• Wegen der Omikron-Variante ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach derzeit in Sorge um die Ungeimpften - doch auch Geimpfte sind anfällig für die Variante.
  • Eine kürzere Quarantäne soll möglicherweise helfen, das Land am Laufen zu halten.
  • Ein Immunologe mahnt jedoch an: Das funktioniere nur unter einer Voraussetzung.

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Unter dem Druck einer wachsenden Omikron-Welle in Deutschland wollen Bund und Länder über eine Verkürzung von Quarantänezeiten und Kontaktbeschränkungen beraten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet mit einer schnellen Entscheidung über eine Verkürzung der Quarantänefristen.

Sollte kritische Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung aufgrund von Quarantäne an die Grenzen geraten, könnten verkürzte Quarantänezeiten erforderlich sein, sagte ein Sprecher seines Ministeriums am Montag in Berlin. An diesem Dienstag soll der Expertenrat der Bundesregierung die Lage in einer Videokonferenz beraten.

Mehr Klarheit über Verbreitung der Corona-Variante Omikron

Bis zu den nächsten Bund-Länder-Beratungen auf Spitzenebene am Freitag soll es auch mehr Klarheit über die Verbreitung der Corona-Variante Omikron und das Ausmaß der Welle geben. Wegen der Feiertage waren die offiziellen Daten weiter lückenhaft.

Offiziell gab es zum Wochenstart 232,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und sieben Tagen. Somit stieg die Inzidenz laut Robert Koch-Institut (RKI) am fünften Tag in Folge an. Binnen eines Tages gab es 18.518 Corona-Neuinfektionen und 68 Todesfälle. Lauterbachs Sprecher bekräftigte, dass die Zahlen tatsächlich etwa zwei bis drei Mal höher ausfallen dürften. Bis Ende der Woche werde es "sehr valide Zahlen" geben.

Lauterbach sagte am Sonntagabend bei RTL/ntv: "Die Fallzahlen werden sehr stark steigen, und das wird dann auch viele Ungeimpfte treffen, und die sind nicht geschützt. Daher mache ich mir da große Sorgen."

Die Schritte zu den nächsten Corona-Beschlüssen:

Um zu verhindern, dass die Omikron-Welle zu groß werde, werde es bei der Bund-Länder-Runde "auf jeden Fall neue Beschlüsse geben", sagte Lauterbach. Dabei gehe es um eine Änderung bei der Quarantäne, aber zum Beispiel auch um die Frage, welche Kontaktbeschränkungen angemessen seien. Regierungssprecher Steffen Hebestreit nannte als Reihenfolge der Beratungen: Expertenrat, Staats- und Senatskanzleichefs, Regierungschefs - dann werde klar, "ob und wenn ja wann und was zu tun ist".

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), sagte in der ARD, bei der Ministerpräsidentenkonferenz werde unter anderem über die Fortsetzung der Booster-Kampagne gesprochen sowie über Daseinsvorsorge und Quarantäne-Regelungen.

In seiner ersten Stellungnahme hatte der Expertenrat mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Weihnachten vor einer "explosionsartigen Verbreitung" von Omikron und "hohen Risiken für die kritische Infrastruktur" gewarnt. Gemeint sind unter anderem Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung. Ob das Gremium erneut eine Stellungnahme abgebe, sei unklar, sagte Hebestreit. Der Rat - unter anderem mit dem Berliner Virologen Christian Drosten und seinem Bonner Kollegen Hendrik Streeck - solle offen diskutieren und tage vertraulich.

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) forderte die erneute Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite. Die Ampelkoalition hatte die Notlage als eine ihrer ersten Entscheidungen überhaupt auslaufen lassen. "Wir brauchen alle rechtlichen Mittel, die uns die Bundesgesetzgebung an die Hand gibt, um vor Ort und regional so reagieren zu können, wie wir das für richtig erachten", sagte Drese auf NDR Info. Zuvor hatten etwa schon Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg die Rückkehr zu dieser Rechtsbasis verlangt.

Verkürzte Quarantäne:

Heute gilt grundsätzlich: Bei engem Kontakt zu einer positiv auf Corona getesteten Person soll man für zehn Tage in häusliche Quarantäne. Diese kann mit einem negativen Antigen-Schnelltest auf sieben Tage verkürzt werden, mit einem negativen PCR-Test auf fünf Tage. Die Entscheidung über die Quarantäne liegt beim zuständigen Gesundheitsamt. Wenn das überlastet ist und sich zunächst nicht damit befasst, soll man selbstständig zu Hause bleiben.

Zu unterscheiden ist davon die Isolierung: Wer selbst infiziert ist, soll 14 Tage nach Symptombeginn in Isolierung - vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn sie danach symptomfrei und negativ PCR-getestet sind.

Zur möglicherweise verkürzten Zeiten sagte der Sprecher des Gesundheitsressorts: "Selbstverständlich darf man da nicht zu groß ins Risiko gehen." Die Gesundheitsämter könnten schon heute Unterschiede bei der Quarantänedauer machen.

Rechtlich sei es so, dass die Länder in der Verantwortung für entsprechende Regeln seien. Aber das RKI gebe dazu eine Empfehlung ab, die bundesweit gelte. Wüst sagte mit Blick auf die vergleichsweise leichteren Omikron-Verläufe, entschieden werden müsse, ob 14 Tage wirklich nötig seien oder ein paar Tage weniger auch in Ordnung wären.

Grünen-Experte Dahmen widerspricht Lauterbach: Verkürzte Quarantäne "nicht der richtige Weg"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will beim Bund-Länder-Gipfel über eine verkürzte Quarantänezeit für Geimpfte und Geboosterte abstimmen lassen. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sieht das Vorgehen kritisch. (Teaserbild: picture alliance/ Malte Ossowksi / Sven Simon)

Impfungen und Impfpflicht

Nicht geimpft sind laut RKI aktuell 21,5 Millionen Menschen in Deutschland. Darunter sind 4 Millionen Kinder bis vier Jahre ohne Impfmöglichkeit. 59,2 Millionen Menschen sind zweifach geimpft oder haben die Einmalimpfung von Johnson & Johnson erhalten. Das sind 71,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mindestens 32,3 Millionen Menschen - 38,9 Prozent - haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten. Gegen die Omikron-Variante nimmt der Immunschutz ohne eine solche Boosterimpfung mit der Zeit stark ab.

Dabei zieht die Corona-Impfkampagne im neuen Jahr langsam wieder an. Am Sonntag wurden mindestens 129.069 Impfungen verabreicht. Am Neujahrstag waren es demnach bundesweit gerade einmal 25.582 gewesen. Auch bei den Impfdaten gibt es laut RKI eine Untererfassung.

NRW-Regierungschef Wüst drückt bei der geplanten Corona-Impfpflicht aufs Tempo. Bevor Olaf Scholz (SPD) Kanzler geworden sei, habe er sie für Februar avisiert. "Das Wort muss auch gelten, wenn er Kanzler ist." Zu viele Menschen in Deutschland hätten bislang keine Erst- oder Zweitimpfung. "Wir brauchen diese Impfpflicht."

Immunologe: Quarantäne-Verkürzung funktioniert nur mit PCR-Test

Immunologe Carsten Watzl hält eine mögliche Verkürzung der Isolations- und Quarantänedauer nur in Kombination mit einem negativen PCR-Test für verantwortbar. "Das kann man nur seriös machen, wenn das mit einem negativen Test begleitet ist", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Deutschen Presse-Agentur. "Einfach so zu verkürzen, weil man sagt, sonst fallen zu viele Leute aus, dann lassen wir lieber Leute nach sieben Tagen raus, mit oder ohne Test – das würde ich für fahrlässig erachten." Schließlich könnten einige Menschen dann noch immer ansteckend sein und die Virus-Verbreitung beschleunigen.

Mit Blick auf die schon jetzt sehr rasche Ausbreitung der Omikron-Variante, könne es "durchaus Sinn machen", dass sich jemand nach fünf oder sieben Tagen freitesten könne, sagte Watzl – gerade, wenn es um die kritische Infrastruktur gehe. Schließlich könnten besonders vollständig Geimpfte, die sich infizierten, durch die Immunreaktion das Virus auch schneller und früher bekämpfen.

Allerdings sei dabei ein PCR-Test dringend angeraten, so Watzl. "Ganz klar: Ein Antigen-Schnelltest würde meiner Meinung nach nicht ausreichen." Entsprechende Pläne erforderten also zwingend, dass genügend PCR-Tests zur Verfügung stünden und durchgeführt werden könnten, betonte der Experte.

Eine möglicherweise verkürzte Inkubationszeit bei Omikron, wie sie vielfach beobachtet werde, könne zwar dafür sorgen, dass die Menschen schon nach kürzerer Zeit virusfrei seien als bei anderen Virusvarianten und dann auch schneller wieder am alltäglichen Leben teilnehmen könnten. Allerdings, so betonte Watzl, gebe es noch nicht genügend Daten zur tatsächlichen Dauer der Omikron-Infektionen. (pak/dpa)

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