Merz, Söder oder Wüst? Die Union diskutiert die K-Frage - doch die wahren Machtverhältnisse sind plötzlich anders als gedacht. Wer hält im Rennen um die Kanzlerkandidatur welche Trümpfe in der Hand?
Nach Wochen des Ärgers bekommt
In der CDU sorgen beide Nachrichten für einiges Aufsehen. Denn seit Mitte Juni war die Partei in Aufruhr, weil sich der NRW-Ministerpräsident
Wird Wüst als jüngerer Kronprinz der CDU positioniert?
Während Wüst mit seinem Vorstoß in den Medien allerlei Komplimente erhielt, weil die nun süffigen Stoff für ein dankbares Sommertheater hatten, kam der Vorstoß innerhalb der CDU gar nicht gut an. Dass ein Ministerpräsident, der sein Amt zu nicht geringen Teilen Merz verdankt, seinem Parteivorsitzenden offen in den Rücken fällt, gefällt vielen CDU-Mitgliedern, bei denen Loyalität einiges gilt, überhaupt nicht. Wüst habe unmittelbar vor dem kleinen CDU-Parteitag in Berlin "das Messer ausgepackt", so etwas schade der Geschlossenheit der Partei mitten in wichtigen Wahlkämpfen. Insbesondere in Hessen, wo in wenigen Wochen Wahlen anstehen, hört man von hochrangigen Christdemokraten: "Da verwüstet einer unseren Wahlkampf."
Aus dem Umfeld von Wüst wird daher seit einigen Tagen verteidigend verbreitet, man habe Merz nicht infrage stellen wollen. Die Absicht sei gewesen, Wüst als jüngeren Kronprinz der CDU langfristig in Position zu bringen. Nach der massiven innerparteilichen Kritik ist aus der Staatskanzlei in Düsseldorf nun sogar zu hören, dass Wüst "in Wahrheit gar keine Absicht" habe, bereits 2025 Kanzlerkandidat zu werden. Die Aura des Kandidatenkandidats sei zwar "nützlich für sein politisches Ansehen" - zugleich aber wolle Wüst keinesfalls "Laschet 2" werden. Er wisse, dass ein Ministerpräsident, der in seiner ersten Legislatur zum Absprung ansetze, verloren sei.
Tatsächlich ist Wüst erst seit gut einem Jahr überhaupt Ministerpräsident. In seiner Karriere hat er bislang keinerlei bundespolitische Ambition oder außenpolitische Kompetenz erarbeiten können. Die Kanzlerkandidatur würde negative Laschet-Assoziationen auslösen. Mit erst 47 Jahren kann Wüst hingegen noch auf seine Chance in Ruhe warten.
Die Positionierung von
Landtagswahlergebnis in Bayern wird für Markus Söder entscheidend
Auch in München ist die überraschende Wende im CDU-Machtkampf genau registriert worden. "Es ist gut, dass Hendrik Wüst Ruhe gibt", heißt aus dem CSU-Präsidium, denn auch in Bayern wird demnächst gewählt - und Geschlossenheit ist daher erwünscht. Zugleich diskutieren die Christsozialen aber munter selbst die Frage, ob nicht
Für Söders Chancen wird das Landtagswahlergebnis in Bayern von großer Bedeutung. Der bayerische Ministerpräsident muss, um bundespolitisch ernsthaft im Rennen zu bleiben, mindestens 43,4 Prozent der Stimmen erringen. Denn das war exakt das (miserable) Ergebnis von Ministerpräsident Günther Beckstein 2008 - und zugleich das zweitschlechteste in der CSU-Geschichte seit 65 Jahren. Nur eines war noch schlechter, die 37,2 Prozent von Söder selbst im Jahr 2018. "Sollte Söder weniger als die 43 Prozent von Beckstein holen, kann er alle bundespolitischen Ambitionen begraben", unkt ein CDU-Vorstandsmitglied in Berlin.
Tatsächlich hat Söder ohnedies ein CDU-Problem. Selbst wenn er doch noch wollte und ein gutes Wahlergebnis ihn beflügeln würde, gäbe es in der CDU erheblichen Widerstand gegen eine Kandidatur aus Bayern. Tief sitzt bei vielen Funktionären der CDU der Ärger über den letzten Bundestagswahlkampf und die Rolle, die Söder dabei gespielt hat. Sollte Söder andererseits bei der Bayern-Wahl 45 Prozent oder mehr erringen, dann ist die Kanzlerkandidatenfrage plötzlich wieder ganz offen.
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