- Rund drei Prozent der Deutschen identifizieren sich Schätzungen zufolge nicht mit dem Geschlecht, das ihnen nach der Geburt zugeordnet wurde, sind also trans.
- Viele Betroffene fühlen sich gegängelt – von Behörden wie unsensiblen Mitmenschen gleichermaßen.
- Hollywood-Star Elliot Page will mit und nach seinem Outing anderen Transmenschen helfen.
Seine Freude sei groß, aber sie sei auch zerbrechlich, schrieb
Die Gründe für jene Zerbrechlichkeit definiert Page später genauer: Er habe Angst vor dem Hass, vor den vermeintlichen Witzen, vor der Gewalt, die nach seinem Coming-out auf ihn zukommen könnten. Diskriminierung gegen Transmenschen sei nach wie vor weit verbreitet, sei grausam und habe Konsequenzen, so der kanadische Hollywood-Star.
60 Prozent der Transmenschen in Europa verbergen ihre Geschlechtsidentität
Eine Erhebung der EU-Grundrechteagentur (FRA) stützt seine Aussage: Demnach fühlt sich mehr als die Hälfte aller Transmenschen in Europa diskriminiert. Rund 60 Prozent gehen selten oder fast nie offen mit ihrer Geschlechtsidentität um.
Immerhin: Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*, der sich deutschlandweit für geschlechtliche Selbstbestimmung einsetzt, hat beobachtet, dass sich immer mehr Transmenschen outen und das auch schon in jüngeren Jahren. Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) identifizieren sich in Deutschland rund drei Prozent der Menschen nicht mit dem Geschlecht, das die körperlichen Merkmale vorgeben.
Aber Vorsicht: Ob sich jemand als trans bezeichnet, hängt nicht davon ab, ob er sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat oder das überhaupt möchte. Neben trans, Transmensch oder Transsexuelle gibt es den Begriff Transgender. Er betont in der Regel vor allem die soziale Komponente des Transseins: So bezeichnen sich als Transgender meist Personen, sich vor allem nicht mit dem Rollenverständnis des jeweiligen Geschlechts verbunden fühlen.
Abzugrenzen ist außerdem der Begriff der Intersexualität. Er beschreibt Menschen, die bereits mit Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale geboren wurden.
In Deutschland entscheiden Gutachter, wer offiziell sein Geschlecht ändern darf
In Deutschland regelt das Transsexuellengesetz (TSG) die Möglichkeit, Vornamen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Bislang müssen Betroffene hierfür zunächst einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht stellen und bekommen daraufhin zwei Gutachter zugewiesen. Es folgen meist mehrere Sitzungen, nach denen die Gutachter beurteilen müssen, ob die Person dem Geschlecht entspricht, dem sie sich selbst zugehörig fühlt.
"Diesen Prozess empfinden viele Menschen als demütigend und entwürdigend, da hier sehr intime Fragen gestellt werden.", erzählt Huempfner. Außerdem beklagt er, dass die Betroffenen die Begutachtung meist selbst bezahlen müssen.
Der Bundesverband Trans* und weitere Initiativen fordern seit Jahren eine Reform des Verfahrens. Eine persönliche Erklärung sollte ihrer Meinung nach ausreichen, um Name und Geschlechtereintrag ändern zu können – zumal nahezu alle Gutachten der Selbsteinschätzung von Transmenschen entsprechen würden. "Das Verfahren ist also eine überflüssige Gängelung der Betroffenen", sagt Huempfner.
Grundsätzlich sei die Idee, die dem im Jahr 1981 verabschiedeten Transsexuellengesetz auch in seiner aktuellen Form zugrunde liege, sehr bevormundend gegenüber Transmenschen und folge einer pathologisierenden Logik. "Dabei hat sich in den letzten vierzig Jahren enorm viel getan, was das Wissen um Transgeschlechtlichkeit angeht", sagt Huempfner. So definiert die Weltgesundheitsorganisation Transgeschlechtlichkeit nicht mehr als psychische Krankheit.
Respekt drückt sich auch in der Sprache aus
Transmenschen weltweit kämpfen auch um mehr sprachliche Sensibilität. So empfehlen sowohl Verbände als auch das Bundessozialministerium die Verwendung des "Gender_Gap": Durch den Unterstrich zwischen weiblicher und männlicher Form sollen alle Geschlechtsidentitäten eingeschlossen werden. Die gleiche Funktion haben das sogenannte Gendersternchen oder der Doppelpunkt. Beide Formen sollen eine Möglichkeit sein, Anreden und Bezeichnungen geschlechtsneutral zu formulieren.
"Ob es nun ein Sternchen, ein Unterstrich oder ein Doppelpunkt ist, ist gar nicht die relevante Frage – es ist in jedem Fall gut, sich Gedanken darüber zu machen, wie mehr als zwei Geschlechter angesprochen werden können", sagt Huempfner.
Medien auf der ganzen Welt haben das Coming-Out von Elliot Page aufgegriffen. Dass respektvoll berichtet wird, ist nicht nur für den Prominenten selbst, sondern auch für Betroffenen weltweit von Bedeutung. "Vor allem direkt nach ihrem Coming-Out, aber natürlich auch darüber hinaus, ist es für Transmenschen wichtig, dass sie mit dem Pronomen angesprochen werden, das sie sich wünschen", sagt Huempfner.
Schon mit achtsamer Ausdrucksweise könne man Transmenschen unterstützen. Achtsamkeit bedeute dabei vor allem anzuerkennen, dass die jeweilige Person sich vermutlich schon lange der Geschlechtsidentität zugehörig gefühlt hat, zu der sie sich nun auch öffentlich bekennt.
Elliot Page hat für sich einen wichtigen Schritt gemacht – und will jetzt anderen helfen. Auf Instagram schrieb er: Er sehe alle Transmenschen, die mit Gewalt und Diskriminierung zu kämpfen haben, und werde alles tun, um ihre Welt zu verbessern.
Verwendete Quellen:
- Bundesverband Trans*
- FRA, Umfrage unter LGBTI-Personen in Europa: Dominiert die Hoffnung oder die Angst?
- BMFSFJ, Situation von trans- und intersexuellen Menschen im Fokus
- Human Rights Campaign: Fatal Violence Against the Transgender and Gender Non-Conforming Community in 2020
- BdKom, Kompendium Gendersensible Sprache. Strategien zum fairen Formulieren
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