- Gut vier Monate vor der Bundestagswahl hat Franziska Giffey ihren Rücktritt als Familienministerin erklärt.
- Diskussionen um ihre Doktorarbeit haben zu der Entscheidung der SPD-Politikerin geführt.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte mit "großem Bedauern".
Bundeskanzlerin Angela
"Franziska Giffey hat in der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt, dass sie mich bittet, dem Herrn Bundespräsidenten ihre Entlassung aus dem Amt der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorzuschlagen", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. "Ich nehme diese Entscheidung mit großem Respekt, aber ich sage auch mit ebenso großem Bedauern entgegen."
Merkel verliert in Giffey einzige ostdeutsche Frau am Kabinettstisch
Sie habe mit Giffey sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Dafür danke sie ihr von Herzen. "Sie hat sich mit Leidenschaft und Geschick für ihre politischen Themen eingesetzt", sagte Merkel. Wichtige und bleibende Fortschritte seien für Familien, Frauen, Jugendliche und Senioren auf den Weg gebracht worden. "Ich wünsche ihr für die kommende Zeit alles Gute."
Mit Giffey verliert Merkel auch die neben ihr einzige ostdeutsche Frau am Kabinettstisch. Wann Bundespräsident
Giffey zieht Konsequenzen aus Verfahren um ihre Dissertation
Giffey hatte angesichts anhaltender Diskussionen um ihre Doktorarbeit am Mittwoch um ihre Entlassung aus dem Bundeskabinett gebeten.
"In den letzten Tagen sind erneut Diskussionen um meine Dissertation aus dem Jahr 2010 aufgekommen", erklärte Giffey zu ihrem Rücktritt. Auch wenn sie selbst weiterhin zu ihrer Aussage stehe, "dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe", ziehe sie die Konsequenzen "aus dem andauernden und belastenden Verfahren".
In einem laufenden Prüfverfahren der Freien Universität (FU) Berlin geht es um mögliche Plagiate Giffeys in ihrer Dissertation. Anfang Mai hatte die Hochschule mitgeteilt, der Bericht des Prüfgremiums liege vor, Giffey sei nun die Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen vier Wochen eingeräumt worden.
An ihrer Spitzenkandidatur für die SPD zur Berliner Abgeordnetenhauswahl im September will Giffey festhalten. Sie konzentriere sich nun auf diese "Herzenssache", erklärte sie.
SPD-Fraktionschef: "Giffey hat Wort gehalten"
Rolf Mützenich sagte Giffey die Unterstützung im Berliner Wahlkampf zu. "Weil sie Größe bewiesen und eben auch Wort gehalten hat, werden ihr das die Menschen mit Sicherheit auch hier in Berlin danken", sagte der SPD-Fraktionschef. Giffeys politische Karriere sei nicht zu Ende, sie verlagere sich jetzt nur in die Berliner Landespolitik.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte im TV-Sender Phoenix, er bedaure den Rücktritt Giffeys, der ihre Geradlinigkeit zeige.
Auch der Koalitionspartner würdigte Giffeys Arbeit. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe), Giffey sei eine "feine Kollegin" gewesen, die viel bewirkt habe. "Unsere Zusammenarbeit war ausgesprochen gut." In "Promotionsfragen" gebe es allerdings "seit Jahren einen Standard, dem sich kein Politiker bei Betroffenheit entziehen kann".
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben), er habe die Ministerin "immer sehr engagiert und sachorientiert erlebt". Persönlich schätze er "ihre optimistische und immer zugewandte Art".
Opposition fürchtet Vakuum an Spitze des Familienministeriums
Oppositionspolitikerinnen warnten vor einem Führungsvakuum im Familienministerium. "Die Bundeskanzlerin muss nun schnell für klare Verhältnisse sorgen und die Spitze des Familienministeriums neu besetzen", erklärte FDP-Fraktionsvize Katja Suding. "Angesichts der immensen sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie für unsere Kinder muss das Familienministerium handlungsfähig sein."
Die Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz schrieb auf Twitter, mitten in der Pandemie mit Kindern und Familien "als Hauptleidtragenden" brauche es ein starkes Ministerium. Giffey hätte früher den Weg für eine Nachfolge freizumachen sollen.
Rücktritte wegen Plagiaten gab es schon einige
Giffey ist nicht die erste Ministerin, die über einen Doktortitel stolpert. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle bekannt, in denen Politiker und Politikerinnen die Passagen in ihren Dissertationen nicht sauber dokumentiert haben. So trat CDU-Bundesbildungsministerin Annette Schavan nach dem Entzug ihres Doktortitels 2013 zurück. Zwei Jahre zuvor hatte es Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) getroffen.
Ob Giffeys Rücktritt der SPD-Kampagne zur Bundestagswahl schaden wird, ist offen. Eine Ministerin, die wegen einer Plagiatsaffäre den Hut nimmt, wirft kein gutes Licht auf ihre Partei. Andererseits sind die Vorwürfe gegen Giffey bereits seit Jahren bekannt. (hub/dpa/AFP)
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