• Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet lehnt zentrale Forderungen der Grünen im Wahlkampf strikt ab.
  • Sein Hauptargument: Die Vorhaben seien zu wenig "sozialverträglich".
  • Allerdings sperrte sich die Union selbst zuletzt immer wieder gegen soziale Reformen.
Eine Analyse

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Armin Laschet setzt sich vehement für Mallorca-Urlauber ein. "Eine Flugverteuerung von 50 bis 60 Euro trifft im Zweifel einen Kleinverdiener, der sich einmal im Jahr eine solche Urlaubsreise leistet", sagte der Kanzlerkandidat von CDU und CSU schon Mitte Mai. Damals ging es um Forderungen von Grünen und SPD, Kurzstreckenflüge abzuschaffen und Urlaubsbilligflüge zu verteuern.

Am Wochenende legte der CDU-Chef nach: "Die Energiewende muss sozialverträglich sein. Das fehlt mir bei den Grünen", sagte der CDU-Chef der "Bild am Sonntag". "70 Euro mehr für einen Mallorca-Flug können sich Besserverdienende locker leisten, für so manche Familie aber kann das den Traum vom Sommerurlaub beenden."

Fakt ist: In den 16 Jahren, in denen die Union das Land regiert, ist im Gegensatz zur Wahlkampfrhetorik Laschets die soziale Ungleichheit gestiegen: Arme sind immer ärmer geworden, Reiche immer reicher.

Dazu kommt: Die Armut in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verfestigt: Für Langzeitarbeitslose und Menschen in prekären Jobs gibt es immer weniger Aufstiegsmöglichkeiten, wie aus dem Mitte Mai veröffentlichten sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervorgeht.

Daran ist die CDU nicht alleine schuld, weder für die Wirtschafts- noch für die Coronakrise kann die Partei etwas. Aber wie kaum eine andere lehnt die Union Reformen und konkrete Verbesserungsvorschläge für Arme und Geringverdiener ab – drei Beispiele:

1. Mindestlohn

Bereits der Einführung des Mindestlohnes 2015 ging ein langes Ringen mit der Union voraus. Aktuell liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze bei 9,50 Euro. Zum 1. Juli steigt der Betrag auf 9,60 Euro, zum 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro und zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro.

SPD und Grüne wollen einen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro, die Linkspartei sogar von 13 Euro. Der Union geht das zu weit und zu schnell. "Ein ständiger parteipolitischer Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn schwächt die Tarifpartner und schadet", kommentierte Laschet den entsprechenden Parteitagsbeschluss der Grünen.

2. Hartz-IV-Regelsatz

Anfang des Jahres hatte ein breites Bündnis von 36 Gewerkschaften und Verbänden angesichts der Corona-Pandemie eine Anhebung der Regelsätze von Hartz IV und Altersgrundsicherung auf mindestens 600 Euro gefordert. Der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende liegt derzeit bei 446 Euro. Paare erhalten pro Partner 401 Euro.

Der Wirtschaftsrat der CDU wies jedoch die Forderung vehement zurück. "Die Corona-Pandemie wird hier mal wieder als Begründung genutzt, alle möglichen alten Forderungen auf die Tagesordnung zu setzen", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger im Januar dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Gerade in der Corona-Krise fordere der Job – häufig gepaart mit Homeschooling, Sorgen um die Gesundheit oder Sorgen um den Arbeitsplatz – vielen Arbeitnehmern im Land besonders viel ab, sagte Steiger. Das müsse sich auch lohnen.

3. Mietendeckel

Gerade in den Großstädten und noch mehr in den Metropolen fehlen bezahlbare Wohnungen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im April das Berliner Mietendeckel-Gesetz gestoppt hatte (weil für Mietrecht der Bund und nicht die Länder zuständig sind), werden die Forderungen nach einer bundesweiten Regelung lauter.

"Wo Wohnungen knapp sind, da dürfen die Mieten nicht stärker steigen als die Inflation", sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Mai. Wie auch Grüne und Linkspartei halten Sozialdemokraten einen gesetzlichen Mietenstopp – neben einem Bauprogramm – für notwendig.

Einen solchen deutschlandweiten Mietendeckel lehnt Laschet hingegen ab. Neue Gesetze seien nicht nötig, sagte er vergangenen Donnerstag. "Wohnungen entstehen nicht durch Ideologie, sondern durch Förderung derer, die bereit sind, in Wohnungen zu investieren."

Und die Wohlhabenden?

Forderungen des Grünen-Parteitags nach höheren Steuern für Top-Verdiener erteilte der CDU-Chef eine Absage: "Nach einer Krise, wie wir sie jetzt in den letzten Monaten erlebt haben, sind Steuererhöhungen aber sicherlich eine ganz falsche Idee." Sie träfen "besonders den Mittelstand und die Familienunternehmen und würden den Aufschwung nach der Krise gefährden".

Zur Erinnerung: Laut des Armuts- und Reichtumsberichts besitzen die oberen zehn Prozent der deutschen Gesellschaft fast 64 Prozent des Netto-Gesamtvermögens (sie sorgen aber nur für die Hälfte der Einkommensteuer-Einnahmen). Im Coronakrisen-Jahr 2020 erhöhte sich in Deutschland laut einer Analyse der Unternehmensberatung Boston Consulting Group die Zahl der Dollar-Millionäre um 35.000 auf 542.000. Hierzulande leben demnach 2.900 Superreiche mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar, so viel wie in kaum einem anderen Land.

Mit Material von dpa und AFP.

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