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  • CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zeigt sich im Gespräch mit Linda Zervakis und Louis Klamroth von seiner freundlichen Seite.
  • Politische Standpunkte bleiben dagegen im Vagen.
  • Laschet will den Klimaschutz vorantreiben, lehnt Tempolimits oder Flugverbote aber ab.

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Vielleicht ist es ganz gut, dass Armin Laschet Politiker und nicht Journalist geworden ist. Als der CDU-Kanzlerkandidat am Montagabend bei ProSieben zum Interview antritt, bittet ihn Moderator Louis Klamroth, kurz seine Rolle zu übernehmen: Wenn der frühere Journalist Laschet den Kanzlerkandidaten der Union (also sich selbst) kritisch interviewen müsste – was würde er fragen? Es wäre wohl kein besonders spannendes Interview geworden, so viel ist sicher. "Da fällt mir jetzt nichts ein", sagt Laschet nur. Eine nette Idee der Moderatoren zum Einstieg. Funktioniert hat sie aber nicht.

ProSieben ist bekanntlich in die Politik-Berichterstattung eingestiegen. Nach Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) in den Vorwochen stellt sich am Montag Armin Laschet einer 45-minütigen Fragerunde von Linda Zervakis und Louis Klamroth. Man wolle den CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten auch als Menschen kennenlernen, stellt Zervakis am Anfang klar. Das gelingt in dieser Dreiviertelstunde deutlich besser als das Gespräch über politische Inhalte.

"Sachlich" und "herzlich": Blumen für Scholz und Baerbock

Es geht jedenfalls recht wolkig los. Laschet erklärt, warum er bei der samstäglichen Fußballwette am liebsten auf Unentschieden tippt. Er lobt auch ein bisschen die Konkurrenz: Olaf Scholz sei "sehr sachlich" und verlässlich. An Annalena Baerbock schätzt er ihre "sehr herzliche Art". Später spricht Laschet sogar über seine Gefühle: Bei der Trauerfeier nach dem Absturz einer Germanwings-Maschine, bei dem 2015 unter anderem eine Schulklasse aus dem westfälischen Haltern ums Leben kam, habe er geweint. Genauso beim Abschied von der Steinkohle-Förderung. Die Schicksale von Menschen treiben ihn um. Wenn er sich für etwas in der Corona-Pandemie entschuldigen müsste, dann wäre es eine Entscheidung aus dem Frühjahr 2020: "Als wir Menschen alleine haben sterben lassen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen."

Laschet über Maaßen: "Er ist kein Antisemit"

Man würde Armin Laschet wohl klaglos in die Doppelhaushälfte nebenan einziehen lassen oder ihm ein Zimmer in der Soziologen-WG geben. Aber würde man ihn auch zum Kanzler wählen? Wofür der CDU-Vorsitzende inhaltlich steht, lässt er an diesem Abend häufig im Vagen. Dass Schwule und Lesben bei einem Gottesdienst den kirchlichen Segen erhalten? Findet Laschet "in Ordnung". Dass Frauen in der Katholischen Kirche predigen dürfen? Fände er auch "in Ordnung". Beide Fragen will er aber lieber den Glaubensgemeinschaften überlassen. Gendergerechte Sprache? Laschet selbst spricht kein Gendersternchen. Aber andere können das ruhig machen, sagt er.

Und das Reizthema Hans-Georg Maaßen? Der frühere Chef des Bundesverfassungsschutzes will als Rechtsaußen für die Thüringer CDU ein Direktmandat holen und in den Bundestag einziehen. Er teile viele Aussagen von Maaßen nicht, sagt Laschet. Aber er nimmt ihn auch vor Kritik in Schutz. "Er ist nicht rechtsradikal und er ist kein Antisemit. Wenn er es wäre, würde er die CDU verlassen." Laschet steht auch hier zwischen den Stühlen. Es sei das Recht der CDU-Kreisverbände in Suhl und Schmalkalden, Maaßen aufzustellen. Aber eine Wahlempfehlung für ihn will Laschet auch nicht geben.

Der CDU-Chef kann bei bohrender Kritik dünnhäutig werden und unsouverän wirken. Den einen oder anderen Talkshow-Auftritt hat er so schon vergeigt. An diesem Abend bleibt er aber meistens die Ruhe selbst. Das Moderatoren-Duo macht es ihm da auch leicht. Es geht viel um den Menschen Laschet, um seine Werte, seinen Glauben. Richtig hartnäckig fragen die Gastgeber nur beim Thema Masken-Affäre nach. Warum ausgerechnet Politiker der Union so anfällig für fragwürdige Millionen-Geschäfte sind, will Louis Klamroth wissen. Laschet bügelt die Frage mehrmals ab – Skandale gebe es in allen Parteien. "Ich gebe Ihnen jetzt zum vierten Mal die Antwort: Es ist kein Unionsproblem."

Armin Laschet: Klimaschutz ja – aber wie?

Zum Ende geht es dann doch noch um etwas konkrete Politik: Wie sähe Deutschland 2030 nach zwei Amtszeiten eines Bundeskanzlers Laschet aus? Seine Antwort: "Mein Traum wäre, dass wir die Klimaschutzziele erreichen und trotzdem noch Industrieland bleiben und trotzdem noch als Gesellschaft sozial zusammenhalten." Laschet will Kohlekraftwerke möglicherweise noch früher schließen als geplant. Ansonsten bleibt unklar, mit welchen Maßnahmen er die Klimaziele erreichen will. Ein Verbot des Verbrennungsmotors? Laschet will kein Datum nennen. Tempolimit auf den Autobahnen? Will Laschet nicht. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen? Findet Laschet zwar falsch. Aber eine bessere Bahnverbindung von Köln nach Berlin als Alternative fände er schon gut. Eine höhere Steuer auf Kerosin? Sei keine Frage, die Deutschland allein lösen kann.

Man merkt an diesem Punkt: Je mehr er sich festlegen muss, desto dünner wird Laschets Haut. Doch weil zuvor so viel über andere Dinge geplaudert wurde, sind die 45 Minuten in diesem Moment auch schon abgelaufen. Gut für Laschet, schade für das Publikum.

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