Ein Fernsehinterview im öffentlich-rechtlichen ORF mit FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky artet zum Eklat aus - und befeuert die Diskussion um den Zustand der Pressefreiheit in Österreich. Das Land habe seine weiße Weste verloren, urteilt die Organisation Reporter ohne Grenzen.
Österreich und die Pressefreiheit - das ist derzeit eine komplizierte Beziehung. Die Analyse von Reporter ohne Grenzen ist unmissverständlich: Österreich hat seine weiße Weste verloren. Im ersten Jahr der rechtskonservativen Regierung von ÖVP und FPÖ ist die Alpenrepublik in der Rangliste der Pressefreiheit von Rang 11 auf 16 abgerutscht.
Es ist noch nicht lange her, dass die NGO diese Bewertung zur Pressefreiheit veröffentlicht hat - doch die österreichische Politik lieferte schnell neuen Diskussionsstoff. Dass vor allem die FPÖ ein schwieriges Verhältnis zu den Medien im Allgemeinen und zum öffentlich-rechtlichen ORF im Speziellen hat, wird derzeit an einem völlig ausufernden Streit um ein Interview deutlich.
Der preisgekrönte Moderator
"Skandal der Sonderklasse"
Im Gespräch mit Vilimsky stellte Wolf den Vergleich zwischen einer Darstellung von Menschen auf einem Plakat der FPÖ-Jugend, die offensichtlich Migranten sein sollen, und einem Bild aus der antisemitischen NS-Zeitung "Der Stürmer" an. Für Vilimsky ein "Skandal der Sonderklasse", der nicht ohne Folgen bleiben könne, wie er sagte.
In den Tagen danach forderte der FPÖ-Politiker den ORF auf, Wolf rauszuwerfen. Der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates, Norbert Steger (FPÖ), empfahl Wolf ein Sabbatical. Eine FPÖ-Politikerin aus Wien warf Wolf einen Verhörton wie von einem Staatsanwalt vor und kritisierte, er könne auch "vor einem Volksgerichtshofs auftreten". Dort wurden während der NS-Zeit nicht zuletzt zahlreiche Todesurteile verhängt.
"Ich halte das nicht für einen Zufall, dass Harald Vilimsky jetzt da so ausfällig geworden ist", sagt Rubina Möhring. Die 69-Jährige ist Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich - und sie ist besorgt. Der Vorfall sei die Bestätigung für eine offensichtlich vorhandene Tendenz in Österreich, dass Medien eingeschüchtert und Veränderungen im ORF lanciert werden. "Die FPÖ übernimmt dabei die Drecksarbeit, und Kurz kann sich die Fingernägel polieren."
Vor allem ein Umbau des ORF stellt für sie eine große Gefahr dar. Am Dienstag sagte Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dass er "wie ein Löwe" dafür kämpfen wolle, dass die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeschafft werden. Die FPÖ wünscht sich stattdessen eine Finanzierung aus Steuern. "Wenn der ORF aus dem Budget finanziert wird, dann wäre das sehr negativ für Österreich. Denn dann könnte er eine Plattform für die Propaganda der Regierung werden", sagt Möhring.
Auch so bemüht sich die Regierung schon, ihre Kommunikation nach außen genau zu steuern. Laut dem Wiener Magazin "Falter" umfasst die Organisationseinheit "Regierungssprecher" im Bundeskanzleramt insgesamt 120 Stellen. Im ersten Jahr wirkten öffentliche Aussagen der Regierung meist sehr gut abgestimmt, die Koalitionäre präsentierten sich in Einigkeit, die FPÖ hielt sich mit grenzwertigen Aussagen oft zurück.
Wolf will keine Auszeit nehmen
Seit einigen Wochen - pünktlich zum EU-Wahlkampf - werden die Grenzen aber wieder ausgetestet, zuletzt war dann doch öfter von Streit in der Koalition die Rede. Der Kanzler kam daher nicht umhin, etwa eine klare Abgrenzung der FPÖ von den rechtsextremen "Identitären" zu fordern. Zum Interview von Wolf und Vilimsky hat sich Kurz, der in den vergangenen Tagen in China war, aber bisher nicht geäußert.
Armin Wolf dagegen hat das sehr ausführlich getan. "Ich überlege in der Vorbereitung von Interviews grundsätzlich nicht, ob Fragen dem Gast nützen oder schaden", schrieb der 52-Jährige in seinem Blog. "Ich überlege, ob die Fragen – und die Reaktion des Gastes darauf – für das Publikum der "ZiB2" aufschlussreich sind." Was das Sabbatical-Angebot betrifft, können seine Fans beruhigt sein: "Ich werde übrigens keine Auszeit nehmen."
Frauke Gerlach, die Direktorin des Grimme-Instituts in Marl, warnt unterdessen vor ähnlichen Einschüchterungsversuchen in Deutschland. Es gehöre zum journalistischen Handwerk, Politiker jedweder Couleur kritisch und hart zu befragen. Dies geschehe auch. "Was hat sich Helmut Kohl nicht alles sagen lassen müssen?", sagte Gerlach der Deutschen Presse-Agentur.
Die Neutralität des Journalisten ende allerdings, wenn der Boden des Grundgesetzes und die damit verbundene Wertegemeinschaft verlassen werde. Es sei die Pflicht der Journalisten, Demokratie und Rechtsstaat offensiv zu verteidigen. "Das sind die Leitplanken für unseren Journalismus und ganz besonders für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk." (dpa/best)
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