Wie weiter, große Koalition? Im Bundestag treffen die Meinungen zur Halbzeit des Regierungsbündnisses frontal aufeinander. Kanzlerin Angela Merkel gibt sich kämpferisch.
Kurz vor dem NATO-Gipfel hat sich Bundeskanzlerin
In der Generaldebatte des Bundestags maß sie Deutschland auch eine weltweite Führungsrolle beim Klimaschutz zu und forderte eine gemeinsame europäische Strategie gegenüber China. Zugleich sprach sie sich für ein Weiterarbeiten der großen Koalition bis zum regulären Ende der Wahlperiode 2021 aus.
Dagegen forderte Linksfraktionschef
Merkel: Wir sind auf die NATO angewiesen
In einer leidenschaftlichen und stark außenpolitisch geprägten Rede wies Merkel darauf hin, dass die deutschen Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr 1,42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen werden, bis 2024 auf 1,5 Prozent steigen und dann Anfang der 2030er Jahre bei 2 Prozent liegen sollen. "Darauf kann man sich verlassen."
Merkel betonte: "Stärker als im Kalten Krieg ist der Erhalt der NATO heute in unserem ureigensten Interesse - oder mindestens so stark wie im Kalten Krieg."
Europa könne sich zur Zeit nicht allein verteidigen, sagte die Kanzlerin. "Wir sind auf dieses transatlantische Bündnis angewiesen. Und deshalb ist es auch richtig, wenn wir für dieses Bündnis arbeiten und auch mehr Verantwortung übernehmen."
Merkel fordert gemeinsamen EU-Kurs gegenüber China
Merkel rief die Europäer zudem eindringlich zu einem gemeinsamen Kurs gegenüber China auf und warnte zugleich vor einer Abschottung gegenüber Peking. Sie sehe es als "eine der größten Gefahren", dass jeder EU-Mitgliedstaat seine eigene China-Politik mache. "Das wäre nicht für China verheerend, aber es wäre für uns in Europa verheerend."
Für den Ausbau der 5G-Mobilfunknetze würden hohe Sicherheitsstandards gebraucht. Das müsse aber mit den europäischen Partnern besprochen werden. So wie es in Europa eine Medikamenten-Zulassungsagentur gebe, müsse es wahrscheinlich auch eine Zulassungsagentur für 5G geben. "In einem digitalen Binnenmarkt, wenn da jeder seins macht, dann werden wir nicht weit kommen", warnte Merkel.
Merkel zur Klimapolitik: "Wer, wenn nicht wir?"
Auch in der Klimapolitik sieht die Kanzlerin Deutschland in einer internationalen Verantwortung: "Wer, wenn nicht wir, soll denn zeigen, dass es geht, dass man dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann."
Mit Blick auf die große Koalition sagte Merkel, es sei sehr viel angefangen worden, vieles müsse aber noch weitergemacht werden. "Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten, meine persönliche Meinung. Ich bin dabei."
Linke-Chef Bartsch fordert "Spielabbruch"
Linksfraktionschef Bartsch bezeichnete die Politik der großen Koalition dagegen als "grottenschlecht" und betonte: "Eigentlich dürfte man die zweite Hälfte ihrer Spielzeit gar nicht mehr anpfeifen. Spielabbruch und neue Mannschaften wären das Beste." Bartsch kritisierte die Verteidigungsausgaben im Haushalt als zu hoch. "Deutschland braucht Wohnungen statt Waffen."
FDP-Fraktionschef Lindner knöpfte sich die Wirtschaftspolitik der Regierung vor: "Diese Bundesregierung geht schlafwandlerisch auf eine drohende Wirtschaftskrise, schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu." Sie kümmere sich nicht um die wirklich wichtigen Fragen. "Und es gibt ein Klima des Misstrauens und der Bevormundung, das von der Regierung ausgeht." Das zeige die Einführung einer Bonpflicht etwa für Bäckereien.
Gauland: Deutsche Energiewende ist gescheitert
Während die Kanzlerin die Klimapolitik ihrer Regierung verteidigte und die jüngsten Beschlüsse ein "ambitioniertes Paket" nannte, erklärte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die deutsche Energiewende für gescheitert.
"Selbst wenn unser Land morgen zu existieren aufhörte, wären die Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar", sagte er. "Und dafür setzen Sie alles aufs Spiel, dafür machen Sie eine Energiewende und dafür ruinieren Sie unsere Autoindustrie und die Maschinenbauindustrie."
SPD-Mann Mützenich auf Distanz zu AKK
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ging erneut auf Distanz zu Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Die SPD-Fraktion scheue nicht die Diskussion über deutsche Verantwortung. Aber das Verantwortungsprinzip der Union erschöpfe sich viel zu stark im Militärischen.
Die SPD werde ein "Streben" nach militärischer Dominanz nicht mitgehen. Seine Partei wolle eine Dominanz in der Diplomatie und der zivilen Auseinandersetzung mit humanitären Krisen, sagte Mützenich. "Ich glaube, dass das besser ist." Seine Partei wolle Abrüstung und keine neuen Debatten über Rüstungswettläufe. (hub/dpa)
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