- Die Bundesregierung verhandelt in Doha mit Taliban-Unterhändlern.
- Dort befindet sich nicht nur das politische Büro der radikalislamischen Miliz.
- Katar nimmt auch sonst eine besondere Rolle in Bezug auf die Taliban ein.
Die untergehende Sonne schimmert über das Rollfeld auf dem Flughafen in Kandahar, als die Militärmaschine aus Katar landet. Erst springen Soldaten in Tarnfleck aus der Maschine der katarischen Luftwaffe, wie Videoaufnahmen zeigen. Dann steigt ein halbes Dutzend weiß gekleideter Männer aus dem Flugzeug – ein Teil der Führungsriege der Taliban.
Es ist kein Zufall, dass die Spitze der radikalislamischen Miliz in der zweitgrößten Stadt Afghanistans landet. Die Metropole im Süden des Landes hat für die Taliban eine hohe symbolische Bedeutung: Dort wurde ihre Bewegung ins Leben gerufen, und von dort regierten sie das Land ab 1996 bis zu ihrer Vertreibung.
Und ebenso ist es kein Zufall, dass Katar, das Emirat am Persischen Golf, die Taliban zurück in ihr Heimatland bringt.
Abdul Ghani Baradar: Afghanistans neuer Machthaber?
In Kandahar landete Mullah Abdul Ghani Baradar, Mitbegründer und Führungsmitglied der radikalen Islamistenbewegung. Es ist die erste in aller Öffentlichkeit stattfindende Rückkehr eines Mitglieds der Taliban-Führung seit deren Vertreibung durch die USA im Jahr 2001.
Baradar hatte zuletzt das politische Büro der Taliban in Katar geleitet. Er verantwortete unter anderem die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Februar 2020, das den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan regelte. Der 53-Jährige gilt als kommender Machthaber in dem zentralasiatischen Land, er ist das politische Oberhaupt der Taliban und ihr bekanntestes Gesicht.
Nach seiner Verhaftung in Pakistan 2010 wurde Baradar 2018 auf Druck der USA freigelassen. Überführt wurde er nach: Katar. Dort hatten die Taliban fünf Jahre zuvor offiziell ihr Büro eröffnet.
Katar pflegt pragmatische Beziehung zu Islamisten
Von der "Taliban-Botschaft" in Doha aus, wie der Nahost-Experte Jonathan Schanzer das Büro der Miliz nannte, knüpfte Baradar internationale Verbindungen.
Doch die Hauptstadt von Katar war mehr als das. Schon seit den 1990er Jahren pflegte das Land einen pragmatischen Umgang mit den Taliban: Während ihrer Herrschaft in Afghanistan von 1996 bis 2001 hatte das Emirat die Islamisten zwar nicht anerkannt. Man hielt aber weiter "freundschaftliche" Beziehungen zu der Miliz.
Nach ihrem Sturz vor zwanzig Jahren beherbergte Katar offen Taliban-Führer. Und: Aus dem Land sollen finanzielle Mittel an die Islamisten geflossen sein, wie die BBC 2018 berichtete.
Deutschland verhandelt mit Taliban
Unmittelbar bevor Baradar am Dienstag in sein Heimatland flog, war er noch mit dem Außenminister von Katar zusammengekommen, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani.
Der Schwerpunkt bei dem Treffen lag dem Minister zufolge "auf dem Schutz der Zivilbevölkerung". Außerdem sei es um die "notwendigen Bemühungen um eine nationale Aussöhnung, das Streben nach einer umfassenden politischen Lösung und eine friedliche Machtübergabe" in Afghanistan gegangen.
In Doha trifft sich derzeit auch die Bundesregierung mit Taliban-Vertretern. Bereits am Dienstag hatte Außenminister Heiko Maas den Afghanistan-Experten Markus Potzel in das Golfemirat geschickt, um dort mit Unterhändlern der Taliban über die Evakuierung afghanischer Ortskräfte zu sprechen. Zunächst wurden keine Ergebnisse erzielt. (dpa/afp/mf)
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