisse von den Briten vor allem, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen, erklärte Rolf-Dieter Krause. Die Haltung der Briten sei so widersprüchlich: "Es zeigt sich nun, dass die Briten sich mit Europa wirklich nie befasst haben. Es gibt da eine große Unkenntnis über Europa, auch in der politischen Klasse. Ich habe selten so viel Abstand zur Realität erlebt wie im House of Commons."
Ähnlich sieht es auch Anthony Glees. Wenn es ein zweites Referendum gäbe, wären, so Glees, die Briten wenigstens besser informiert. Das sei in der Vergangenheit offenbar nicht der Fall gewesen: "Letzten Sommer musste jemand zum Kabinett gehen und dem Kabinettsminister erklären, was die Zollunion ist."
Verschiebung:
Für Jean Asselborn ist eine Verschiebung ohne einen Plan dahinter ohnehin keine Option: "Es gibt, glaube ich, auch keine Verlängerung, wenn nicht ein Plan dahintersteckt. Es kann nicht sein, was Madame May sagt, dass sie noch mehr Zeit brauchen, um die Gesetze fertigzustellen, um den Brexit auf die Schiene zu bringen. Das genügt nicht."
Hauptschuld:
Wer trägt die Hauptschuld an der aktuellen Situation, will Sandra Maischberger wissen.
Die Hauptschuld sieht Jörg Meuthen wenig überraschend mal wieder bei
Jean Asselborn will das nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen: "Die Briten haben jahrzehntelang ohne Restriktionen die Menschen aus Osteuropa zu sich genommen, weil sie diese für ihre Wirtschaft gebraucht haben. Auf einmal haben sie gesehen: Das sind zu viele, also raus mit euch!' Das hat nichts mit der Flüchtlingswelle zu tun. Das waren doch keine Flüchtlinge, die in Großbritannien gearbeitet haben!"
Noch deutlicher wird Rolf-Dieter Krause: "Es ist ja eine ganz andere Zuwanderung, Herr Meuthen. Sie regen sich auf über die muslimischen Einwanderer. Die Briten regen sich auf über die europäischen Einwanderer. Es ist ein so wunderbares Beispiel dafür, wie Fakten verdreht wurden von Populisten, die da Emotionalisierung betrieben haben. De facto hat Europa die Briten vor Einwanderung geschützt. Die Franzosen vor allem haben den Drecksjob gemacht für die Briten."
"Es war das große Kunststück von Nigel Farage, die Emigranten aus Osteuropa mit den Migranten aus Nordafrika und Südasien alle in einen Topf zu werfen", ergänzt Anthony Glees.
Folgen eines harten Brexits
Jörg Meuthen ist sich sicher, dass hier ein bisschen zu pessimistisch auf Großbritannien geblickt werde: "So dicke kommt es nicht."
Anja Kohl sieht das ganz anders: "Die EU käme mit einem Brexit klar, auch mit einem harten Brexit. Nicht ganz so gut klar käme Großbritannien. Was fürchten die britischen Politiker denn? Sie fürchten, dass alle Masken fallen und dass sie am Ende nackig dastehen, dass sie das zu verantworten haben, was ihr Land jetzt zu facen hat, wenn dieser Brexit kommt und am Ende vielleicht das Königreich auseinanderbricht."
Das Rededuell des Abends:
Anja Kohl gegen Jörg Meuthen. Der AfD-Politiker sieht als ultima ratio ein Verlassen Deutschlands aus der EU, sollte die sich nicht ändern und zwar "in einem britischen Sinn". Supranationale Ideen, wie die von Macron, lehnt Meuthen ab.
Die Frage Maischbergers, ob sie Hoffnung ins europäische Projekt habe, nimmt Anja Kohl als Gelegenheit, Meuthen deutlich zu kritisieren: "Die Frage ist, warum handelt Emmanuel Macron? Weil es an den Rändern ausufert. Und ein Begriff wurde genannt: Dexit und die AfD hat ihn verwendet. Auf einmal heißt es: 'Haben wir doch nicht so gemeint. Wir sind ja doch für die EU und wollen sie reformieren.'"
Warum Meuthen mit seinem Dexit als letzte Option eine Menge aufs Spiel setze, erklärt ihm Kohl auch: "Es ist ein Trugschluss, zu glauben, man geht aus der EU raus und man behält den Euro. Das geht nicht. Dann lösen Sie den Euro auf. Deutschland ist der größte Gläubiger im Euro-System. Dann stellen Sie die Schulden fällig. Griechenlands, Italiens, et cetera. Die werden das nicht zurückzahlen können und dann haben Sie einen Systemzusammenbruch. Wissen Sie, was das heißt für unsere Gesellschaft, für unsere Wirtschaft, für unsere Sozialsysteme, für unsere Renten? Erklären Sie das mal den Leuten und schreien Sie nicht einfach Dexit in einen Wald hinein!"
Das Fazit:
"Hand auf's Herz, es liegen alle Optionen auf dem Tisch. Es wird sich in drei Monaten nicht ändern und in sechs Monaten nicht", urteilt Anja Kohl gleich zu Beginn über die aktuelle Situation und eine Verschiebung des Austritts und hätte damit das Verhältnis zwischen dem Brexit und seiner Daueraktualität in politischen Talkshows nicht besser beschreiben können.
Seit Monaten wird dort nämlich über den Brexit diskutiert, ohne dass es seitdem irgendwelche Erkenntnisgewinnzuwächse für den Zuschauer gegeben hätte. Das Einzige, das sich ändert, ist der verbleibende Zeitraum bis zum Austrittsdatum.
Alle Argumente, Meinungen und Prognosen wurden bereits ausgetauscht und auch die jüngste Runde bei Maischberger konnte dem bereits Gehörten nichts oder fast nichts Neues hinzufügen.
Und so bleibt nach all dem Gerede über Brexit, harten Brexit, Dexit, Backstop, Zollunion und Co. vielleicht am Ende der Runde als Einziges der Satz von Anja Kohl hängen, der auch hin und wider einmal gesagt werden sollte: "Die Briten werden unheimlich fehlen."
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