Wie streitet man über wichtige Themen wie die Energiewende, ohne dabei die Gräben in der Gesellschaft zu vertiefen? Bei "Markus Lanz" diskutierten am Dienstagabend unter anderem Cem Özdemir und Peter Altmaier über die Debattenkultur in Deutschland.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Seitdem der erste Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes öffentlich wurde, diskutiert Deutschland darüber, wie die Energiewende gestaltet werden kann - und welche Belastungen sie für den einzelnen Bürger bedeutet. Die Debatte, die darüber auch innerhalb der Ampelkoalition entbrannt ist, schadet der Regierung - vor allem aber den Grünen.

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Mit Blick auf die steigenden Umfrageergebnisse der AfD und die immer größer werdende Spaltung innerhalb der Gesellschaft debattierten am Dienstagabend Grünen-Politiker Cem Özdemir und CDU-Mann Peter Altmaier bei "Markus Lanz" über die Energiewende und die Fehler der Ampelkoalition.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Der Ukraine-Krieg, die Flüchtlingskrise und das Heizungsgesetz sorgen in Deutschland für jede Menge Diskussionsstoff. Viele Bürger im Land sorgen sich um ihren Wohlstand und die Zukunft der nächsten Generation, auch innerhalb der Regierung gibt es mächtig Reibungspotenzial.

Bei "Markus Lanz" äußerten sich Grünen-Politiker Cem Özdemir und Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier offen zum Ampel-Streit sowie dem Höhenflug der AfD. Zudem sprachen ein Militärexperte und ein Bauingenieur über die möglichen Hintergründe des zerstörten Staudamms in der Ukraine.

Das sind die Gäste

  • Cem Özdemir, Grünen-Politiker und Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: "Wir wären heute an einem anderen Punkt, hätte man damals mit dem Ausstieg aus Atom gleichzeitig den Einstieg in Erneuerbare angepackt."
  • Peter Altmaier, CDU-Politiker und Ex-Bundeswirtschaftsminister: "Wer Politik macht, wer Entscheidungen trifft, der macht auch Fehler."
  • Julia Löhr, "FAZ"-Redakteurin: "Diese Debatte um das Heizungsgesetz - das ist in der Tat etwas, das habe ich so auch noch nicht erlebt."
  • Christian Mölling, Militärexperte und stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik über den zerstörten Staudamm in der Ukraine: "So ein Versagen kündigt sich ja eigentlich auch vorher an."
  • Daniel Bachmann, Bauingenieur und Professor für Hydromechanik, hydrodynamische Modellierung und Hochwasserrisikomanagement: "Man muss wissen, dass dieser Staudamm ein Frontabschnitt war."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung machten Grünen-Politiker Cem Özdemir und Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier deutlich, dass zwischen ihnen trotz klarer Partei-Unterschiede nichts als Harmonie herrsche. Statt auf die Freundschaft der beiden Politiker einzugehen, stürzte sich Markus Lanz dennoch auf die politischen Machtkämpfe innerhalb der Ampelkoalition. "Warum sehen viele bei den Grünen plötzlich rot?", wollte der ZDF-Moderator wissen. Dazu sagte Altmaier zunächst: "Wer Politik macht, wer Entscheidungen trifft, der macht auch Fehler." Der CDU-Mann forderte deshalb von der Regierung eine ehrliche Zusammenarbeit, denn "die Aufgaben sind so groß, dass eine einzige Partei alleine sie gar nicht wird lösen können." Lanz fragte in dem Zusammenhang kritisch: "War das politische Klima jemals so verhärtet?"

Journalistin Julia Löhr antwortete prompt: "Diese Debatte um das Heizungsgesetz - das ist in der Tat etwas, das habe ich so auch noch nicht erlebt." Lanz stimmte nachdenklich zu: "Da ist eine richtige Wut." Julia Löhr ergänzte: "Eines der Probleme ist, dass die aktuelle Regierung - und speziell Herr Habeck - den zweiten Schritt vor dem ersten macht." In Bezug auf die Streitigkeiten zwischen Christian Lindner und Robert Habeck sagte die Journalistin: "Wir erleben gerade so ein bisschen den Kampf der Egos." Dieser Kampf habe laut Löhr mittlerweile auch sprachlich ein Niveau erreicht, das der politischen Debatte nicht guttue. Mit Blick auf die teils sehr ambitionierten Pläne der Regierung, wenn es um Themen wie die Energiewende geht, fragte Markus Lanz in Richtung Cem Özdemir: "Überfordern wir gerade das Land?"

Der Grünen-Politiker dementierte dies und erklärte, dass Deutschland nun mal die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sei: "Und wenn wir das weiterhin bleiben wollen, müssen wir ein paar Sachen ändern." Um nicht nur die Klimakrise, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern, warb Özdemir für klare Maßnahmen: "Die Alternative kann nicht sein, dass ich mich einfach zurücklehne und nichts mache. Davon hatten wir ja genug und das hat dem Land nicht gutgetan."

Altmaier kritisierte bei "Markus Lanz" derweil das Gebäudeenergiegesetz und sagte: "Die Leute haben Angst um ihre Besitzstände und ihre Lebensleistung." Dennoch stellte er klar, das die Debatte nicht zu einer politischen Spaltung führen dürfe, denn man müsse "seinen politischen Gegner immer in seiner Würde respektieren". Altmaier warnte deshalb: "Was wir im Augenblick sehen, ist doch, dass gerade bei den (...) sehr weit am rechten Rand vertretenen Wählern und Unterstützern der AfD, in einer Art und Weise die persönliche Integrität auch des Wirtschaftsministers infrage gestellt wird."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die Klima-Debatte redete sich Peter Altmaier derweil bei "Markus Lanz" in Rage und sagte, dass die Kritik an der "Letzten Generation" nicht damit zu vereinbaren sei, gleichzeitig die von der Koalition beschlossenen Klimaziele zu ignorieren: "Wir können gar nicht klar genug sagen, dass die Klimakleber gegen Gesetze verstoßen und das geahndet werden muss. Aber dann können wir doch nicht sagen, wenn wir als Politiker ein Gesetz umsetzen müssen, interessiert es uns nicht."

Darauf sagte Cem Özdemir sichtlich überrascht: "Das kann ich unterschreiben." Lanz stellte lachend fest: "Das ist so ungefähr die Position von Luisa Neubauer letzte Woche." Journalistin Julia Löhr fokussierte sich derweil lieber auf die Vergangenheit des Ex- Bundeswirtschaftsministers und kritisierte: "Wenn Sie der Klimaschützer als Minister gewesen wären, als der sie sich hier so präsentieren, dann hätten wir viele der Diskussionen, die wir jetzt heute führen, nicht."

Löhr ergänzte, dass das Thema Klimaschutz in der Regierung Merkel damals darauf beschränkt gewesen sei, "Zahlen in Gesetze zu schreiben", man hätte auch zu seiner Zeit als Minister schon über Heizungen sprechen können: "Da ist einfach vieles liegengeblieben." Laut Löhr sei Robert Habeck genau deshalb jetzt in einer Zwickmühle, denn: "Er will halt jetzt das, wofür andere Länder viele Jahre gebraucht haben, (...) jetzt in kurzer Zeit durchsetzen." Die "FAZ"-Redakteurin unterstellte der alten Regierung derweil, die öffentliche Debatte gescheut zu haben: "Bislang war Klimaschutz etwas Abstraktes."

Diese Vorwürfe wollte der CDU-Mann nicht unkommentiert lassen: "Man kann der Regierung, der ich angehört habe, vieles vorwerfen, aber nicht, dass man im Jahr 2005 oder 2006 nicht die Ziele umgesetzt hat, die wir uns alle in der Welt oder in Europa erst 2020 oder 2021 gesetzt haben." Ein Argument, bei dem Cem Özdemir schmunzeln musste. Er konterte selbstbewusst: "Darf ich bisschen Wasser in den Wein gießen?" Während Özdemir stichelte, dass Altmaiers Worte fast schon "etwas Präsidiales" an sich hätten, stellte der Grünen-Politiker klar: "Wir wären heute an einem anderen Punkt, hätte man damals mit dem Ausstieg aus Atom gleichzeitig den Einstieg in Erneuerbare, den Ausbau der Netze, angepackt."

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es am Dienstagabend, seine Gäste in eine spannende Debatte zu verwickeln, die jedoch zu keinem Zeitpunkt aus dem Ruder lief. Statt unzählige haltlose Vorwürfe zu verteilen, kritisierten sich vor allem Peter Altmaier und Cem Özdemir auf fachlicher Ebene, ohne ausfallend zu werden.

Lanz hakte immer wieder interessiert nach und ließ dennoch allen anwesenden Talk-Gästen genügend Freiraum, ihren Argumenten Ausdruck zu verleihen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" debattierten die Gäste am Dienstagabend - allen voran Grünen-Politiker Cem Özdemir und CDU-Politiker Peter Altmaier - über die brennendsten Baustellen der Regierung. Besonders Cem Özdemir machte immer wieder deutlich, wie wichtig ein offener Diskurs sei und stellte mit Blick auf den Aufstieg der AfD klar: "Die Brandmauer zum Irrsinn, die wird gerade massiv eingerissen. (...) Wir verlieren da alle in der Demokratie."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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