Das Ernährungsministerium will Werbung für ungesunde Lebensmittel weitgehend verbieten. Das sei Bevormundung, sagt Herrmann Färber (CDU) im Interview mit unserer Redaktion. Der Ausschussvorsitzende für Landwirtschaft und Ernährung kann sich dagegen Nährwertangaben auch für Restaurant-Essen vorstellen. Außerdem fordert er ein Herkunfts-Siegel für regionale Lebensmittel und macht auf das Sterben von Landwirtschafts-Betrieben aufmerksam.

Ein Interview

Ob fehlende Fragen beim aktuellen Ernährungsreport, die "Bevormundung" beim geplanten Werbeverbot für Süßigkeiten oder zu wenig Geld für das staatliche Tierhaltungskennzeichen - der Ausschuss-Chef für Ernährung und Landwirtschaft hat zu vielen Themen eine andere Meinung als der Grüne Minister Cem Özdemir (Grüne). Denn Hermann Färber ist Unions-Politiker - darüber hinaus Landwirt, katholisch, Mitglied beim Deutschen Bauernverband sowie Familienvater von fünf Kindern. Seit zehn Jahren holt er zudem das Direktmandat für den baden-württembergischen Wahlkreis Göppingen.

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Im Interview mit unserer Redaktion beschwert er sich auch über die Folgen der "zerstrittenen Ampelregierung" für seinen Ausschuss.

Herr Färber, laut Ernährungsreport der Bundesregierung wollen die Menschen in Deutschland lecker und gesund essen. Gleichzeitig schlägt im Supermarkt günstiges Fleisch das Tierwohl. Ist das ein Widerspruch?

Hermann Färber: Der Ernährungsreport ist keine Bilanz, sondern eine Umfrage. Deswegen ist es kein Wunder, dass sich das eingeschätzte und das wirkliche Verhalten an der Ladenkasse unterscheiden. Positiv ist, dass immer mehr auf eine gesunde Ernährung achten und wieder mehr selbst gekocht wird. Viele wollen auch, dass das Tier, von dem sie ein Stück Fleisch auf dem Teller liegen haben, ein gutes Leben hatte. Wenn es dann um die Bezahlung geht, sind die meisten aber nicht bereit, dafür auch mehr Geld auszugeben.

Hermann Färber: "Was sind die Konsumenten bereit, für mehr Tierwohl zu bezahlen?"

Wie aussagekräftig ist der Ernährungsreport?

Mir fehlt eine Frage: Was sind die Konsumenten bereit, für mehr Tierwohl zu bezahlen? 2017 war sie noch drin. Damals waren 88 Prozent bereit, für mehr Tierwohl im Schnitt 13,60 Euro pro Kilogramm Fleisch zu bezahlen. Ein Jahr später waren es mit 52 Prozent schon deutlich weniger. Diese Diskrepanz zwischen mehr Tierwohl zu wollen und es dann tatsächlich auch zu bezahlen, ist leider im aktuellen Ernährungsreport nicht mehr ersichtlich.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will Werbung für Süßigkeiten im Umfeld von Kitas verbieten. Was halten Sie davon?

Ich halte nicht viel von Verboten. Oft schadet es der Sache mehr, weil die Leute sich nicht bevormunden lassen wollen. Ein Bäcker, der in der Nähe eines Kindergartens oder einer Schule liegt, dürfte dann nicht mehr für seine zuckerhaltigen Teilchen oder seine salzigen Laugenbrezeln in seinem Sortiment werben. Für solche Vorstöße wird es nur Unverständnis und Ablehnung geben. Außerdem gibt es keine wissenschaftlichen Belege, dass ein solches Werbeverbot Auswirkungen auf das Ernährungsverhalten oder Übergewicht von Kindern hat.

Aber so ein Verbot wäre doch im Sinne einer gesünderen Ernährung...

Ich halte die Grundidee einer gesunden Ernährung für gut. Wir leben aber in einer mündigen Gesellschaft und sollten den Konsumenten mit Wissen befähigen, damit er selbstständig Entscheidungen treffen kann. Wir müssen den Menschen nicht ständig sagen, was sie tun oder nicht tun dürfen. Was passiert mit meinem Körper, wenn er zu viel Zucker oder Fett zu sich nimmt? Dafür sollte das Bewusstsein bereits im Kindergarten und in der Schule geschärft werden. Die genauen Nährwertangaben für ein Essen im Restaurant oder in der Kantine wären doch in Zukunft auch eine Hilfe, um sich für den Salat und gegen die Pizza entscheiden zu können.

"Die Schließungswelle von Höfen ist im vollen Gange. Auch im vergangenen Jahr gab es zehn Prozent weniger Schweineställe als 2021. Dagegen wurden etwa in Spanien Ställe aufgebaut."

CDU-Politiker Herrman Färber

Die Stimmung unter deutschen Schweinehaltern ist schlecht. Insbesondere die hohen Kosten für den bevorstehenden Umbau der Tierhaltung durch die Einführung der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung macht vielen Landwirten zu schaffen. Stehen viele bald vor dem Aus?

Die Schließungswelle von Höfen ist im vollen Gange. Auch im vergangenen Jahr gab es mit 18.000 wieder weniger Schweinehalter, über zehn Prozent weniger im Vergleich zu 2021. Dagegen wurden etwa in Spanien Ställe aufgebaut. Der Trend zur Verlagerung ins Ausland schreitet unaufhaltsam voran. Von dort können die Schlachttiere bis zu 15-mal billiger eingekauft werden als in Deutschland. Dagegen kämpfen unsere Halter seit Jahrzehnten an. "Wettbewerbsfähiger werden" war die Devise. Und jetzt müssen Sie auch noch aufs Tierwohl achten und Ställe teuer umbauen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin auch für mehr Tierwohl. Aber der Druck auf die Bauern von allen Seiten ist enorm.

Viele begrüßen die Einführung des Tierhaltungs-Labels – es gibt aber auch eine Menge Kritik. Zum Beispiel, dass es zu wenig Geld für den Umbau der Ställe gebe.

Die nicht mehr existente Borchert-Kommission ist bereits von 3,5 bis 5 Milliarden Euro ausgegangen. Mittlerweile sind es eher sechs bis sieben Milliarden - pro Jahr. Die eine Milliarde Euro Förderung von Minister Özdemir ist da viel zu wenig. Das hat er aber auch schon erkannt. Nur hat sein gesamter Agrar-Haushalt insgesamt nur eine Höhe von gut sieben Milliarden. Da wird es schwer, nochmal das Doppelte zu verlangen.

Hilfe für Bauern durch mehr Planungssicherheit

Wie kann die Politik den Landwirten helfen?

Finanziell beispielsweise durch eine Fleischabgabe pro Kilogramm Fleisch oder durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer für alle tierischen Lebensmittel. Dann brauchen die Bauern Planungssicherheit. In der Schweinehaltung sind die Investitionen bei der Ferkel-Erzeugung am höchsten, weil das Mutterschwein jährlich durch vier Stallbereiche muss. 15 Jahre wurden fast nur rote Zahlen geschrieben, die Landwirte konnten also keine Rücklagen bilden. Meinen Sie, da bekommt der Tierhalter für mehr Tierwohl einen Kredit bei der Bank?

Was fordern Sie?

Für mehr Tierwohl sind die Leute bereit, 15 Prozent mehr an der Supermarktkasse auszugeben. Die restlichen 85 Prozent zahlt der Staat. Dafür braucht es einen Vertrag zwischen Landwirt und Staat. Darin wird genau festgehalten, was in den Ställen alles über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus in den nächsten 20 Jahre getan wird.

Im Koalitionsvertrag steht auch, dass der Ökolandbau bis 2030 auf 30 Prozent ausgeweitet werden soll. Ist das noch ein realistisches Ziel?

Viele Betriebe haben bereits auf Bio umgestellt. Wenn die Leute sehen, dass es Wachstum und eine Perspektive gibt, sind sie bereit für Veränderung. Es braucht aber beides – konventionelle und Bio-Landwirtschaft. Die Bauern sollen das noch immer selbst entscheiden dürfen. Und neben Bio-Siegeln fehlt mir ein Siegel für Regionalität. Konventionelles Lammfleisch aus der Nachbarschaft ist besser als günstiges Bio-Fleisch aus Neuseeland.

Ampel-Streit hält Ausschuss auf

Nur wenige Versprechen gemacht und davon wenig erfüllt - in der Halbzeitbilanz der Bertelsmann Stiftung kam das Landwirtschafts- und Ernährungsministerium nicht so gut weg. Sind Sie ähnlich kritisch?

Es wäre unfair, alle Probleme dem Agrar-Ministerium in die Schuhe zu schieben. Vielmehr ist es die zerstrittene Ampelregierung, die für eine sehr überschaubare Tagesordnung bei zahlreichen Ausschusssitzungen gesorgt hat. Gerade Grüne und FDP vertreten so gegensätzliche Richtungen, das hat sich auch bei der Tierhaltungskennzeichnung wieder gezeigt. Die Grünen wollen mehr Tierwohl gesetzlich vorschreiben – die FDP will es dem freien Markt überlassen. Schon gab es wieder Hickhack.

Über den Gesprächspartner:

  • Der CDU-Politiker Hermann Klaus Färber (Jahrgang 1963) führte über 25 Jahre den landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Baden-Württemberg, bevor er für die CDU 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages wurde. Seit 2021 ist er Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft.
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